Geschichten:Die Falle einer Ratte - „Das Band ist zerrissen zwischen uns“

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Feste Osenbrück, 16. Peraine 1032 BF, Nachmittag


„Und nun?“ Hilbert warf die Frage in den Raum und brach damit das lange lähmende Schweigen.

Nach der Fehdeerklärung hatten sich beide Seiten mit finsteren Blicken getrennt. Malepartus von Helburg hatte sich die Hände reibend in die Burg des Schwerterordens entfernt, während die drei Waldsteiner Adligen sich schweigend in das provisorische Befehlszelt des Söldnerlagers begeben hatten.

„Wir ziehen ab und beraten uns mit unseren Bundesbrüdern“, erwiderte Nimmgalf kühl. „Sie sollten erfahren, was heute hier geschehen ist. Erlan wird wenig begeistert sein, das Alter scheint ihn… mild gestimmt zu haben. Trotzdem schlage ich vor, dass wir uns bei ihm auf Zankenblatt sammeln und die nächsten Schritte beratschlagen.“

„Dann gebe ich den Söldnern das Zeichen zum Aufbruch“, sagte Hilbert und verließ das Zelt.

Wulf von Streitzig, der die gesamte Zeit über still beobachtet hatte, versuchte aus dem Gesicht seines Freundes Nimmgalf etwas heraus zu lesen. Seit seinem Feldzug gegen seine frühere Gemahlin und Dämonenpaktiererin Simiona hatte sich ein harter Zug um den Mund des Hirschfurters gebildet. Die fast naive Fröhlichkeit, durch die der Leihenbutter Baron früher stets aufgefallen war und die reihenweise die Herzen der Damen aller Stande gebrochen hatte, schien verflogen und einer eisige Kälte Platz gemacht zu haben. Während der Fehdeerklärung hatte Wulf seinen Waldsteiner Nachbarn genau beobachten können. Kein Zeichen von Zaudern hatte er bemerkt oder Zögern, einem Gegner und dessen Kameraden den Krieg zu erklären und den Tod von Menschen, denen er durch Blut und Tat verbunden war, billigend in Kauf zu nehmen. Die Zeiten hatten sich gewandelt, es schien, als ob eine neue Zeitrechnung begonnen hatte.

„Was denkst du, Wulf?“, riss Nimmgalf seinen schweigenden Gefährten aus den Gedanken. „Du hältst mich für waghalsig und impulsiv, weil ich einen stärkeren Gegner herausfordere. Ich weiß, die Reichsforster Liga ist seit Simionas Fall nur noch ein Schatten ihrer früheren Kraft und die gerissenen Lücken sind noch lange nicht gefüllt. Aber ich habe schon stärkere Gegner gemeistert. Ich werde auch die Pulethaner in die Knie zwingen!“

Wulf schüttelte den Kopf. „Nein, das denke ich nicht. Ich frage mich nur, zu welchem Preis du die Adligen des Königreichs in den Krieg führst. Deine verletzte Ehre kann es kaum sein; ich schätze, dass es seit dem Kampf um Leihenbutt etwas schlimmerem als verletzende Worte bedarf, um Dich zu diesem Schritt zu zwingen.“

Eisig antwortete Nimmgalf: „Was denn außer der Ehre eines aufrechten Mannes, der auf der Seite der Götter steht, mit jedem Schwerthieb sein Reich verteidigt und bereit ist mit vollstem Herzen für seine Kaiserin zu sterben, ist es wert vor mordlüsternen Heuchlern und intriganten Hochstaplern beschützt zu werden? Du hast doch selbst den weißen Stein gesehen, den Stimmstein aus Weidleth, mit welchem der Kaiserin Unschuld gemessen wurde. Diese Ratte von Höllenwall hat ihn sich an das Revers seines Wappenrocks gesteckt und zeigt deutlich, dass er die Kaiserin des Reichsverrats für schuldig hielt. Der weiße Stein ist aber nichts anderes das Zeichen seines eigenen Verrates an Reich und Kaiserin. Ich vollbringe daher nur die Pflicht eines Vasallen Rohajas von Gareth, das Reich vor Verrätern und Verschwörern zu verteidigen.“

Gerade wollte Wulf zu einer Antwort ansetzen, als Hilbert mit fahlem Gesicht in das Zelt gestürmt kam. „Die Pulethaner sind da! Es ist eine regelrechte Armee!“

„Was?“ riefen Nimmgalf und Wulf gleichzeitig aus. Sie hatten Meldungen bekommen, dass die Verbündeten von Malepartus von Ochsenblut aufgebrochen waren, aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass sie so schnell hier sein würden.

„Gib den Wölfen Bescheid, dass sie sich zum Rückzug bereithalten sollen. Und dass sie schnell machen sollen!“, rief Wulf.

Hilbert schaute hilflos zwischen seinen beiden Freunden hin und her. Nimmgalf blieb kühl und regungslos. Die harten Züge um seinen Mund traten deutlich hervor. „Was meinst Du, Nimmgalf? Sie werden doch nicht wagen uns anzugreifen, und damit die Regeln der Fehde zu brechen und damit die Reichsacht riskieren.“

„Lass das ehrlose Pack nur angreifen“, antwortete Nimmgalf. „Sie sollen sehen, was es heißt, einem Pfortenritter den Krieg zu erklären.“