Geschichten:Deutung von Felians Traum - Bishdaryan deutet

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Reichsstadt Perricum, Ende Tsa 1040 BF, Kloster des Vergessens

Auf eine Geste des Geweihten hin nahmen die beiden Männer an dem wackligen Tischchen in der Zelle Platz. Der Akoluth brachte zwei Holzbecher mit Kräutertee, die er neben der blakenden Öllampe auf das zerfurchte Holz des Tischchens stellte.

Durch den aufsteigenden Dampf blickte Bishdaryan Felian nachdenklich an: „Viele verstörende Bilder hat Euch Euer Traumgesicht gezeigt. Es stellt Euch als Handelnden in den Mittelpunkt eines Geschehens, das Ihr verstehen wollt – und müsst. Denn alles in diesem Traum deutet darauf hin, dass Ihr frei über Wehe und Wohl entscheiden werdet. Eines ist fürwahr nicht nur eine Metapher: Ihr wart dabei, als ein alter Stein zerstört wurde und Licht aus ihm drang, nicht? Erinnert Euch daran, erzählt mir Eure Erinnerung, und überlegt, wie Ihr angesichts des Erlebten das Geträumte zu verstehen glaubt.“

"Euer Gnaden, ich verstehe nicht", schüttelte der Junker den Kopf. "Ich meine ich habe euch gerade erzählt, wie ich im Traum einen Stein zertrümmerte, doch ich kann mich leider nicht erinnern, zeitlebens nochmals etwas in der Art gemacht oder erlebt zu haben." Nochmals zuckte er die Schultern und blickte sein Gegenüber fragend an.

Der Geweihte schwieg jedoch und blickte ihn mit unergründlichem, doch freundlichem und aufforderndem Blick nur an. Einige Augenblicke später erlaubte sich Felian dann doch eine Ergänzung: "Womöglich könnte da doch etwas gewesen sein."

Er nestelte im Ausschnitt seines Wams und zog ein farbiges Ordensband mit einem schmucklosen Stern heraus, welches um seinen Hals hing. "Bei der Gründung des Ordens von Korgond - ihr wart ja auch dabei, Vater – war, glaube ich, so ein Licht. Hübsch anzusehen, doch an mehr erinnere ich mich schlicht nicht. Zu viele andere, wichtigere Dinge...“, Felian betonte letzteres mit einem sarkastischen Unterton, „erforderten damals und seither meine Aufmerksamkeit."

"Dann soll Euch der Traum womöglich an jenen wichtigen Moment unter vielen anderen, wichtigen Dingen erinnern, der in Eurem Gedächtnis verschüttet gewesen ist", sagte Bishdaryan nachsichtig.

Er nahm einen Schluck des Tees, bevor er weitersprach: "Überlegen wir gemeinsam weiter: Das Purpur wirft im Traum einen Schein auf Euren Schritt vor den Altar. Möglicherweise ist das ein Symbol dafür, dass Ihr versucht werden könnt. Ist die Zerstörung die Handlung, die sich aus der Versuchung ergibt? Oder bereits ergeben hat?" Der Noionit grübelte: "Wohl ist damit nicht die tatsächliche Zerstörung bei der Gründung dieses Ordens gemeint, sondern die gedankliche Auflösung etwas Alten - aus der Zeit, als noch die Ferkinas das Land durchzogen, wie Ihr es formuliert. Diese Auflösung des Alten - was könnte das sein, sagt mir, Wohlgeboren, was Ihr darunter versteht? -, hätte dann dem schwarzen Wasser erlaubt, alles zu ertränken. Das würde bedeuten, dass Euer Traum einen Blick zurück auf bereits Geschehenes richtet: Vielleicht hat die Auflösung des Alten - die Zerstörung des alten Altarsteins in Eurem Traum - erlaubt, dass das schwarze Wasser die Höhle überspült? Weil der Stein dessen Eindringen verhindert hatte? Erklärt Ihr mir, was damit gemeint sein könnte! Doch diesem Wasser, das nur ein Symbol für das scheinbar alles Ertränkende, Finstere ist, trotzen die acht Schlangen. Die Acht ist die Zahl der Herrschaft. Das heißt: Der oder die Herrschenden werden... sollen... einen Weg... ein Mittel finden, die vorherige Ordnung wieder herzustellen. Im Bild gesprochen: Der alte Altarstein muss wieder hergestellt werden, um die Flut des schwarzen Wassers einzudämmen. Und nun sagt mir, was diese Bilder für Euch und die tatsächlichen Gegebenheiten bedeuten. Wenn Ihr das versteht, wisst Ihr, was Ihr zu tun habt."

"Ich glaube nicht, dass ich Eure Worte verstehe, Euer Gnaden", runzelte Felian die Stirn. "Wahr ist, meine Gattin kehrte nicht von der Gaulsfurt zurück und ich für meinen Teil fürchte nichts so sehr wie tiefe Gewässer wie Meer und Seen. Eine "Erinnerung" an meine horasische Exilzeit in Sewamund nach der Dreikaiserschlacht," erklärte er dem Geweihten. "Das erklärt möglicherweise das Wasser. Doch warum hatte ich nach dem Aufwachen den Eindruck, die Schlangen wären, was zu fürchten ist und nicht das Wasser?" Felian blickte Bishdaryan fragend an.

Bishdaryan von Tikalen lächelte verstehend: „Das, was mancher als Traumdeutung versteht, ist kein Ziel, sondern ein Weg. So Ihr fragt, was bedeuten die Schlangen?, und erwartet eine einfache Antwort, so sage ich Euch, es ist Euer Traum, nicht der meine. Man könnte die Schlangen als Symbol der Hesinde verstehen. Oder als Ottern, die schleichendes Gift im Zahn tragen. Die Interpretation liegt beim Träumenden, nicht dem Diener Bishdariels, der ihn leitet. Darum verzeiht, dass ich Euch keine direkte Lösung des Rätsels in die Hand zu legen vermag. Ich bin sicher, wenn es an der Zeit ist, werdet Ihr erkennen, was gemeint gewesen sein könnte – und entsprechend Eurem Verständnis handeln. Euer Glaube soll Euch dabei in die richtige Richtung weisen.“ Der Geweihte schob Felian dessen Becher zu: „Nun trinkt, ehe der Kräutersud kalt geworden ist. Und dann ruht Euch als Gast des Klosters hier aus. Ich bin sicher, dass Ihr heute Nacht traumlos in Borons Armen schlummern werdet. Und erfrischt erzählt mir dann von Sewamund, wo ich lange nicht mehr gewesen bin – doch nicht mehr heute Nacht."