Geschichten:Des Marschalls langer Schatten - Zwei Spuren weniger

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Pfalz Bugenhog, irgendwo tief in den Gewölben, Ende Tsa 1038 BF

Der schlichte Holztisch in dem fensterlosen Raum glänzte feucht, der Widerschein der Wandfackeln tanzte darauf wie Irrlichter über einem nebligen Sumpf. Das Stroh auf dem Boden war gerade erneuert worden, nachdem auch der blanke Felsboden eine ordentliche Ladung Wasser abbekommen hatte. Trotzdem stand der faulige und kotige Geruch in der Luft. Er würde sich erst nach ein paar Tagen verzogen haben, wusste Egbert von Lepel aus eigener Erfahrung, während er ein feinbesticktes Taschentuch vor den Mund hielt.

In einer Ecke des Raumes stand Selinde von Spillingen und wusch sich Hände und Gesicht. Die nassen Flecken ihres Wappenrockes tropften noch von Zeit zu Zeit hinunter zum Boden. Nicht heiter und hell wie Wasser, sondern eher dumpf und düster wie eine dicke Suppe, in der dicke Klumpen schwammen.

»Hättet Ihr ein wenig mehr Vorsicht walten lassen, Spillingen, dann wär Euch diese unerfreuliche Sache erspart geblieben«, bemerkte der Kastellan der Kaiserpfalz trocken.

»Wer kann den ahnen, dass dieser Tölpel von einem Magier seine Spuren nicht richtig verwischt«, stieß sie verärgert hervor. »Führt stattdessen drei Kronvögte, eine Burggräfin, einen Baron und den Wegevogt der Grafschaft direkt hierhin.«

»Das ist mir bekannt«, entgegnete Lepel. »Immerhin habe ich sie empfangen dürfen, denn mich, nicht Euch, haben sie nach dem „Thuronier“ gefragt. Zum Glück musste ich ihnen nicht einmal die Unwahrheit erzählen, dass ich von einer solchen Person keine Kenntnis habe.«

»Wenn man auf mich gehört hätte, dann hätten ein paar Bolzenschüsse auf dem Markt von Bugenhog während ihrem laienhaften Schauspiel das Problem ein und für allemal gelöst.«

Lepel lächelte hintersinnig. »Und deshalb ist es gut, dass man nicht auf Euch hört. Man metzelt nicht einfach so durchreisende Hochadlige nieder. ER hätte es dann sicher nicht bei einer Rüge belassen.«

Mit einem Achselzucken goss sich Selinde von Spillingen einen weiteren Schwall Wasser über ihre Arme, die bis zu den Ellenbogen dunkel verfärbt waren.

»Was hat Schallenberg-Zoltheim denn noch zu berichten gehabt?«, fragte Lepel mit einem lauernden Unterton. »Wie ich hörte, war er sehr gesprächig.«

»In die Gerbaldsmark wollte er wechseln. Die Eslamsgrund hat ihm angeboten ihn gegen belastende Beweise gegen seine Hochwohlgeboren an ihren Hof zu holen. Offenbar hat er denen alles berichtet, was er hier heraus gefunden hat. Dass ich Tharleon im Gewande des Thuroniers empfangen habe und ihn mit Magierrobe und Zaubertränken versorgt habe.« Selinde von Spillingen rieb sich mit einem dreckigen öligen Fetzen die Unterarme ab.

»Wie ich hörte, hat es ihm nichts genutzt«, lächelte Lepel. »Sie haben ihn mit dem Ei des Natternunholds in den Händen geschnappt. Dabei soll er angedeutet haben, seine Hochwohlgeboren wüsste etwas von diesem Geschäft, und Gerbaldsmark wollte sich direkt nach ihrer Abreise von Bogenbrück daran machen, eine formale Anklage zu formulieren. Dazu wäre es natürlich auch nicht gekommen, wenn Haffax Leute den unseren nicht zuvor gekommen wären.«

»Das ist doch eine glückliche Fügung! Dann führt ja jetzt keine Spur mehr zu uns!«

»Es gibt noch die eine oder andere Spur, die man neutralisieren muss. Unser Mann hat auf Bogenbrück keine Spuren der Aufzeichnungen der Gerbaldsmärkerin gefunden, es ist gut möglich, dass man sie benutzen will, um IHN zu erpressen. Und da ist noch eine zweite Spur, um die man sich kümmern muss«, sagte Lepel, während die Hofritterin röchelnd mit durchschnittener Kehle vor ihm auf dem Boden strampelte. »Aber um die müsst Ihr Euch nicht mehr kümmern.«

Lepel beobachtete, wie die Sterbende mit panischem Blick versuchte, sich über die brutal entstellte Leiche von Halwart von Schallenberg-Zoltheim zu ziehen, die im Schatten lag, dort wo das Licht der Fackeln an der Wand nicht hinreichte. Die Kraft der Frau reichte nicht aus, mit einem letzten Röcheln bäumte sie sich auf, bevor sie starr auf dem Boden liegen blieb. Natürlich würde es ordentliche Prozessakten über den Verrat des Schallenberg-Zoltheimer und der Spillingen geben, die dem Codex Raulis entsprechend an die Kaiserkrone und die Reichsverwaltung weitergegeben würden. Um die Aufzeichnungen der Gerbaldsmarkerin dagegen würde er sich beizeiten kümmern. Mit ruhigen Schritten ging Lepel zum Wassereimer und begann ruhig sein eigenes Waschritual.



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26. Tsa 1038 BF zur abendlichen Firunstunde
Zwei Spuren weniger
Bier, Braten und eine Leiche


Kapitel 2

Unerwartete Post
Autor: Hartsteen