Geschichten:Der Ruf des Einhorns - Trollvisionen

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Reichsstadt Eslamsgrund, 30. Efferd 1036 BF, kurz nach Mittag


„Ich weiß es, Eure Rufe tun es kund, viele von Euch denken an ihn«, rief Edorian in die aufgewühlte Menge hinein. »Viele von Euch sehnen sich vielleicht sogar zurück nach den Tagen unter…«

Die Veränderung trat ohne Übergang und ohne Vorankündigung ein. Es war keine Veränderung der Menschen auf dem Marktplatz. Denn es gab keine Menschen mehr vor ihm. Edorian brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass vor ihm etwa einhundert grimmig schauende Borkengesichter standen, die fremdgeformte Klingen und reich verzierte Äxte in den Händen hielten. Er brauchte einen Moment, diesen Unterschied überhaupt zu bemerken, denn es war die gleiche Erregung, die von dieser ihm vertraut anfühlenden Ansammlung von Trollen ausging. Das spürte er tief in seinem Körper, der wie mit Zotteln behangen war und mehr als das Zweifache seiner eigentlichen Körpergröße maß.

Edorian hatte nicht aufgehört zu reden, noch immer verließen Worte seinen breiten Trollmund, die er nicht selber formte und die er nicht verstand, denn er verstand die Sprache nicht, die er sprach. Aber er fühlte, dass das, was er sprach, nicht so verschieden sein konnte von dem, was er in Eslamsgrund sagte und sagen wollte. Er fühlte Sorge um die vor ihm stehenden Kinder Rôschtulas, teilte mit ihnen eine Angst vor einer Macht, die er nicht verstand und die er als größte Gefahr seines Lebens und seines Volkes begriff.

In seiner Hand hielt er hoch erhoben eine mit Splittern besetzte Keule, das Zeichen seiner Macht und seiner Würde. Er war einer der Erwählten und wenn sie auf ihn hörten und seiner Führung vertrauten, dann war nichts zu befürchten. In der anderen Hand hielt er den Helm eines seiner Feinde in die Höhe. Das Blut eines Wimmelkriegers klebte noch frisch daran. So klein und schwächlich waren sie, wie sollten sie ihnen etwas anhaben können.

Er sprach weiter zur Menge der aufgebrachten Bergschrate, und langsam fühlte er, wie sie sich beruhigten. Er merkte zufrieden, wie sie sich seinem Willen fügten. Sie würden seine Führung nicht wieder in Frage stellen und die ewig bestehende Ordnung der Trolle aufrechterhalten, die schon so alt war, dass man es schon vor Generationen aufgeben hatte, die Dauer ihres Bestandes mit Zahlen zu versehen.

Und die ganze Zeit über war es, als leuchtete ein warmes, gütiges Licht auf ihn, dass seinen Verstand schärfte und ihm half, seine Gedanken zu ordnen und in Struktur zu bringen. Aber dieses Licht fühlte nur der Mensch Edorian, denn er kannte dieses Gefühl und verband damit die tiefsten Momente seines Lebens. Kein Falsch lag darin, sondern nur das Lächeln eines Wissenden, der von einer hohen Warte mit großer Genugtuung einen nach Wahrheit Strebenden seinen unklaren Weg in die richtige Richtung einschlagen sieht. Und doch hatte er niemals die Nähe seines Gottes so stark gefühlt wie in diesem Moment.

Siehe. Lerne. Verstehe. Handle.

»… Eurem alten Grafen Yesatan von Eslamsgrund. Ihr wisst das er für Leibeigene und Bauern eintrat, wider die Fron.«