Geschichten:Der Ritt in den Reichsgau Teil 10

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Teil X

Still und dunkel lag die alte Reichsstadt Hartsteen unter einem breiten Sternenzelt. Verschlafen glomm hier und da in einer Schänke die eine oder andere Kerze. Der Nachtwächter ging bereits seine erste Runde, kaum jemand traf er unterwegs. Die Stadt war bereits schlafen gegangen, und wer Gast war in Hartsteen fand bis auf seine Herberge keinen Ort mehr, an dem er verköstigt wurde. Morgen würde wieder ein ruhiger und alltäglicher Tag unter dem beschützenden Auge des Herren Praios beginnen. Die köstliche Stille der Nacht war allein den heimlichen Liebespaaren überlassen, die unter Phexens Schatzkammer allein ihren lieblichen Neckereien nachgingen.

In der schwarzen und trutzigen Burg Natterndorn, dem alten Grafensitz des Hauses Hartsteen, in das vor wenigen Wochen die alten Besitzer zurückgekehrt waren, allerdings empfing der Hausherr einen alten Freund und Verwandten. Unbemerkt von jedem Bewohner Hartsteens war der Stadtmeister Adhemar von Hartsteen-Beisweil bei seinem Vetter eingekehrt, Luidor von Hartsteen.

"Entschuldigt unsere späte Störung, aber wir mussten Euch unbedingt sprechen!", knapp und kurz war der Gruss, "Ihr habt mit Sicherheit ebenfalls erfahren, welch angenehmen Besuch wir in Kürze hier erwarten dürfen."

Eine leichte Sorgenfalte umspielte die freundlich blickende Miene des Hartsteeners.

"Ihr sprecht von den Reitern aus Perricum“, entgegnete der hochgewachsene Stadtmeister Hartsteens nickend, “Seid gewiss, dass es in Hartsteen zu keinerlei Vorkommnissen kommen wird. Meine Leute wissen gut mit Söldnern und Soldaten, auch aus dem Süden, umzugehen...“

„Nein, nein“, winkte Luidor ab, „darum geht es nicht. Dass die Stadt Hartsteen mit 50 Nebachoten umgehen kann, das versteht sich von selbst. Obwohl man auch in diesem Fall wie gewohnt Vorsicht walten lassen sollte.“

„Was sich natuerlich ebenfalls von selbst versteht. Aber worauf wollt Ihr hinaus?“

„Was die Reiter in Hartsteen wollen, das ist allen klar. Sie wollen Ärger machen, so wie die Perricumer immer nur Ärger gemacht haben. Dieses hitzige Volk, dem die Erziehung durch die Kirche alles andere als geschadet hätte, denkt mit dem Schwert. Wenn sie hierhin unterwegs sind, dann kann es nur heissen, dass sie nach Reichsgau wollen, koste es was es wolle!“

Adhemar schaute Luidor ernst in die Augen: „Und warum habt Ihr nach mir geschickt?“

Der schlanke Diplomat aus einer der ältesten Familie des Reiches ging langsam zum Fenster. Unten schlängelte sich schwarz der Fluss, die Natter, die in Hartsteen an Wucht und Lebendigkeit noch nichts eingebüsst hatte. Dunkel daneben lag die Stadt mit ihrer hohen Stadtmauer, dem deutlichsten Kennzeichen alter Hartsteener Würde.

„Ich benötige Deinen Ratschlag.“

Ein kurzes Schweigen stand zwischen den beiden Männern, die sich in ihrem Leben noch niemals geduzt hatten. Luidor fuhr fort:

„Wir müssen den Nebachoten entgegenreiten, um das Schlimmste zu verhindern. Das Schlimmste aber ist die Verletzung des Reichsfriedens, mit dem es diese Hitzköpfe noch nie sehr ernst genommen haben. Die Frage stellt sich, wie weit sie gehen wollen. Wir wollen keine Unruhen in Hartsteen. Aber wenn ihr Schwert mit dem Blut von :Garetien:Bernhelm von Wetterfels nach Perricum zurückkehrt, dann drohen uns allen sehr blutige Tage.“

Adhemar nutzte die entstehende Pause zum Sprechen: „Dann begleitet sie mit Rittern aus Hartsteen nach Reichsgau. Lasst sie nicht aus den Augen und gebt ihnen zu verstehen, dass sie Gäste sind, ungebetene und unwillkomme. Die Stadt Hartsteen wird hinter Euch stehen. Natürlich nicht offiziell...“

Ein erleichtertes Lächeln erhellte das Gesicht des Hartsteeners. Zustimmend nickte er den Worten des Stadtmeisters zu: „Sehr recht gesprochen, Adhemar von Beisweil-Hartsteen. Ihr sprecht aus, was ich mir bereits gedacht habe. Wir danken für Euren Rat.“

Im Gehen wandte sich der Stadtmeister noch einmal um, und schaute besorgt zu Luidor: „Aber was meint Ihr, ist Bernhelm von Wetterfels dessen schuldig, wessen man ihn beschuldigt?“

Luidor schaute vielsagend seinen Vetter an, nickte zu sich selbst und sagte: „Das wissen die Götter. Entscheiden aber wird darüber allein die Königin!“