Geschichten:Der Plan des alten Löwen - Wegbereiter

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Pfalz Breitenhain, Mitte Rahja 1035 BF

Heiter und scherzend passierte die kleine Reitergruppe das Haupttor der Kaiserpfalz. Unter den Hufen der schwitzenden Pferde knirschte der Kies, der wie stets auf Anordnung des Pfalzgrafen ordentlich geharkt worden war. Mochte der elende Reichsforst irgendwann auch das verwunschene Schlösschen verschlingen, zu dem sein Vater es hatte umbauen lassen, diesen Weg, der hinaus nach Garetien und in die Freiheit führte, musste nach Hilberts Willen makellos bleiben. Lässig warf er den Sauspieß einem herbeieilenden Knecht in die Arme und wies ihn mit einer winkenden Handbewegung an, die Beute dieses ergiebigen Jagdausflugs in die Küche zu bringen, damit er und sein Gast etwas Ordentliches auf dem Tisch hätten.

»Wenn uns in den nächsten Wochen auch die göttliche Leuin so sehr gewogen ist, wie an diesem Tage der grimme Herr der Jagd, dann lade ich Euch im Herbst zu einer ausgedehnten Jagd nach Bitani ein«, dröhnte der mächtige Bass des stattlichen Ritters, dessen schlohweisses Haar nach diesem hitzigen Tag verklebt vom Kopf hing.

»Ich bin davon überzeugt, dass es ein Spaziergang werden wird, wenn Ihr, mein guter Irberod, mit Eurem Kurzbogen so treffsicher Eure Gegner von den Zinnen nehmt wie Ihr heute die Vögel vom Himmel gepflückt habt. Von dem Blattschuss, dem ihr dem mächtigen Keiler verpasst habt, wollen wir mal absehen, denn das Tier geht ja doch eindeutig auf meine Kappe«, scherzte der ausgelassene Pfalzgraf von Sertis. Keiner seiner Pfeile hatte heute sein Ziel getroffen, und jenes große Wildschwein, auf dessen Erlegung er anspielte, hätte beinahe ihn und sein Pferd umgerannt, als es wütend aus dem Dickicht gebrochen war. Nur dem beherzten Schuss des Linarer Junkers war es zu verdanken gewesen, dass die Jagd nicht mit einem schlimmen Unfall geendet war.

Hilbert hatte sich entschieden, seinen Gast zu einem ausgedehnten Jagdausflug in den Reichsforst einzuladen, nachdem der Junker ihm gegenüber sein Anliegen angedeutet hatte. Es handelte sich um nichts weniger als den Versuch, das alte ehrwürdige Baronsgeschlecht der Leusteins wieder an die Macht in der Baronie Linara zu bringen. Normalerweise scherte sich Hilbert nur wenig um die Absichten und Machenschaften seiner Waldsteiner Nachbarn, aber die Elfe im Süden seiner Pfalzgrafschaft war ihm schon immer äußerst suspekt gewesen. Eine magisch begabte Baronin, auch noch in direkter Nachbarschaft, konnte kaum im Sinne des Götterfürsten sein, zumal die Ansprüche des Junkers gerecht waren und sich aus dem Blute seiner Ahnen ergaben.

Sie hatten daher, als sie von der Jagd Pause machten, darüber nachgedacht, auf welche Weise ein solch sensibler Eingriff unternommen werden konnte, ohne im Hochadel Garetiens einen Aufschrei zu provozieren. Der Plan, von dem ihm Irberod von Leustein erzählt hatte, war durchaus riskant, aber Hilbert rechnete ihm gute Chancen aus. Über dem dampfenden Leichnam des erlegten Keilers hatten sie sich feierlich die Hände gegeben und einen Bund geschlossen, um Recht und Ordnung in Waldstein wieder Einzug zu verhelfen. Hilbert würde seinen Teil dazu beitragen, vorausgesetzt seine eigenen Hände würden dabei sauber bleiben.

Inzwischen waren sie bei den Stallungen angelangt und mit einer kurzen Geste wies er seine Knappin Greifgunde an, sich persönlich um die Versorgung der herrschaftlichen Pferde zu kümmern. Auf dem Weg zum Palas, wo sie sich erfrischen wollten, stolperten sie fast über Hilberts neuen Pagen Drego Aurelian von Rossreut, der sich an einer schmalen Pforte zum Rosengarten herumlümmelte.

»Was in der Zwölfen Namen machst du hier, du kleiner Fuchs?«, griff Hilbert den erschrockenen Jungen am Kragen und zog ihn wenige Finger nach oben, so dass seine Füße über dem Boden baumelten. Das Blut schoss Drego in die Wangen und anstatt zu antworten, blickte er verschämt auf den Boden.

Hilberts Blick glitt hinein in den Rosengarten. Der Anblick des grau-grün berobten Mannes, der sich inzwischen mit einer so stolzen Haltung durch seinen Garten bewegte, als sei es seiner, verdross ihn zusehend. Neben dem Nandus-Geweihten erkannte er die grüne Robe eines Peraine-Geweihten und, in etwas Abstand, seine zweite Knappin Selinde von Hartwalden-Hartsteen, die offensichtlich den beiden Männern mit großen Augen zuhörte.

»Ich sollte Bescheid rufen, wenn Ihr kommt, Hochwohlgeboren«, sagte Drego, bevor Hilbert etwas sagen konnte. »Selinde hat seine Hochwürden nur zu seiner Gnaden geführt, und beide haben gesagt, dass sie ruhig bleiben dürfe, um noch das eine oder andere zu lernen.«

Hilbert schnaubte verächtlich und ließ den Knappen wieder los. »Und was wollte seine Hochwürden Hillinger von unserm Gast«, sprach er das Wort mit deutlichem Sarkasmus aus. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass seine Knappin sich entgegen seiner Anweisung weiterhin in der Nähe des elenden Volksaufhetzers aufhielt und dieser nun auch noch Gäste empfing. In seinem Rosengarten.

Drego schaute den Pfalzgrafen verschmitzt an und entgegnete: »Man soll doch nicht lauschen, wenn andere sich unterhalten. Und petzen soll man auch nicht. Aber seine Gnaden Gerheim wollte von seiner Hochwürden etwas über die Geschichte des Hornbeils erfahren, das im Tempel der Stadt aufbewahrt liegt. Das jedenfalls hatte er in den Brief geschrieben, den ich auf Selindes Bitten ihm zum Tempel bringen sollte.«

Hilbert streichelte dem Jungen freundlich über die Haare. »Es ist richtig, dass du mir das aus freien Stücken erzählst. Und wenn du nochmal etwas hörst, was Selinde und seine Gnaden so erzählen, dann komm zu mir und sei so brav, mir davon zu berichten. Es soll zu deinem Schaden nicht sein. Und nun, hopp! Ran an die Arbeit und ein Ende mit der Faulenzerei!«, gab er Drego einen leichten Klapps auf den Hintern.

Mit einem entschuldigenden Achselzucken wandte sich Hilbert seinem Gast zu: »Ich bitte um Verzeihung, aber gutes Personal ist heute nur noch schwer zu bekommen.« Herzlich und laut lachte Irberod auf, und wenig später fiel Hilbert in das heitere Gelächter mit ein.