Geschichten:Besuch der Alten Dame – Unter dem Segen der lieblichen Schwestern

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Rashia'Hal, Baronie Haselhain, Markgrafschaft Perricum, Peraine 1040 BF:

Eine junge Geweihte begleitete Rymiona von Aimar-Gor aus den Massageräumlichkeiten der weitläufigen Anlage. Welch Wohltat für den alten Körper, dachte sich die aranische Hochadlige. Besonders nach dieser beschwerlichen Reise durch den Schlund und dann flussabwärts den Darpat entlang. Dieser heilige Ort der lieblichen Göttinnen Rahja, Tsa und Peraine wohnte die Aura des wahrhaft göttlichen inne, das spürte wohl jeder hier.

Idyllisch in einem kleinen Wäldchen gelegen, schmiegte sich die Anlage mit den drei Tempeln an einen länglichen See. Der Tsa-Tempel lag gar auf einer Insel mitten in dem Gewässer. Der Rahja-Tempel war sicherlich das imposanteste Gebäude des Komplexes. Schon zu Lebzeiten ihres Mannes war Rymiona oft Gast hier. Nicht der Spiritualität wegen, denn Rashia'Hal war auch ein Sammelbecken für Informationen. Hier trafen sich die Reichen und Mächtigen um in den Schwitzkammern oder einem der wohlig warmen Becken Belange der Politik zu diskutieren oder Intrigen zu spinnen. Die entspannende Atmosphäre lockerte die Zunge.

Rymiona freute sich darüber hinaus ihre Enkelin Canyreith hier zu besuchen. Das junge Mädchen war vor zwei Götterläufen nach Rashia'Hal geschickt worden, um hier ihre Novizenausbildung anzutreten. Die Hochgeweihte des Rahja-Tempels und Vögtin der Kirchenlande Yarasha von Weißbarûn hatte Rymiona in Briefen vom Eifer der jungen Canyreith nur so vorgeschwärmt. Scheinbar hatte das junge Mädchen ein ebensolches Talent für die Tanzkunst wie ihre Lehrmeisterin.

Aber auch noch ein weiteres Anliegen führte sie in die Tempelstätte. Etwas, was sie schon sehr lange beschäftigte. Aus diesem Grunde hatte sie ihren alten Mentor Mishan von Waraqis hier her geladen. Einige Adelsfamilien, die dem Tempel mit großzügigen Spenden unterstützten – wie das Haus Aimar-Gor es tat - unterhielten hier Separees um ungestört Verhandlungen führen zu können. So trafen in einem Becken, mit duftenden Ölen angereichert, zwei alte Bekannte aufeinander.

„Es ist schon eine Weile her also du das letzte Mal hier warst!“ Der alte Mann zählte schon fast an die 90 Sommer. Seine Stimme war leise und schwach. Man sah ihm an, dass er, als er in der Blüte seines Lebens gestanden hatte, einmal ein äußerst ansehnlicher Mann gewesen sein musste. Trotz seiner verlebten Gesichtszüge umgab ihm eine gewisse Aura … eine Aura von Erhabenheit. Mochte seine Macht auch vergangen und die Kräfte seines Körpers ihn verlassen haben; sein Stolz war ungebrochen, das verrieten seine immer noch wachen und ausdrucksstarken Augen.

„Nun, die Kaiserstadt ist fern und in meinem Alter ist es nicht mehr weit her mit weiten Reisen – aber wem sage ich das. Du stehst dem göttlichen Raben ja weit näher als ich es tue.“

„Deine scharfe Zunge hast du dir im spröden Gareth also bewahren können, das ist erfreulich.“ Der Alte hustete. „Aber Praios scheint dir und deiner Familie ja auch mitten ins Gesicht. Das Haus Aimar-Gor hat sich erfolgreich über den Verlust ihrer aranischen Ländereien hinweg retten können. Meiner Familie ist dies nicht gelungen.“

„Das Licht einer glorreichen Vergangenheit mag nur bedingt ins hier und jetzt abstrahlen, mein lieber Mishan. Da mag unsereins auch noch so vergangenheitsbezogen sein. Wir müssen die Gegenwart zur Kenntnis nehmen und danach handeln.“

„Ganz die Staatsfrau“, der Greis lächelte milde, „von wem du das wohl hast.“

„Von dir natürlich, wie ich alles von dir gelernt habe, als ich blutjung zur Landvögtin von Palmyramis ernannt und unvorbereitet ins Vipernnest der hohen Politik geworfen wurde. Ohne deine Hilfe hätte ich nicht dort politisch nicht überlebt.“

„Du warst schon damals zäh, ich habe nur das aus dir hervorgebracht, was schon in dir ruhte. Doch diese glorreichen Tage sind vorüber, ihr strahlender Glanz für immer verloren.“ Mishan schaute wehmütig ins Leere. „Hast du mich kommen lassen, um in alten, schmerzlichen Erinnerungen zu schwelgen?“

„Nein, du marterst dich damit so schon zu genüge, da bin ich mir sicher. Es hat aber mit der Vergangenheit zu tun und zwar geht es um eine kleine Schatulle, du weißt schon welche ich meine.“

„Das Pfauenhalsband und das Pfauenauge! Wie könnte ich das vergessen.“ Der Alte verzog keine Miene. „Was ist damit? Sagtest du nicht gerade, wir sollten Vergangenes hinter uns lassen?“

„Das Haus Aimar-Gor hat diese Schmuckstücke von Fürstin Sulamin I. zur großen Vermählung von Marduk mit Nedime von Alca-Zorgan geschenkt bekommen.“

„Für seine Treue zum Pfauenthron …“, der Alte lachte hämisch, „welch Ironie, findest du nicht auch?“

„Diese Straßenkrämerin Sybia hätte nicht so töricht sein sollen. Kaum hatte sie sich das Bett des Fürsten erschlichen, begehrte sie gegen das Reich auf und nahm unseren Familien alles.“ Zorn loderte in ihren Augen.

„Die Strafe für diesen Hochmut folgte auf dem Fuße.“ Die Geschichtszüge des Alten entspannten sich wieder und der Anflug eines Lächelns war zu erkennen. „Khunchom, das Yalaiad, Gorien, zeitweise Oron … Die Götter haben sich von ihnen abgewandt.“

„Ob die Götter Aranien als ihr alveranisches Paradies, oder als ihre Kloake ansehen, ist mir einerlei. Ich will, was uns zusteht. Diese Schmuckstücke sollen einmal meiner Enkelin gehören!“

„Unsere Feinde haben sie vor vielen Götterläufen gestohlen, seitdem sind sie verschollen. Wie willst du sie nach so langer Zeit wieder finden?“

Reto hatte kürzlich bei seinem Besuch auf der Kerkerfeste Helburg ein informatives Gespräch mit einem der `Gäste´ dort … demnach führt eine Spur ins aranisch-perricumer Grenzgebiet. Nach Morganabad genauer gesagt.“

„Morganabad sagst du?“ Der Alte wurde hellhörig.

„Ganz recht und da kommst du ins Spiel!“

„Ich? Ich bin alt und gebrechlich, was kann ich da schon ausrichten?“ Ein verschmitztes Lächeln huschte über seine verlebten Gesichtszüge.

„So gebrechlich wie du mir weiß machen möchtest, bist du nicht – und glaube mir, mit der Last des Alters kenne ich mich aus. Ich brauche vielmehr deine Verbindungen. Wie ich höre hat dein Sohn gute Kontakte nach Morganabad.“

„Welchen meiner vielen Söhne meinst du denn? Ich weiß ja selber nicht mehr wie viele ich habe.“ Der Alte wirkte belustigt.

„Dein einziger legitimer Sohn … Fesalon. Auch bekannt als umtriebiger Weiberheld mit guten Kontakten zu Schmugglern.“ Rymiona strich sich ein Haarsträhne aus ihrem Gesicht und sah ihren Gegenüber eindringlich an.

„Du weißt viel, meine Gute, das muss ich dir lassen.“ Der Alte nickte ihr anerkennend zu. „Angenommen Fesalon spürt die Schmuckstücke auf … .“

„Das Haus Aimar-Gor wird sich deiner Familie gegenüber sehr großzügig erweisen!“

Es klopfte an der Tür und Canyreith stürmte herein. „Großmutter, Yarasha ist bereit dich jetzt zu empfangen.“

„Danke Liebes!“ Rymiona blickte noch einmal zu ihrem alten Mentor. „Mandaia wird dich mit den nötigen Informationen versorgen. Es wird Zeit, dass das geschasste aranische Blut zurückschlägt!“