Geschichten:Beim Wort genommen

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Londriel ließ sich erschöpft am Straßenrand ins staubige Gras sinken und betastete zaghaft seine schmerzende, pflaumfarben angelaufene und unförmig angeschwollene Nase. Er konnte es sich einfach nicht erklären! Was hatte er nur falsch gemacht? Irgendeinen Grund musste es ja geben, der diesen Rosenohr dazu bewogen hatte, sich auf ihn zu stürzen und ihn derart mit Fäusten zu traktieren. Und das, wo dieser Mensch ihn kurz zuvor noch `Freund` genannt und ihm einen Gerstensaft nach dem anderen spendiert hatte. Vielleicht war der Mann nicht ganz bei Verstand gewesen? Er hatte sowieso die ganze Zeit so seltsame Dinge gesagt ...

Alles hatte damit angefangen, dass seine Sippe ihn auserkoren hatte, einem befreundeten Rosenohr aus Donnerbach eine wichtige Botschaft zu überbringen. Die Wahl war zum einen auf ihn gefallen, weil er fast fließend Garethi sprach (sein Vater, der lange Zeit zu Menschen Kontakt gehabt hatte und auch sonst ein recht aufgeschlossener Elf war, war der Meinung gewesen, dass es heutzutage nicht schaden könne, sich auf die stolpernde Sprache der Mittelländer zu verstehen.) Zum anderen war er einer der wenigen, die noch nicht die Möglichkeit gehabt hatten, mit den Sitten und Gebräuchen der Menschen und mit ihnen selbst vertraut zu werden und auch dazu sollte er nun Gelegenheit bekommen.

Als er schließlich, nach einigen Tagen Marsch, in Donnerbach eintraf, schickte man ihn auf seine Frage hin ins Gasthaus Zum Krug, mit der Begründung, dass er den Gesuchten dort am ehesten finden werde. Doch der Elf konnte den Mann in der gut gefüllten, rauchgeschwängerten und nach Schweiß und Eintopf stinkenden Kaschemme nicht ausfindig machen. Er beschloss, noch ein Weilchen dort auszuharren und abzuwarten, ob er sich vielleicht noch einfände. So setzte er sich an einen freien Tisch in einer Ecke, bestellte sich eine Ziegenmilch und beobachtete neugierig die übrigen Leute: da war eine kurzbeinige, feste Frau, die ihr Mieder so eng geschnürt hatte, dass der wogende Busen daraus hervorzuspringen drohte, ein fischäugiger Bauer, der das Dekolleté dieser Frau begutachtete, dann ein schlaksiger, junger Kerl, der ausgelassen mit einer Schankmagd schäkerte, eine Frau, der Kleidung nach eine Händlerin, die lustlos in ihrem wässrigen Eintopf stocherte und, ja ein feuerbärtiger Hüne, der am Tisch gegenüber saß und Londriel gleichermaßen mit unverhohlener Neugier musterte. Nach einiger Zeit Blickkontakt grinste er den Elf durch eine Schneidezahnlücke an, nahm seinen Bierkrug und setzte sich kurzerhand zu ihm an den Tisch.

”Sieh an, was treibt dich bartloses Bürschchen zu so später Stunde hierher?” eröffnete er gutgelaunt das Gespräch.

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© Juliane S.

Londriel fuhr sich ohne es zu merken über das glatte Kinn. „Ich muss hier ...", wollte er antworten, doch da packte der Mann plötzlich seine Hand und quetschte sie kräftig.

"Ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt" bemerkte er fröhlich,” mein Name ist Isleif Grimmbacksson!”

Der Elf zog vorsichtig seine Hand aus der Pranke und massierte sie, wahrend er antwortete, heimlich unter dem Tisch. „Ich heiße Londriel Schattenfeuer und ich muss hier..." Er stockte wieder. Isleif warf gerade einen prüfenden Blick auf den Inhalt seines Bechers und verzog das Gesicht.

“Du willst dieses Gesöff doch nicht etwa trinken?” Es war eine Feststellung, keine Frage, denn ohne ein weiteres Wort fegte der Thorwaler mit einem schwungvollen Prankenhieb den Becher vom Tisch und forderte den Wirt auf ihm und dem Elf Bier zu bringen. Londriel wollte zuerst protestieren, entschied sich dann jedoch aus Gründen der Höflichkeit dagegen. Wenig später stellte eine Schankmagd zwei Krüge vor sie hin.

Isleif hob seinen Krug, prostete dem Elf zu und eröffnete grinsend: "So dann wollen wir mal Luft in den Weinschlauch lassenl" Der Thorwaler wollte gerade ansetzten, als er irritiert durch Londriel verständnislosen Blick, innehielt. "Wat is, Freund?" fragte er schließlich.

"Wäre es nicht viel sinnvoller einen Weinschlauch mit Wein zu füllen, anstatt Luft hineinzulassen?" bemerkte der Elf zaghaft und mit ernster Miene. Isleif zog verdutzt die Augenbrauen hoch und vergaß für einen Augenblick den Mund zu schließen. Dann begann er plötzlich brüllend zu lachen und hieb auf den Tisch, dass die Bierkrüge aufhüpften und sich ein Teil ihres Inhalts über die Tischplatte ergoss.

"Langohr, Langohr, wahrlich ein guter Scherz!" Der Thorwaler lachte von Neuem. Der Elf wusste nicht so recht, was er davon halten sollte, doch er hielt es für unpassend, sein Gegenüber nach dem Grund der Erheiterung zu fragen. Verlegen nippte er an seinem Bier. Isleif fing sich wieder, wischte sich die Tränen aus den Lachfalten und kippte sich einen guten Schluck Bier in den Rachen.

"Um beim Wein zu bleiben, Londriel" knüpfte der Hüne an, “ich hab mal einen aranischen probiert ... Puuuhl", er schüttelte die Hand, als hätte er sich verbrannt, „ich kann dir sagen: Ich hatte einen Wolf...!" Isleif wiegte bedeutend den Kopf. Londriels Augen begannen zu leuchten. Endlich etwas, womit er sich auskannte, wenn er auch den Zusammenhang nicht verstand.

"Du hattest einen Wolf?! Was denn für einen? Einen Grau- oder einen Silberwolf? Oder war es etwa ein Waldwolf?" Der flammhaarige Mann antwortete mit einem dröhnenden Gelächter.

“Ein Werwolf war es! Einen Werwolf hatte ich!", war alles, was er prustend hervorbringen konnte.

Das veranlasste Londriel dazu ungläubig die Augen aufzureißen und ein entsetztes: "Ich wusste gar nicht, dass man die zähmen kann." Zu wispern.

Bei dieser Bemerkung warf es Isleif vom Stuhl. Erst nach einigen Minuten kam er wieder unter dem Tisch hervorgekrochen.

„Ein Bier für meinen Freund!", verlangte er, als er wieder Platz genommen und Atem geschöpft hatte. „Mann, Londriel mit dir ist's wirklich lustig! Ein wahrhafter Schelm bist du!"

„Elf“, verbesserte der Elf, jedoch so leise, dass Isleif ihn nicht hören konnte. Um ehrlich zu sein, hatte er Angst, dass der große Mann abermals unter den Tisch fallen und sich vielleicht verletzten würde. Komische Sitten waren das hier.

Plötzlich stieß Isleif ihn unsanft an. "Siehst du sie da?" fragte er in verschwörendem Tonfall und wies auf einen Neuankömmling, eine hochgewachsene, weizenblonde Frau. „Oooh, Elf die hatte mir einen Trank gemischt ..." Er verdrehte die Augen. Doch dann klärte sich sein Blick schlagartig wieder und er fügte fast hastig hinzu: „Doch die Sache ist schon lange den großen Fluss hinunter. Die hab ich nach Notmark geschickt!" Um seine Worte zu bekräftigen leerte er den Rest des Kruges in einem Zug.

Londriel hingegen schüttelte mehr als verwirrt das Haupt. „Das muss ja ein toller Trank gewesen sein, aber wenn du sie nach Notmark geschickt hast, was macht sie dann hier?"

Isleif schaute ihn prüfend an. Ein Gelächterchen entschlüpfte seinen Lippen, doch es klang irgendwie erzwungen und unecht. Plötzlich verengten sich die Augen des Thorwalers. Er lehnte sich blitzschnell über den Tisch und packte den verdutzten Elfen unsanft am Kragen. „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen!", zischte er gefährlich.

Londriel schüttelte verzweifelt den Kopf. „Das lag nie ihn meiner Absicht, das musst du mir glauben! Du bist doch sowieso viel zu schwer für mich!"

Das einzige, woran sich Londriel dann noch erinnern konnte war Isleifs riesige Faust, die mit irrsinniger Geschwindigkeit auf sein Gesicht zuflog. Am folgenden Morgen hatte er sich seltsamerweise auf der Landstraße vor Donnerbach wiedergefunden, mit einer äußerst unangenehm schmerzenden Nase. Ja, so war es gewesen, so und nicht anders! Man hatte ihn ja vor seiner Reise auf vieles vorbereitet, doch das ... Der Elf erhob sich mühsam und gedankenverloren, den Kopf schüttelnd, aus dem Gras und setzte sich langsam in Bewegung. Richtung Donnerbach. Ober wollte oder nicht, er hatte noch einen Auftrag zu erfüllen.



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Texte der Hauptreihe:
Autor: Juliane S.