Geschichten:Barbenwehr in neuer Hand - Die liebe Familie

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Das Flussschiff hatte ein letztes Mal angelegt. Zwar hatte die junge Reichsvögtin erwogen, von Gnitzenkuhl über Land nach Gerbenwald zu reisen, sich dann aber dagegen entschieden. Zwar musste sie dem Markgrafen keinen Eid ablegen – immerhin war sie der Kaiserkrone untertan -, aber es konnte nicht schaden, ein wenig am markgräflichen Hof herzumzuschnuppern. Diesen Zordan von Rabicum wollte sie lieber persönlich in Augenschein nehmen können. Außerdem interessierte es sie, aus erster Hand zu hören, was man sich so über die aranischen Untertanen Perricums erzählte. Und schließlich – und nicht zuletzt – wollte sie die Angelegenheiten mit den Gefangenen selbst erledigen. Immerhin war einer von ihnen ihr Vater.

Fridega überwachte am Hafen die Verbringung der drei für die Efferdtränen bestimmten Figuren in einen festen Kerker der Hafengarnison. Die drei hatten Kapuzen über den Köpfen und waren praktisch rundherum in Eisen gelegt. Nachdem sie endlich im schattigen Keller an die Wand gekettet waren, hockte sich die Reichsvögtin vor ihren Vater und richtete leise das Wort an ihn: „Ich hoffe, du kannst mich verstehen, Vater. Da hast deine Chancen gehabt und sie nicht genutzt, jetzt bin ich an der Reihe.“

„Ich kann dich gut hören, Fridega“, sagte der Gefangene in der anderen Ecke, drei Schritt entfernt. „Du brauchst mit Jungingen nicht so zu tuscheln.“

„Oh“, entfuhr es Fridega. „Verwechselt.“ Sie ging zu der anderen Kapuze. „Also: Ich hoffe, du kannst mich verstehen …“

„Wie gesagt, Tochter“, unterbrach Marbert von Isppernberg, „ich habe dich verstanden. Was willst du noch? Nachdem du deinen eigenen Vater an das Frettchen verraten hast? Etwa Verzeihung?“

„Nein, Vater. Ich habe dafür gesorgt, dass Praionna und Simond nicht festgesetzt werden, das ist mein Geschenk an dich gewesen. Ich habe mit Mutter gesprochen, und sie hat mich angefleht, noch einmal mit dir zu reden.

„Das hast du ja jetzt getan.“

„Brauchst du noch etwas?“

„Ein Schiff wäre nicht schlecht. Ein Schwert und ein Ross. Oder … ach was: Was hülfen mir tausend Dukaten?“ Isppernberg schnaufte unter seiner Kapuze. Der ehemalige Landobrist hatte erheblich abgenommen in dem Jahr, in dem er im Kerker unter Schloss Morgenfels gesessen hatte und von diesem Eslamsgrunder Blutegel namens Wyrmbergen verhört worden war.

„Eben. Ich werde deinen Wachen den Sold aufbessern, damit sie dir bessere Kost geben. Mehr kann ich für dich nicht tun.“

„Spar dir dein Gold, Tochter. Ich werde irgendwann kommen und mir einfach nehmen, was mir zusteht.“ Isppernberg rüttelte zornig an seinen Ketten.

„Hört, hört!“, rief eine der anderen Kapuzen. „Das habe ich mir die letzten sechs Jahre auch gewünscht. Pfff – alles leere Versprechungen!“

„Halt’s Maul, Echse“, bellte Jungingen, den man kurz nach der Schlacht vor Gareth eingefangen hatte.

Aber Fridega interessierte das nicht mehr. Sie verließ den Kerker und wandte sich an den schneidigen Hauptmann Sigerain, der oben auf sie gewartete hatte: „So, Hauptmann. Wir brechen übermorgen Nachmittag auf. Die Gefangene habt Ihr?

„Jawohl, Hochgeboren. Korporalin Walda Schreckhaupt steht zur Verlegung bereit“, meldete der Hauptmann zackig.

O lala, dachte Fridega, der ist aber unentspannt. Mal sehen, ob sich das ändert, wenn Selinde sich um ihn gekümmert hat. Sie sagte: „Gut, dann können wir ja bald los. Meine Entourage steht am Hafen bereit, soweit ich weiß. Ihr kommt ja mit. Deshalb macht Euch am besten mit Winna von Isppernberg-Pranteln bekannt. Sie wird zuküntig auf Barbenwehr vogten.“

Der Hauptmann salutierte, während Fridega sich zu der erwähnten Entourage begab: Sie hatte vor allem Familie mitgebracht: Selinde von Luchsenau, angeheiratet, ihr Cousine Winna, den Magier Jandor von Nesselregen, ebenfalls angeheiratet, und dessen Tochter und Fridegas zukünftige Knappin Eudora. Zwei Ritter und vier Soldknechte der Familie vervollständigten das Bild, jetzt kamen noch Hauptmann Bregelsaum-Berg und dessen Leute hinzu.

Viel Zeit hatte Fridega nicht gehabt zwischen der offiziellen Bestallung und dem Aufbruch. Im letzten Monat noch war sie bei Garetiens Cantzler gewesen und hatte für ihn alles machen müssen. Alles. Das wäre nun vorbei. Er hatte ihr viel beigegbracht, den Rest hatte sie im Selbststudium erlernt und bei der Befragung politischer Verbrecher. Und dann war da noch ihre Urgroßtante Belona, von der hatte sie mitbekommen, was man über Männer wissen musste, das schwache Geschlecht.

Zwei Tage später saß sie in der Kutsche nach Gerbenwald. Erst an dessen Grenze würde sei auf das Pferd steigen, um hoch zu Ross ihr Amt anzutreten. Die Aranier waren ein eigenes Völkchen – aber starken Frauen auf Rössern konnten sie nicht widerstehen, hieß es.

An ihren Vater dachte sie nicht mehr. Der würde von nun bis in alle Ewigkeit die frische Seeluft der Efferdstränen genießen.


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10. Hes 1040 BF zur mittäglichen Rondrastunde
Die liebe Familie
Ein kurzes Vergnügen


Kapitel 3

Im Land der Wilden
Autor: BB