Geschichten:Ausgezeichnete Gedanken

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"Euer Hochgeboren, demnächst jährt sich der Sieg in der Schlacht von Mendena. Wäre es nicht angeraten, dieses Ereignis mittels einer Gedenkfeier zu würdigen? Außerdem böte dies einen hervorragenden Anlass, verdiente Adlige und Bürgerliche auszuzeichnen."

"Ach was?!", erwiderte der markgräfliche Seneschall Baron Zordan von Rabicum lakonisch. Als wäre er da nicht schon längst selbst draufgekommen. Aber zuweilen war es klüger, Untergebene (und manchmal auch Höherstehende) – und als solchen betrachtete Zordan sein Gegenüber – in dem Glauben zu lassen, sie selbst hätten wichtige Ideen und Pläne ersonnen, mit denen sie dann vor ihrem Herrn glaubten, glänzen zu können. Das ließ die Höflinge zuweilen glauben, über nennenswerten Einfluss zu verfügen und sich für unersetzlich zu halten. Beides durchaus nützliche Umstände für wahrhaft Mächtige, die richtig damit umzugehen verstanden. Und der Seneschall verstand sich meisterlich darauf.
"Die Idee mit der Feier gefällt mir ganz vortrefflich, mein guter Edelbrecht, der von euch vorgeschlagene Anlass jedoch eher weniger. Wir haben buchstäblich vor unserer Schwelle fast zeitgleich einen Sieg errungen, der die Leute weit mehr berühren dürfte, als ein noch so großer Erfolg im fernen Tobrien. In der Reichsstadt sind jetzt noch einige der Wunden zu sehen, die die Haffaxsche Invasion geschlagen hat. Und da glaubt ihr allen Ernstes, die Perricumer wollen einen Sieg feiern, der weitab der Heimat errungen wurde, während sie zugleich immer noch die Trümmer aus den Kämpfen in der Stadt vor Augen haben?"

"Aber, äh, die Umstände-"

"Sind mir bekannt. Wie wohl jedem anderen Perricumer auch. Im Übrigen konnten die Verräter entlarvt und fast allesamt gerichtet sowie unsere Verteidigung für den nächsten Ernstfall gestärkt werden, was man ruhig nochmal hervorheben kann. Und vergessen wir nicht: Perricum hat sich selbst von seinen Besatzern befreit! Nehmen wir dies als Anlass für eure kleine Feier, so binden wir damit nicht nur Adel und Bürgertum der Reichsstadt enger an uns, sondern auch aus den anderen Gebieten der Provinz. Und aufgrund des beständig schwelenden Konfliktes zwischen Stadt und Markgrafschaft kann so ein Gedenken im Idealfall fast schon identitätsstiftend wirken."‚Unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt‘, fügte Zordan im Geiste noch hinzu. "Ach ja, was meintet ihr mit 'auszeichnen'? Seine Erlaucht hat doch schon im Namen seiner kaiserlichen Gemahlin diverses Metallspielzeug an geltungssüchtige Heldenbrüste gesteckt."

"Das ist ohne jeden Zweifel richtig, Hochgeboren, aber wie ihr schon sagtet: Es wurden lediglich Auszeichnungen des Reiches aber – da nicht vorhanden – keine der Provinz vergeben. Eine solche könnte aber ebenfalls identitätsstiftend wirken und zudem auch Verdienste würdigen, die nicht in erster Linie um das Reich, sondern vorrangig um die Markgrafschaft erworben wurden."

"Hm, eigentlich halte ich von derlei Flitterkram gar nichts, doch muss ich zugeben, dass hierzulande viele Bewohner für derlei Tand sehr empfänglich zu sein scheinen und einige dafür vermutlich sogar ihre Großmutter verkaufen würden.“ Bei den letzten Worten schaute der Seneschall Edelbrecht für einen kurzen Moment mit eigentümlicher Miene an. Also gut, ich werde mit seiner Erlaucht darüber sprechen. Aber halten wir es einfach: Kein klassischer Orden mit Statuten, Kapitel und dergleichen Firlefanz. Und auch sonst keine mit der Verleihung einhergehenden besonderen Vergünstigungen oder Privilegien, die den Leuten doch nur eher früher als später zu Kopfe stiegen."

"Wie Ihr wünscht“, erwiderte Edelbrecht, die gegen ihn gerichtete Spitze geflissentlich ignorierend. "Habt Ihr sonst noch irgendwelche Vorgaben?"

"Mal überlegen: Das Aussehen halten wir ganz einfach. Nehmt das Provinzwappen, ergänzt es um eine Feder links und einen Säbel rechts. So ist auch für das einfachste Gemüt ersichtlich, dass man dieses Ding sowohl für zivile als auch für militärische Verdienste erhalten kann. Fertigt die Auszeichnung aus Silber, emailliert es hübsch in den passenden Farben und - Simia sei gepriesen - fertig ist das neue Prachtstück."

"Nicht auch in Bronze und Gold, um bei Verleihungen zudem nach Bedeutung der jeweiligen Leistungen differenzieren zu können?"

"Wie einfallslos und bisweilen kostspielig. Diese drei Abstufungen gibt es doch schon gefühlt bei jeder zweiten Auszeichnung. Außerdem macht das die Fertigung nur noch aufwendiger und teurer. Nein, die Distinktion ist immer die gleiche, wird aber aufsteigend am Bande, direkt auf der Brust oder am Halse getragen.
Und nennen tun wir das Ganze 'Ehrenwappen der Markgrafschaft Perricum'. Ganz schnörkellos und ganz ohne den Begriff 'Orden'.
Habt ihr das, Edelbrecht? Gut, dann arbeitet bis übermorgen eine hübsch aufgemachte und an schwülstigen Worten nicht sparende Stiftungsurkunde aus, die ich dem Markgrafen vorlegen kann und sorgt dafür, dass bis zur Gedenkfeier von jeder Stufe dieses Dingens zumindest fünf Exemplare zur Verfügung stehen, die er, so er der Stiftung zustimmt, dann überreichen kann. Ach, noch etwas: Legt mir übermorgen zwecks Prüfung auch eine Vorschlagsliste mit Auszuzeichnenden samt Begründungen vor. Der Markgraf soll schließlich eine vernünftige Entscheidungsgrundlage haben, wem er wofür das Ego streicheln soll."

"Ich werde umgehend alles Nötige veranlassen", bestätigte der Herold, der insgeheim zwar die Geringschätzung Zordans gegenüber Auszeichnungen ganz und gar nicht teilte, dies aber wohlweislich für sich behielt.


Trenner Perricum.svg



"Euer Hochgeboren wünschten mich zu sprechen?"

"Ja, Edelbrecht. Seine Erlaucht und ich haben uns nun die Entwürfe sowohl der Stiftungsurkunde als auch der neuen Auszeichnung beschauen können. Wir sind zufrieden und stimmen beidem zu; ich wusste, ich kann mich in derlei Dingen absolut auf euch verlassen."

"Oh, danke für das Lob, das freut mich sehr."

Zordan nickte nur kurz, verzichtete aber auf eine Antwort. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, den Drang nach Anerkennung und Geltung, der die meisten Angehörigen des Hofes mehr oder weniger stark antrieb, für sich und seinen eigenen Aufstieg zu nutzen. Und wenn dazu ein gut geheucheltes Kompliment vonnöten war - warum nicht?
"Nun zur Vorschlagsliste, die seine Erlaucht und ich ebenfalls durchgegangen sind: Er dankt euch für die treffliche Idee, Frau Rimiona als langjährige Regentin des Landes und Großmutter des Markgrafen posthum die höchste Klasse der Auszeichnung zuerkennen zu wollen und stimmt der Würdigung zu. Ich denke sie hätte sich darüber gefreut."
'Hätte sie nicht, Du Kriecher,' ergänzte der Seneschall im Geiste, 'sie konnte mit derlei Tand genauswenig anfangen wie ich. Aber ich will Dich gerne in den Glauben belassen, Dich mit dieser Idee bei mir und dem Paligan eingeschmeichelt zu haben.'

"Wen haben wir da noch? Ach ja, Oberst Wallbrord. Ihm wolltet ihr ebenfalls posthum die höchste Stufe der Distinktion verleihen? Abgelehnt."

"Äh, verzeiht, Euer Hochgeboren, aber immerhin führte er die Truppen der Provinz höchst erfolgreich bis nach Mendena hinein und seine Erlaucht selbst hatte seine Leistungen kurz nach der Befreiung der Stadt gewürdigt. Daher dachte ich-"

"Abgelehnt."

"Dann zumindest eine niedrigere Klasse?"

"Nein. Um seine Erlaucht zu zitieren: 'Der Mann hat bereits in überreichem Maße bekommen, was er verdiente'."

"Aber-"

"Nichts ‚aber‘. Herr Rondrigan war in diesem Punkt ebenso kurz angebunden und entschieden wie ich jetzt.“ ‚Warum auch immer‘, setzte der Seneschall im Gedanken hinzu, denn auch ihm wollte partout keine Erklärung für die seltsame Haltung seines Herrn in dieser Frage einfallen, aber sie kam ihm sehr entgegen.
„Wallbrords Sohn Ugdalf könnt ihr ebenfalls streichen. Seine Erlaucht hat ihm bereits den Greifenstern verliehen und meint, dass dies fürs erste ja wohl reichen sollte."

"Äh-"

"Wunderbar, dass wir derselben Meinung sind. Weiter. Baron Zivko von Zackenberg hattet ihr für die Auszeichnung II. Klasse empfohlen. Genehmigt. Der Mann kann was und hat den Heermeister in den dunkelsten Stunden mehr als würdig vertreten, darin sind Herr Rondrigan und ich uns völlig einig. Die III. Klasse für - Rhuna vom Bogen? Gute Wahl, obwohl sie wohl sonst keiner auf dem Zettel hat."

"Sie ist eine Edle aus der Baronie Gluckenhang. Sie hat im Namen des Markgrafen als Almosenmeisterin die Lehen der Provinz bereist und dabei mit großem Geschick und Fingerspitzengefühl beträchtliche Summen als Spenden für die Ostmarken eingesammelt."

"Ja, das weiß ich, Edelbrecht! Meint Ihr denn ich würde mich in der eigenen Provinz nicht auskennen? Wer wäre ich dann?", entgegnete Zordan scharf.
Doch weiter: Baronin Rondira von Sturmfels hattet ihr ebenfalls für die III. Klasse vorgeschlagen. Herr Rondrigan stimmt dem zu, da ihre Verdienste bei der Befriedung des Landes nach dem Jahr des Feuers und nach der Haffax-Invasion außer Frage stehen. Eine höhere Klasse hätte wohl angestanden, wenn die Gute sich zwischendrin nicht ein paar absonderliche Fehltritte geleistet hätte und ständig im Streit mit der Gnitze läge.

„Herr Rondrigan hat noch eigenmächtig die Baronin Korhilda von Sturmfels auf die Liste der Auszuzeichnenden gesetzt. Für ihre Verdienste in Mendena. Orden III. Klasse.“

„Hat sie nicht schon Kaiser-Rauls-Schwerter erhalten?“

„Ja, Herr Rondrigan bestand darauf und ließ sich nicht umstimmen.“

"Äh-"

Der Rest ist ebenfalls in Ordnung, Edelbrecht. Sorgt dafür, dass die Auszeichnungen samt Verleihungsurkunden rechtzeitig zu den Feierlichkeiten fertig sind. Und nun Praios befohlen."