Geschichten:Aus dem Schatten zurück ins Licht - Auf der Suche nach dem Kronvogt

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Njertal, Mitte Praios 1035 BF:

Edorian wirkte zufrieden, nachdem die Junker den Unruhestifter Arnulf von Weißenstein wegen seinen Verletzungen wieder nach Hause geschickt hatten, war die Stimmung unter den Niederadligen sehr viel besser. Leomar von Zweifelfels schien auch erleichtert, war er eh nicht sehr erbaut darüber gewesen, dass der Serrinmoorer Junker diese Expedition begleitete, hatte sich Leomar doch beim Brandlöschen so manches Wortgefecht mit Arnulf geliefert, war dieser doch ein treuer Gefolgsmann der Streitzigs und maßgeblich an seiner Absetzung als Grafschaftsrat beteiligt. Nun war es wieder möglich sich ganz der Sache zu widmen, befand Edorian, der Suche nach dem verschollenen Kronvogt von Neerbusch. Seit sechs Götterläufen war es keinem mehr gelungen das Njertal und somit den Markt Njerbusch zu erreichen, der Weg ins Tal wurde durch den wuchernden Reichsforst unpassierbar. Seit dieser Zeit galt Kronvogt Derril von Waidbrod zu Neerbusch als verschollenen, wie auch die anderen Bewohner des Tals.

Ugdalf von Eynweiher sprach ihm und seinen `Knappen´ Iserion das Vertrauen aus, waren beide doch walderfahren und Edorians Fähigkeiten waren auch schon nach dem letzten Brandlöschen erfolgreich zum Einsatz gekommen. So regte sich kein Widerstand bei den Junkern, jedoch hatte Edorian das Gefühl, dass Leomar ihn misstrauisch beäugte. Auf verschlungenen, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennenden Pfaden führte Edorian die Gruppe schließlich in das Njertal, denn von dem ursprünglichen Weg nach Njerbusch war keine Spur mehr. Auch die Pferde mussten die Junker zurücklassen, die Bäume und Sträucher standen zu dicht. Sowieso hatte Edorian das Gefühl die Bäume würden sich mitunter bewegen. Allerdings schob der eibenhainer Junker solcherlei absurden Gedanken beiseite, genauso wie das Gefühl auf der ganzen Reise beobachtet worden zu sein.

Die Niederadligen erreichten das Tal unweit der majestätisch in die Höhe ragenden Hochnjerburg, dem Sitz der Kronvögte von Neerbusch. Der zu Füssen der Burg liegende Markt Njerbusch machte auf die Junker einen trostlosen Eindruck, die Palisade war in einem schlechten Zustand und überall wucherten Sträucher und gar kleine Bäume, selbst auf den Straßen und aus den Häusern. Von den Bewohnern war hingegen keine Spur.

„Hört ihr das?“, Nartara Rondratreu von Zweifelfels hielt inne.

„Also ich kann nichts hören“, erwiderte Helmbrecht Firumir von Rossreut.

„Eben, kein Vogelzwitschern, noch nicht einmal das Rauschen der Blätter in den Bäumen... nur Totenstille.“

„Bei den Göttern, Nartara hat Recht.“ Selbst der bestandene Ritter Gerding von Gesselingen wirkte nun sichtlich beunruhigt. „Keine Menschenseele ist zu sehen... mir war Njerbusch zwar als verschlafener Ort bekannt, aber so?“ Hartwulf Gerbald von Hasenwaldeck zog ob der Bemerkung von Odumir von Storchenhain nur grummelig die Augenbrauen hoch.

Während dessen waren Bernfried von Hagenbronn und Leomar von Breitefurten in eines der Fachwerkhäuser gegangen. Die Tür war unverschlossen gewesen. „Hier wohnt schon lange keiner mehr“, berichtigte Bernfried schließlich den anderen, „eine dicke Staubschicht bedeckt alles.“

„Hier drüben das gleiche“. Waldreich Firudan von Rossreut und Rantalla von Hohenfels kamen gerade aus einem der anderen Häuser.

„Freunde, wir sollten uns in der Burg umsehen“, schlug Jorris von Alka vor.

„Sehr wohl, vielleicht haben sich einige in die Burg geflüchtet - nicht zuletzt meine Vater.“ Radobert von Waidbrod war nun wieder guter Hoffnung seinen Vater, den Kronvogt, lebend anzutreffen.

„Die Frage ist doch, wovor sind die Menschen geflüchtet?“, gab Anshelm von Weißenstein zu bedenken.

„Nun, Spuren eines Kampfes sind nicht zu erkennen“, Edorian blickte sich um, „wir sollten aber dennoch wachsam sein.“

So stiegen die Junker also den Burgberg zur Hochnjerburg empor, stets wachsam und mit gezogenen Waffen. Die Stille war beunruhigend und wieder wurde Edorian das Gefühl nicht los beobachtet zu werden. Die Niederadligen erreichten schließlich das Burgtor, welches noch intakt und verschlossen war. Selbst die Zugbrücke war rauf gezogen.

„Wie sollen wir in die Burg kommen?“ Fragend kratzte sich Anshelm am Kopf.

„Vielleicht in dem wir den Herren dort oben auf den Zinnen fragen!“ Edorian zeigte mit dem Finger nach oben und schaute den Weißensteiner spöttisch an, was dieser mit einen kalten Blick erwiderte.

Irian, entfuhr es Radobert voller Freude, „du lebst!“, und zu seinen Kameraden schauend, „Das ist Meister Irian, der Kammerherr meines Vaters.“ Die Stimme des jungen Ritters überschlug sich förmlich.

Irian von Düllerwüben ließ sogleich die Zugbrücke herunter lassen und das Tor öffnen. Der kleine, gedrungene Mann um die 50 war außer sich vor Freude als er die unerwarteten Besucher im Burghof begrüßte. Der Kammerherr des Kronvogtes führte die Niederadligen in den Rittersaal und berichtete was sich hier den letzten Götterläufen zugetragen hatte. Radobert bestürmte Irian mit Fragen über seinen Vater, aber leider musste der Kammerherr ihn enttäuschen.

„Der Pfad ins Njertal begann ab dem Jahre 1029 nach Bosparans Falle immer unzugänglicher zu werden, es gelang uns nicht mehr ihn vom wachsenden Reichsforst frei zu halten, denn hatten wir einen Rechtschritt vom Wuchs befreit, so war er am nächsten Tage bereits wieder zu gewuchert. Die Gemahlin des Kronvogtes zog sich sodann mit Ulmgard von Mistelhain zum Gebet ins Kloster der drei lieblichen Schwestern zurück um die Gnade der drei Göttinnen zu erflehen, doch wurden sie nicht erhört. Als die beiden hohen Damen auch nach vielen Monden nicht zurückkehrten und auch sonst keine Nachricht aus dem Kloster zu vernehmen war, kamen Gerüchte auf die besagten, dass das Kloster womöglich von einer finsteren Macht unterwandert worden war. Als der Reichsforst so dicht geworden war das es kein ein noch aus gab, zog der Kronvogt mit einer handvoll Getreuen aus um im Kloster nach dem Rechten zu sehen, seither haben wir nichts mehr vom ihm gehört.“ Irian stockte einen Moment bevor er mit zittriger Stimmer fortfuhr. „Aber das war erst der Anfang vom Unheil... seit dem Verschwinden des Kronvogtes haben sich die Menschen verändert, zuerst die Holzfäller. Langsam aber unaufhaltsam sind ihre Körper borkiger und hölzern geworden und schließlich haben sie sich ganz in lebende Bäume verwandelt und sind, scheinbar einer inneren Stimme folgend, in den Tiefen des Reichsforstes verschwunden. Nach und nach befiel dies alle Bewohner die schon mal einen Baum im Wald geschlagen haben – und hier im Njertal hat dies wohl schon jedes Kind gemacht. Schnell sprachen die Leute von einem Fluch, weiß man doch das die Götter in alten Zeiten Sünder zu bestrafen pflegten indem sie sie in Waldschrate verwandelten.“

Mit deutlich ernsten Mienen lauschten die Niederadligen den Ausführungen des Kammerherren, waren die Worte Irians doch nahezu unglaublich.

„Wie kommt es, das ihr euch noch nicht verwandelt habt“, wollte Edorian schließlich wissen, „habt ihr noch nie einen Baum gefällt?“

"Und was ist mit den anderen Bewohnern der Burg?“, ergänzte Leoamar. Ihm waren die vielen kleinen Kinder im Burghof aufgefallen.

„Doch, auch ich habe im Forst schon einen Baum geschlagen“, erwiderte der Angesprochene, „aber die Burg scheint eine Art Sanctum zu sein, sämtliche Burgbewohner, so sie sich denn hier aufhalten, blieben von dem Fluch verschont.“

„Uns bleibt nur eine Wahl“, rief Radobert in die Runde, „wir müssen zum Kloster!“

Die anwesenden Junker nickten.