Geschichten:Altes Blut - Geldbeutelpolitik

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5. Efferd 1037 – Reichsstadt Hirschfurt, Hirschfurter Umland (Grafschaft Waldstein)

Müde erreichte Haldan seine Heimatstadt. Die Sonne war eben erst aufgegangen und der Nebel hing über den Feldern. Zaghaft blitzten die Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und ließen Haldan blinzeln. Es war einige Wochen her, dass er das letzte Mal seine Stadt, seine Familie und seinen Vater gesehen hatte. Seitdem hatte er nur selten Briefe an ihn geschrieben, um ihn auf dem Aktuellen zu halten.

Nach dem Überfall in der Nacht auf den jungen Zerbelhufen war Haldan voraus geritten, um bereits Bericht zu erstatten. Zerbelhufen würde ins Lagerhaus der Familie gebracht werden.

Die Wachen am Tor winkten ihn durch und bevor die ersten Krämer ihre Läden öffneten, hatte er das Haus seiner Familie bereits erreicht. Seines Vaters Lehrling, Haldans Vetter, war der erste welcher ihm begegnete.

„Sei gegrüßt Vetter“, begann Stordan. „Wie war deine Reise? Du warst lang fort.“ Er wirkte müde und verschlafen, doch hatte er bereits seine Arbeitskleidung angelegt.

„Sei gegrüßt Stordan. Meine Reise trug wie erwartet Früchte. Wo finde ich meinen Vater?“ „Er ist im Speisesaal.“

Haldan nickte ihm dankend zu und begab sich zum Speisesaal. Im Haus hatte sich kaum etwas geändert. Es war ruhig. Nicht so ruhig, dass es einem unangenehm erschien, aber ruhig genug, um sich gut konzentrieren zu können. Die Tür zum Speisesaal stand offen und Haldan konnte bereits seinen Vater sehen, welcher am dunklen Holztisch saß, sein karges Frühstück einnahm und die Auftragsbücher studierte. Haldan stellte sich auf und wartete bis sein Vater ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. Dieser las die Seite zu Ende, blickte auf und bedeutete Haldan Platz zu nehmen.

„Sei gegrüßt Vater.“

Sein Vater nickte ihm zu. „Sei gegrüßt Haldan. Du bist bereits zurück?“

„Ja, Vater.“

„Weshalb?“ Er nahm seinen Becher und trank einen Schluck.

„Es gibt Neuigkeiten, die ich direkt mit dir besprechen wollte, da ich dem Boten eine solche Nachricht nicht anvertraue. Das Vorgehen der nächsten Zeit muss besprochen werden.“

Sein Vater riss sich ein Stück Brot ab. „So? Gibt es das? Als du gingst hatte ich nicht den Eindruck du würdest dich unserer Mission widmen.“

„Vater, ich habe mich umentschieden.“

„Hast du das? Wann wirst du dich das nächste Mal umetscheiden? Ich mache keine Geschäfte mit wankelmütigen Geschäftspartnern.“

„Ich bin dein Sohn, nicht irgendein Geschäftspartner.“

„Umso enttäuschender war dein Verhalten!“

„Du hast meinen Brief erhalten? Du hast gelesen was darin stand?“

Sein Vater verzog bloß den Mund und aß weiter. Ein Diener trat ein und brachte Haldan einen Teller und Besteck. Er dankte und der Diener verließ den Raum.

„Du hast mich gebeten einige der Vasallen in Rallerspfort gegen ihren Baron aufzuwiegeln. Sie haben dies beinahe selbstständig getan, doch durch mein Zutun stehen wir nun alle dort wo wir stehen. Es ist Zeit zu handeln. Es fehlt nicht viel bis zu einer Auseinandersetzung, die die ganze Baronie ins Chaos stürzen wird.“

Cordovan tat unbeeindruckt. „Wir sind nicht stark genug. Beizenhals geht nicht auf unseren Vorschlag einer gemeinsamen Handelsgesellschaft ein. Er lässt uns warten. Elender Narr. Wir haben alleine nicht die Stärke die Rebellen zu unterstützen, ohne unsere Position massiv zu schwächen.“

„Kennt er unseren Plan schon?“

„Hältst du mich für einfältig? Natürlich nicht.“

„Dann spielt es keine Rolle. Wir haben den Vertrag für die Kriegsversorgung mit Rallerspfort?“

„Ja. Baltram leistet nach wie vor hervorragende Arbeit.“

„Was ist mit Goldinger? Ist etwas über größere Investitionen bekannt?“

„Nein, gerade nicht. Die üblichen Kleinigkeiten.“

„Gut. Ich denke es wird Zeit den Plan zu ändern Vater.“

„Ich höre.“

Die beiden unterhielten sich für einige Zeit und die Stadt war schon lange zum Leben erwacht bis Haldan den Saal verließ. Er erfrischte sich, legte neue Kleider an und ging auf die Straße. Bevor er das Grafenviertel erreicht hatte, stieß sein Vertrauter Milo zu ihm hinzu. Haldan hatte sich vor der Stadt von den übrigen Männern abgesetzt, um alleine die Stadt zu betreten. Auch wenn einige der Wachen regelmäßige Zuwendungen durch die Familie Rallersgrunder erhielt, traute er ihnen doch nicht solch pikante Angelegenheiten an wie die Entführung eines jungen Adligen. Silber erkaufte einem das Schweigen leider nur so lange bis jemand kommen würde der goldene Nachforschungen anstellte. Er würde den Zerbelhufen schnell wieder loswerden müssen.

„Alles erledigt?“, fragte Haldan so beiläufig es ging.

„Ich hatte mich darum gekümmert, dass keine unnötigen Augen das Eintreffen des Zerbelhufens sahen.“

„Nur der Weibel?“

„Er hat keinen blassen Schimmer. Auch er stand nicht am Tor. Ich sagte es sei besser für ihn es nicht zu wissen.“

„Ob er sich wohl dran gehalten hat. Weißt ja wie die sind. Meinen das Wissen würde ihnen irgendwann helfen.“

„Ich werde Torgal nachforschen lassen.“

„Ist besser. Der Junge ist in Sicherheit?“

„Ja.“

„Im Lagerhaus?“

„Nein. Ich ließ ihn in mein Haus bringen. Ich traute dem Weibel nicht und deine Familie kann so etwas nicht gebrauchen.“ Haldan drehte sich zu Milo um und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Milo, du bist wie ein Bruder für mich.“ Dieser nickte bloß und lächelte wie immer kaum merklich. „Wo bist du auf dem Weg hin?“

„Ich bin da.“

Milo sah auf und zog die Augenbrauen nach oben. „Goldinger? Was hast du hier zu suchen?“

„Es geht um unser aller Sicherheit. Wir müssen unsere Wagenzüge durch Rallerspfort bewaffnen, nun da die Lage dort instabil ist. Der Baron kann für die Sicherheit nicht länger garantieren. Darum sollte sich mal jemand kümmern. Wir reden nachher weiter.“

Milo nickte kurz und zog weiter. Haldan wandte sich der Tür zu und trat ein. Der Eingangsbereich hielt was ein Bankhaus versprach: Teures, gut verarbeitetes Holz, schlichte Verzierungen, Ordnung und die allgegenwärtige Aura des Vermögenden. Haldan richtete sich den Kragen und den Gürtel und wandte sich an einen der Schreiber.

„Ich ersuche um ein persönliches Gespräch mit dem Herren Goldinger.“

Der Schreiber sah ihn an und fragte: „Name?“

„Rallersgrunder.“

„Selbstverständlich.“ Er entfernte sich.

Goldinger ließ Haldan einige Zeit warten. Schließlich ließ er ihn doch zu sich bringen und empfing ihn in seinem persönlichen Arbeitszimmer. Auch hier herrschte eine sittliche Zurschaustellung von Reichtum, ohne dabei anmaßend zu wirken. Der Mann hinter dem schweren Schreibtisch erhob sich, um Haldan einen Platz anzubieten, bevor er sich wieder in den Sessel sinken ließ.

„Was führt Euch zu mir, werter Herr Rallersgrunder? Ich hörte die Geschäfte Eures Vaters liefen gut.“

„So ist es. Das ist auch schon der Grund weswegen ich hier bin. Es geht um eine Investition von enormer Wichtigkeit.“

Ein Diener trat ein und Goldinger ließ ihn Bier bringen.

„Um was für eine Investition handelt es sich?“

„Mein Vater sieht den Rallerspfort-Handel bedroht. Die politische Lage scheint derzeit etwas instabil und droht unsere Geschäfte zu schädigen.“

Goldinger zog eine Augenbraue nach oben und wischte mit der Hand einige Krümel vom Tisch während er die Worte abwog. „Und Ihr möchtet nun..?“

„In unseren Reihen befinden sich einige kräftige Wagenknechte und Fuhrleute, die bewaffnet werden sollen. Desweiteren benötigen wir weitere Söldner, um unsere Ladungen zu sichern.“

„Um welche Größenordnung handelt es sich dabei?“

„Einige Dutzend. Dazu Waffen und Ausrüstung.“

Goldinger schob den Unterkiefer vor und kratzte sich am Kinn.

„Die Zeichen stehen auf Krieg in Rallerspfort. Ein kleiner Funke reicht aus und ein gewaltiger Brand bricht aus.“, gab Haldan zu bedenken.

„Der Baron kann sich eine solche Auseinandersetzung nicht leisten. Nicht so kurz vor dem Feldzug der Kaiserin. Er wird auf Gespräche setzen, um zu deeskalieren.“

„Die Abgaben sind bald fällig. Meine Familie hat bereits die Verträge abgeschlossen. Er hat Geld und zum deeskalieren ist es beinahe zu spät. Wir Händler könne es uns nicht erlauben dermaßen optimistisch zu sein.“

„Also steck Ihr noch immer im ertragsarmen Nahrungsmittelhandel? Nicht einmal daran gedacht exklusivere Ware zu verkaufen?“

„Beizenhals plustert sich regelmäßig damit auf, ich weiß, doch Brot wird das Land immer brauchen und die Zahlen geben uns recht. Konstant steigende Umsätze seit vielen Jahren. Unser Rallerspfort-Handel trägt langsam Früchte und wir haben die dortigen Handelshäuser beinahe verdrängt. Wir stehen kurz vor einem neuen Kontor dort und deswegen müssen wir nun investieren.“

„Ich beobachte Eure Familie seit längerem und die Entwicklungen sind mir natürlich nicht entgangen. Wenn es stimmt was Ihr sagt, dann könnte der Baron in einigen Jahren in Abhängigkeit von Euch geraten ohne dass er es merkt. Was liegt Euch an Rallerspfort?“

„Rallerspfort könnte zur goldenen Kornkammer der Grafschaft werden. Gute Böden, die reiche Erträge bringen, Bogner, Gestüte. Alles erfahrene Leute, die gute Arbeit leisten. Was ihm fehlt ist…“

„Geld.“ Unterbrach ihn Goldinger trocken. „Ich will offen mit Euch sein. Mit diesem Geplänkel machen wir uns beide bloß lächerlich. Wir wissen beide, worauf dies hinaus laufen wird. Mir ist nicht klar wo Ihr die Informationen her habt, doch Rallerspfort ist hoch verschuldet. Zu hoch. Der Bau der Festung lässt das Land bis heute ausbluten. Rallerspfort könnte reich sein, doch die Schulden sind erdrückend und die Zinsen können kaum noch gedeckt werden von Raulbrin. Er ist überfordert und zeigt sich kaum noch persönlich, wenn ich Abgesandte schicke. Sein Schwiegervater hat den Charakter eines trockenen Zweiges. Stets weckt er das Verlangen ihn endgültig zu zerbrechen, doch wer wird zahlen, wenn er mit Raulbrin und dem ganzen ritterlichen Gehabe fällt? Er muss dort bleiben auch wenn ich ihnen kein Geld mehr leihen möchte.“

„Leiht ihnen kein Geld mehr.“

„Was?!“ Goldinger lehnte sich aus seinem Sessel nach vorne und stützte sich mit seinen Ellbogen auf den Tisch.

„Leiht ihnen kein Geld mehr. Sagt ihnen das Maß sei voll und ihr besteht auf eine Rückzahlung der ersten Rate.“

„Und dann? Sie werden nicht zahlen können und ich stehe da wie der Gelumpte. Sie brauchen das Geld um nötige Investitionen zu machen. Ihnen kein Geld mehr geben, würde auch meinen Untergang bedeuten.“

„Leiht uns das nötige Geld. Wir werden uns ihnen anbieten. Wir haben ohnehin schon so viele Verpflichtungen mit ihnen. Wir werden ihre neuen Geldgeber. Sie werden denken, wir seien ihre Strohmänner, doch ist dem natürlich nicht so.“

„Was springt dabei für mich heraus? Ihr steigt natürlich im Ansehen des Barons, doch für mich sehe ich keine objektive Veränderung.“

„Leiht ihnen kein Geld mehr, sondern uns. Wir werden Raulbrin beraten in den finanziellen Angelegenheiten, die Zinsen bei euch bedienen und den Handel sichern, was sicherlich auch Euch zu Gute kommt.“

„Ich verhelfe Euch in eine gehobene Position und sichere mir die Rückzahlungen selber durch eine effizientere Verwaltung?“

„Korrekt.“

„Was ist mit Euren Söldnern? Das Vasallenproblem ist noch nicht geklärt.“

„Die brauchen wir ebenfalls. Geld an uns statt an Raulbrin und Geld für die Söldner.“

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten Ihr verfolgt mehr als bloß wirtschaftliche Ziele in Rallerspfort…“ Die beiden Männer sahen sich tief in die Augen. „Eine hohe beratende Position, Kontrolle über die finanziellen Mittel und Truppen unter eigener Flagge.“

„Aber, aber… es sind Truppen im Dienste des Barons. Kein Grund zur Beunruhigung. Es lässt meinen Vater bloß besser schlafen, wenn er weiß, dass seine Wagen sicher sind.“

„Sicherlich…die Truppen des Barons.“ Alrik Goldinger gluckste amüsiert. Schnell wurde er wieder ernst. „Nun sagt mir aber noch eines: Was ist Eurem Vater der ruhige Schlaf wert?“

Haldan musste schmunzeln. „Den zwanzigsten Teil der Erträge aus dem Rallerspfort-Handel.“

„Den zehnten Teil ist das Mindeste.“, widersprach Goldinger.

Der Rest war Feilschen.