Garetien:Vom Leben in Garetien

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Die garetische Lebensart

Daß man von den Bewohnern Garetiens in den letzten Jahren so wenig vernommen hat, könnte flinkfüßige Geister dazu veranlassen, sie für ein ruhiges, desinteressiertes oder gar träges Völkchen zu halten: Da fällt der Ork in das Land ein, doch erst als er vor den Toren Gareths steht, formieren sich die Kräfte des Reiches und Garetiens, ihn zu schlagen. Vorher trieb Answin sein Thronräuberspielchen, doch aus der Provinz kam der heftigerer Widerstand. Nun wüten die schwarzen Horden mit unheiliger Kraft und auf Geheiß ihres Daimonenmeisters im Osten des Reiches, doch Garetien hat als letzte Provinz den Heerbann ausgerufen!

Dies ist der äußere Schein, doch wer dahinter zu sehen gelernt hat, weiß, daß der Garetier abgeklärt ist, daß ihn so leicht nichts erschüttern kann, vor allem aber daß er satt ist, "saturiert", wie der Hesindegeweihte Siopan von Salmingen zu sagen pflegt. In Garetien kann man es sich leisten, die Dinge erst einmal laufen zu lassen, denn vor das Herz des Reiches, als das man sich mit Recht versteht, haben die Göttern einen ganzen Körper gesetzt, der immer darauf bedacht ist, vor allem sein Herz zu schützen.

Eingebettet in die Provinzen des Reiches räkelt sich Garetien in der Sonne von Praios dem Erhabenen und führt - ganz nach dem Motto des garetischen Wappentiers - ein phexgefälliges Leben. "Leben wie Phex in Garetien" - der Traum eines jeden Alberniers! Die Kornkammer des Reiches, die Goldene Au um Gareth die Mauerkönigin, reicht aus, selbst in schlechten Jahren die Mägen der ländlichen Bevölkerung zu füllen, mögen auch die Tobrier und Weidener oder die Armen vor Gareths Toren noch so sehr über die mahlende Leere im Bauche klagen. Aus dem tobrischen Sprichwort "Der Wind weht stets von vorn" ist in Garetien ein "Der Wind weht stets von hinten - du mußt ihm nur den Rücken zukehren" geworden.

Garetische Gemüter

Nun mögen diese ersten Worte über den Garetier vor allem den Garetier verwirren, denn er wird mit Bestimmtheit alles abstreiten, das ihn in kategorische Worte fassen möchte. "Das sind die Hartsteener!" rufen die Waldsteiner, "das sind die Eslamsgrunder!" rufen die Hartsteener zurück. Und wirklich: den Garetier wird man kaum antreffen können, zumal der Ruf des Stadtbürgers aus Gareth den des Landvolks bei weitem überstrahlt, allzu mächtig und einflußreich ist Aventuriens größte Metropole auf das Königreich zwischen Großem Fluß und Darpat.

Dennoch haben sich den äußeren Gegebenheiten unübersehbar im Gemüt der Bevölkerung niedergeschlagen: "Warum in die Ferne reisen? Du mußt nur lange genug an der Ferdoker Reichsstraße (R1) stehen, und jedes denkende Wesen Aventuriens wird früher oder später vorbeikommen!" Recht haben sie, die Garetier, und darum wundern sie sich ebensowenig über eine Gruppe schlanker Elfen wie über einen Trupp schwerstiefeliger Zwerge, wohl kaum aber über die Waffenträger jedweder Art. "Bidenhöcker? In der Khom? Ich sah sie zuletzt auf dem Wege von Perricum nach Gareth!"

Einklang und Widerspruch

So widersprüchlich sich das Bild der garetischen Landsmannschaften erweist (dazu noch mehr), so widersprüchlich ist der Garetier selbst: Stolz ist er, denn er lebt im Vorgarten der Kaiserstadt, ist direkter Untertan des Kaisers, der ja auch sein König ist, und stolz auch allein auf die pure Größe und Mächtigkeit seiner Provinz. Man fürchtet Praios und den Adel, die omnipräsent sind in den Landen des Fuchses und des Greifs, doch verehrt man beide. Der Garetier ist freundlich und weltoffen, zumeist auch ehrlich und vor allem: gerade heraus. Nicht selten wird der Kriegsveteran fröhlich zum Schoppen geladen und gleich darauf auf seine krumme Nase angesprochen.

Dabei sitzt dem Siebenländer - so werden die sieben Grafschaften Garetiens zuweilen auch zusammengefaßt - Phex schalkhaft im Nacken, so daß er gewitzt und pfiffig, mit einer gehörigen Portion Bauernschläue und Frechheit über alles allsogleich sein Urteil parat hat. Und erscheint es sinnvoll, wird das Gegenteil im Anschluß behauptet. "Der Garether ändert seine Meinung häufig - aber er verteidigt sie glänzend", urteilt auch Siopan von Salmingen, der Garetien bereiste und oftmals überrascht war, daß selbst ein Kärrner in Natzungen frohgemut daherschwatzt wie eine Kreuzung aus Praiospfaffe und Rohrspatz und am Ende doch irgendwie recht hat.

Was den Garetiern heilig ist

In Garetien ist die Welt noch in Ordnung. Über die Grenzen nach außen wachen die Provinzen, über den Frieden unter den Menschen wacht der König, über Sitten und Anstand aber wacht die Praioskirche. So ist es immer schon gewesen, und der Garetier wüßte gar nicht, warum sich daran etwas ändern sollte. So kommt es, daß in allgemeinem Wohlstand - nicht Reichtum! - die Gesetze von Adel wie auch dem Volk gerne eingehalten werden. Zudem läßt die Kirche das Volk an den fetten Erträgen der garetischen Äcker teilhaben, denn viele Tempel - und nicht nur des Götterfürsten - haben den sogenannten "Pfortendienst" eingerichtet, bei dem an die Armen weiterverteilt wird, was der Überschuß des Naturalienzinses zuläßt.

"Der Kaiser ist ein ordentlicher Mensch!" hört man oft, auch: "Praios schützt zwar den Adel, denn er hat ihn über das Volk gesetzt und ihm das Herrschen aufgetragen, aber Praios in seiner Weisheit hat dem Adel auch Gesetze gegeben, die das Volk schützen! Denn die göttliche Ordnung ist zum Nutzen aller und jedes Wesen hat seinen Platz im göttlichen Plan. Glaube dies - und Praios sei mit Dir!" So kommt es, daß man in Garetien Praios als gerechten, wiewohl auch strengen Gott verehrt. Nur in Eslamsgrund ist der Glaube schärfer, denn dort sind viele Bannstrahlritter und auch der Geheime Inquisitionsrat Yacuban von Creutz-Hebenstreyt, die die Hexen jagen und den Leuten "das Almadanische" austreiben wollen.


Vom Adel und den edlen Rittern

Das volkreiche und fette Garetien kann sich eine besonders breite Adelsschicht leisten. Es mag sein, daß die almadanischen Barone noch wohlhabender sind als die garetischen, doch finden sich hier Rittersleute ohne Zahl. Nicht umsonst heißt man Gareth das ritterliche Herz des Raulschen Kaiserreiches. Und so nimmt es wenig wunder, daß sich die Kultur des Adels ganz und gar auf die schwerttragende Schicht der Ritter kapriziert hat. In wechselnder Folge veranstalten die Barone gerade der südlichen Grafschaften und Hartsteens Turniere, Wettkämpfe, wohl auch Sängertreffen, bei dem sie sich einer Kurzweil hingeben, die sie den Bauern und auch den Provinzen gerne zur Schau stellen. Das adelige Gepränge hat hier allerdings weder den verspielt-geckenhaften Charakter der Altreicher noch den erdig-eisernen der Weidener, sondern einen zutiefst ritterlichen. Es geht sogar soweit, daß beispielsweise Graf Danos von Luring seine Urkunden stets mit "Ritter Danos" siegelt und den Verweis auf sein Grafenamt in der Intitulatio beläßt.

Die Wappenvielfalt der garetischen Ritter ist so groß, daß kaum ein Herold sich rühmen könnte, sie alle zu kennen. Doch bietet es ein erhebendes Bild, wenn am ersten Ingerimm die Ritter Eslamsgrunds vor die Tore der Stadt ausziehen, um den ersten Götterdienst der Turnierzeit abzuhalten.

Seit in den Landen des Reiches der Landfriede herrscht, ist die Zeit jedweder Fehde vorüber. Weniger intrigant und institutionalisert als in Almada wurden die garetischen Ritterfehden nachgerade sportlich ausgetragen. Doch so ganz mag das Rittertum nicht von den Fehden lassen, so daß sich - auch für allgemeine bewaffnete Haufen - folgende Regel etabliert hat: "Sind es einer oder zwo, so sind sie der Rede nicht wert; sind es weniger als sieben, handelt es sich um einfache Diebe; treten sie zahlreicher auf, bilden sie eine Räuberbande; sind es aber fünfunddreißig, haben wir es fraglos mit einem militärischen Angriff zu tun."

Es soll nicht verschwiegen werden, daß der Adel des Königreiches ungemein stolz ist. Ehre und Ansehen werden hoch gehandelt, so daß leicht zur unerwünschten Person oder gar infam wird, wer sich auf dem ritterlichen Parkett und in der Etikette grob daneben benimmt. So erging es schon vielen Weidener Rittern, denen feindselig oder nur mit Naseschnauben begegnet wird. Genauso handhaben es die Adeligen mit dem tobrischen Zuzug, der sich ein "Frau von Schafskopf" oder "Herr von der Wiesen" anhören muß, ehe er nicht weiter beachtet wird. Immerhin blicken die meisten Familien Garetiens auf eine besonders lange Tradition zurück, die in ununterbrochener Folge nicht selten bis in die Zeit der klugen Kaiser zurückreicht. Und während die Lehnspolitik Kaiser Hals in den Provinzen aus verdienten Streiterinnen und Streitern des Reiches, die aber nicht von akzeptablem Stand waren, blieb Garetien weitestgehend von solcher Durchmischung mit Neuadel verschont. Diese homogene Beschaffenheit des garetischen Adelsstandes gibt einen weiteren Grund, die Nase fein erhoben zu tragen, die Turnierrüstung blanker zu polieren und unter sich zu bleiben.

Unerhörte Blüten trieb der Adelsstolz weiland in der Sighelmsmark, wo nämlich lange Zeit das Gesetz galt, daß sich die Bäuerlein ein halbes Scheffel Hafer verdienen, wenn sie am Abend mit Ruten auf die Teiche vor dem Schloß einschlagen, um die Frösche am Quaken zu hindern, das der Burggräfin arg zusetzte. Die Zeiten des "Frösche-Stillens" sind zwar vorbei, doch gilt dieses geflügelte Wort noch immer, wenn der hohe Stand seine Privilegien besonders ausdehnt.

Bei all dieser Pflege von Tradition, Ritterlichkeit und Tugendverehrung trifft doch die Kritik, daß der Garetische Adelige leider allzu oft mehr von sich hält, als er halten kann, und mehr von sich spricht, als er zu versprechen in der Lage ist. So lautete die tobrische Antwort auf oben zitierte Schimpfwörter auch: "Frau von Gernegroß" oder "Ritter Großmaul".

Doch bleibt zu unterstreichen, daß gleichwohl die Mehrzahl der garetischen Adeligen ihrer vornehmen Abkunft gerecht wird und auch den inneren Adel besitzt, den sie verehrt und propagiert. Solche werden weder schimpfen noch beschimpft werden, weil das tatsächlich unter der Würde eines echten Ritters wäre.

Von Handel & Wandel

Hier, im Herzen des Reiches, prallen zwei gegensätzliche Welten aufeinander: Zum einen die althergebrachte Ordnung des Adels, seiner Gebräuche und jahrhundertealten Traditionen, die durch die Verehrung des Götterfürsten zum Ausdruck gebracht wird, so daß Praios nicht umsonst als Patron Garetiens betrachtet wird, zum anderen aber die aufstrebende und moderne Welt der Bürger, der Händler und Handwerker, wie sie die Mehrheit der Garether Stadtbevölkerung darstellt, bestens repräsentiert durch das garetischen Wappentier, den Fuchs des listigen Gottes Phex.

Das reiche Garetien lebt von Handel und Handwerk, stellt Gareth doch den größten Markt dar, den Aventurien aufzuweisen hat. Entsprechend ,mächtig und einflußreich sind die Zusammenschlüsse der Handwerksmeister und der Kaufmannsgilden. Doch auch in den ländlichen gebieten haben Handel und Handwerk weitreichende Bedeutung. Die Macht des Handwerks zeigt sich im Aufstand der Kammacher, Küfer und Schmiede, der in den Jahren vor Hals Thronbesteigung das Königreich erschütterte. Zwar war dieser Aufstand weder gewalttätig noch in principio gegen die Ordnung gerichtet, doch wollten sich die Handwerker der Grafschaften gegen das allmächtige Gareth durchsetzen - und hatten Erfolg! Rädelsführer zierten zwar die Galgen im ganzen Land, doch war den Handwerkern im Land ein eigenes Zunftrecht zugestanden, so daß sich dieselben von der Hauptstadt emanzipieren konnten. So gilt denn in den Grafschaften die Garetische Zunftordnung, die den Meistern der Dörfer die Ausbildung von Gesellen zuläßt, und wandernde Gesellen, die von Arbeit zu Arbeit ziehen und sich in der Erntezeit auch als Tagelöhner auf dem Felde verdingen, prägen das Bild. So mancher Wandergeselle ist ein mutiger Abenteurer, der sich oft auch über die Grenzen des Königreiches hinauswagt, ein eigenes Liedgut und eine fröhliche Burschen- und Mädelkultur herausbildend, und nicht zuletzt verbreitet sich so auch das Wissen des Gewerkes über den Ort der Werkstatt hinaus.

Nicht für alle Handwerker indes gilt dies. So ist es den Luringer Spiegelmachern bei Todesstrafe strengstens untersagt, die Stadt zu verlassen, denn wohlgehütet ist das Geheimnis ihres Handwerks, das nicht einmal die Altreicher oder gar die Tulamiden beherrschen. So kann man allüberall sicher sein, daß die gefertigten Spiegel nur aus Luring stammen, und nur von hier!

Einfache Windmühle in der Kaisermark © Christian Jeub

Kurios erscheint die Garetische Mühlenverordung: Wie überall im Reich gehören die Mühlen dem Adel, der damit die Kontrolle über das Getreide besitzt. Und die Müller sind wohlgenährte Leute, stehen sie doch erstens unter besonderem Schutz und sind zweitens stets die ersten, die ihr Mehl erhalten, auch in kargen Zeiten. In Garetien aber besitzen alle Müller auch das Schankrecht, von dem allerorten weidlich Gebrauch gemacht wird. So bezeichnet die Wendung "zum Müller gehen" nicht nur das Ende der Erntezeit...

Wenn es auch in Gareth nichts gibt, das man nicht kaufen könnte - von Sklaven einmal abgesehen -, so ist im Königreich zwar vieles reichlich vorhanden, aber erstens teuer und zweitens nicht überall zu bekommen. Es gilt ein recht strenges Marktrecht, und der garetischen König pflegt seit dem Garether Pamphlet 397 vor Hal das Marktrecht Garetiens alle zehn Jahre neu zu prüfen. Um einen unkontrollierten Handel abzuwenden, wird nämlich nur jenen Marktflecken das Marktrecht belassen, deren Markt sich auch lohnt. Gemessen wird dies an den Einkünften aus der Wiegesteuer und der Hufesteuer (für Viehhandel). So ist dem Dorf Hirschfurt unlängst das Markrecht aberkannt worden, wohingegen gerade in Waldstein viele Orte dasselbe erst erhielten.

Sehr rigide wird ein Verstoß gegen die Kornconvention gehandhabt: niemandem sonst außer dem König nämlich ist der Handel mit Korn zur Ernte zeit oder mit Wein zur Zeit der Weinlese untersagt, so dies nicht aus Not geschieht, sondern mit dem argen Hintergedanken der Bereicherung, indem sie nämlich zum Beispiel Getreide kaufen, um es aufzubewahren, bis es zum drei- vier- oder fünffachen Preis wieder verkaufen können, denn sie machen sich des Vergehens des unredlichen Gewinns strafbar. Der König aber kauft das Getreide, um in Gareth für die Menschenmassen in den Vorstädten das kaiserliche Notkorn anzulegen, das in Zeiten der Not kostenlos verteilt, sonst aber mit Gewinn verkauft wird.

Seit den Eslamiden gilt auch das Gebot, daß nur bei Tageslicht Handel getrieben werden darf. Dunklen Gelichtern - daher auch der Name - soll es nämlich erschwert werden, in Dämmerung oder Nacht unredliche Geschäfte zu betreiben.


Von den Höfen und den Bauern

Garetien ist die Kornkammer des Reiches und so nimmt es nicht Wunder, daß die Landschaft durch Felder, Äcker, Gehöfte und Latifundien geprägt ist, denn Gareth die Mauerkönigin, Vielgetürmte, ist immer hungrig. Besonders fruchtbar ist der Boden der Goldenen Au, so daß selbst kleine Höfe guten Ertrag erwirtschaften und den Bauern ein gutes Leben bescheren. In Garetien sind die wenigsten Bauern unfrei geborene, befinden sich aber dennoch als Pächter in gnadenloser Abhängigkeit von den großen Grundbesitzern; und das ist der Land- und Hochadel des Siebenlandes. Jene gaben den Familien Äcker zu bewirtschaften (zumeist in der Größenordnung von vier bis über dreißig Äcker Land), für das der Pächter nach der Ernte einen Gutteil derselben abgeben muß. Doch wird von den Leiheländern, deren Pächter von demselben Stand sind, die gleiche Leistung einverlangt, gleich wie groß das Pachtland ist oder wieviel Menschen es bewirtschaften. Diese Gleichgültigkeit gegenüber den Tatsachen ist eklatant und läßt so mancher Perainepriester den Kopf schütteln mußte. Der Zins verändert sich auch nicht nach harten Wintern, so daß bisweilen Not aufkommt, die Abgaben zahlen zu können. Andererseits verhilft darum ein milder Winter der Familie zu bescheidenem Wohlstand. Dieser Wohlstand wird durch einen weiteren Umstand geschützt: Denn die Garetische Höfeordnung, eingeführt weiland unter der Weisheit Rohals, verbietet die Erbteilung eines Hofes, der kleiner als sechs Äcker ist, so daß zumindest immer das älteste Kind einer Familie versorgt bleibt. Die anderen Kinder müssen sehen, wo sie bleiben; und viele gehen nach Gareth. Unschön ist nur - vor allem in der Grafschaft Perricum - die Sitte, daß Verstorbenen ein großer teil seines Besitzes und Reichtums mit in das Grab gegeben wird, so daß die gefährdete Existenz einer Familie nach dem Tod der tüchtigen Mutter bisweilen den letzten Schicksalstritt erhält. Zudem führt dieser Begräbnisbrauch, der auf den lokalen Boronpriester Gneiserich von Sturmfels zurückgeht, zu einer gewissen Grabräuberaktivität.

Gerade die Höfe landreicher Bauern erfüllen das Klischee des garetischen Gehöfts: Das Haupthaus wird flankiert von zwei Flügeln, Ställe und Scheune, die einen Hof bilden, der nach vorne durch ein weiteres Gebäude oder eine Mauer abgeschlossen wird. Was ursprünglich als Wehrhof gedacht war, ist schon vor so langer zeit zur Tradition geworden, daß der Hausherr heuer eher über die Zahl der Rechtschritte nachdenkt, die der Hof umschließ, als über den Ursprung dieser Bauweise. Immerhin rettete sie aber während des Orksturms die Grafschaft Reichsforst vor der teilweisen Entvölkerung entlang der Rakula.

Bräuche & Feste

Das Jahr beginnt auch in Garetien am 1. Praios mit dem Praiosfest zur Sommersonnenwend - allein die Greifenmonstranzen sind hier oftmals ein wenig größer und mit einer dickeren Schicht Blattgold überzogen, und auch die Zahl der Praiospriester, die in feierlichen Worten das Jahr eröffnen, mag recht groß sein, doch schmettern die braven Bäuerlein und Mägde, die Krämer und Schuster, die Rittersleut und auch die edlen Frouwen auch hier ihr "Friede den Menschen, Treue den Fürsten, Gehorsam den Göttern!" wie einst Gurvan es gebot.

Wenn am 15. Und 16. Rondra im Jahre sich die wackren Ritter und Rittfrauen treffen, um an zwei Tagen mit Schwert, Lanze oder Bogen dem Wettkampf im Namen der Himmlischen Leuin zu huldigen, dann treffen sich zu Füßen der Löwenburg in Perricum nicht nur die Geweihten der Rondra oder jene Brüder und Schwestern des Schwertes, die den Ritterschlag erhalten haben, sondern es rotten sich auch die Fischer des mittlerweile einzigen großen Perlenmeerhafens des Mittelreichs zusammen, zum das Fischerfest zu begehen. Dabei wird nach einem großen Umtrunk das Königspaar der Fischer gewählt, wobei keiner von beiden aus der Stadt sein darf. Wenn die beiden Fremden von dem Hohen rat der Seebären, Segelflicker und Netzknüpfer gewählt worden ist, eröffnen beide das Fischerstechen, indem sie mit langen Stecken einander aus flachen Booten ins Wasser zu stoßen versuchen. Gern erinnert man sich an die Ferdoker Lanzerin, die weiland den bulligen Schmied aus Warunk in hohem Bogen von der Schaluppe hebelte - gelernt ist eben gelernt. Danach stechen und hebeln die Perricumer Fischer was das Zeug hält und die Kähne tragen.

Genaugenommen beginnen am Hafen bereits Mitte Rondra mit dem Fischerstechen die Vorbereitungen zum berühmtesten Fest der Stadt am 1. Efferd: das Fest der Bunten Lichter von Perricum, das alle Seeleute und auch die Bevölkerung der Perriner Marschen anzieht und unter der Schirmherrschaft Efferds und seiner Priester steht.

Im Monde des Herdfeuers, am 2. Und 3. Travia, wenn allerorten das Einbringen der Früchte gefeiert wird, gibt es in Luring an der Reichsstraße nach Ferdok ein lustiges Fest: Mittags versammeln sich die Fuhrleute alle miteinander unter dem alten Vogtsturm, der mitten auf dem Retoplatze steht und den, man allenthalben "Mehlsack" nennt, und lauschen den Worten eines Avespriesters, trinken einen Schluck Roßsprunker Radschmiere (Beerenlikör), um dann mit Johlen, Pfeifen und Gröhlen auf ihren Kutschen, Wagen und Karren um den Vogtsturm zu fahren. Man glaubt, daß Aves, der Gott der Reisende, die Fuhrleute schützen und die Zugpferde bei Gesundheit halten werde, wenn man nur ordentlich zwölfmal den Turm umritten hat. Ein ähnliches Fest findet sich in Steynebruk an der Ragather Reichsstraße nach Almada. Es geht der Glaube, daß auch alle anderen Reisenden, Abenteurer und fahrende, die sich am Umfahren, Umreiten oder Umschreiten beteiligen, einen Teil von Aves' Segen abbekommen.

Im Boron wird just nach dem Totenfest das Kastenfest im nördlichen Garetien gefeiert: Da ziehen nämlich die Väter und Mütter mit ihren Familien und einem großen Kasten durch das Dorf oder die Stadt, und man sammelt zusammen, was man an zusätzlichen Vorräten für den Winter noch auftreiben können. So ist die ganze Stadt auf den Beinen, und nach Geben und Nehmen sind am Abend die Kästen meist erstaunlich gleichmäßig gefüllt. Die Winter- oder Gabenkasten gehören zur Grundausstattung der Familie.

Am Tag der Erneuerung am 30. Tsa gibt es eine Fülle von Bräuchen. So heißt es nicht umsonst: "Leern die Bauern ihre Kästen, blühín die Bäumí an ersten Ästen" oder "Ist der Bäurin Kasten leer, kommt der Sommer schon daher", denn an diesem tage ziehen die Familien wieder um im Dorf und tragen zusammen, was an Vorräten übrig geblieben ist, um dann mit dem ganzen Dorf zusammen den ersten Festschmaus nach dem Winter zu genießen. Von Dorf zu Dorf ist es dabei verschieden, ob Fremde erwünscht sind oder nicht. Während in Rallerspfort mitunter ein Reisender den Tischsegen sprechen darf, wurden in Uslenried schon Fremde vor die Tür gesetzt.

Man kennt an diesem Tage auch das Winteraustreiben, wo nämlich zwei angesehene Bürger der Stadt sich als Sommer (Rahja) und Winter (Firun) verkleiden, einen Kampf aufführen, der zumeist mit derben und kräftigen Sprüchen gefochten wird, und natürlich vom Sommer gewonnen wird. Dabei bilden die Mädchen und Jungen des Dorfes das Spalier mit langen Ruten oder Ruten, mit denen sie dann den Winter symbolisch aus dem Dorf verjagen. Das nennt sich dann "Stabaus". Die Ruten zum Stabaus werden oftmals im Boron vergraben, um dann nach der Überwinterung zu ihrem Zwecke ans Licht zu holen. Einen bösen Streich spielen sich die Landleute aber bisweilen, indem sie fremde Frühlingsruten ausgraben. Schon ganze Dörfer sind darob in wilde Verzweiflung gestürzt, daß Ende Tsa die bedeutungsvollen Ruten nicht mehr da waren!

Von den Zunftfesten im Ingerimm berichtet uns Siopan von Salmingen: "Am Tag der Waffenschmiede aber versammeln sich die Schmiede, die Messerer und die Schwertfeger, wohl aber auch die Schäffler (Faßmacher), die in der gleichen Zunft sind, auf dem Menzheimer Platz zu Puleth. Die einen führen vor, wie gut sie sich auf Werfen, Fangen und Spielen mit ihren Klingen verstehen, daß es in der Luft nur so blitzte, die anderen aber machten Reifentanze, der nicht nur ein Hüpfen und Schwingen und Werfen und Rollen ist, sondern bei dem der Faßreifen auch mit Hüftbewegungen um den Bauch geschwungen wird." Ähnliche Feste finden sich - bisweilen an Waffenbasare gemahnend - im ganzen Garetien.


(B. Berghausen)