Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Blut ist geflossen

Aus GaretienWiki
Version vom 15. Juni 2018, 10:31 Uhr von Bega (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Zwiefelsen, Baronie Zweiflingen, Anfang Rondra 1040 BF:

Andächtig stand Nartara vor den mächtigen Zwillingsfelsen. Von ihnen ging eine starke Macht aus, das spürte die Hexe jedes Mal wenn sie den bedeutendsten Ort ihrer Familie aufsuchte. Die alten Legenden besagten, dass schon der Ahnherr der Zweifelfelser hier den Bund mit dem Land geschlossen hatte und so die Herrschaft der Familie über weite Ländereien des Mittwaldes begründete. Ringbert der Zweifler war dieser Stammvater, der die mächtigste Hexe des Mittwaldes hier vor den Zwiefelsen zur Gemahlin nahm und so das Geschlecht der Familie Zweifelfels gründete. Dieser Teil der Familiengeschichte war natürlich nicht allgemein bekannt, nur ein kleiner Teil der Familienmitglieder wusste davon.

Von Generation zu Generation wurden die alten Rituale und Brauchtümer innerhalb der Familie weitergegeben – wie etwa der Brauch, magiebegabte Mädchen von den Töchtern des Waldes aufziehen zu lassen, die dann den Familienoberhäuptern als Weise Frauen beratend zur Seite standen. So war es viele Jahrhunderte, in denen die Oberhexen der Familie im Hintergrund die Fäden zogen. Dadurch waren die Zweifelfelser über die Jahrhunderte ein konstanter Machtfaktor im alten Mittwald. Dies änderte sich jedoch um die Jahrtausendwende. Die Oberhexen der Familie verließen die alten Pfade und vernachlässigten ihre ewige Aufgabe als Hüterinnen ihres Blutes. Schwache Barone achteten die alten Traditionen nicht mehr und so entfremdeten sich die Herrscher vom Land.

Auch Nartara hielt sich die letzten Jahrzehnte im Hintergrund, zog sich auf dem verwunschenen Zyrbelstein zurück und versuchte die Visionen zu deuten, die sie in immer kürzer werdenden Abständen heimsuchten. Schließlich zog sie aus um die heiligen Stätten ihres Blutes aufzusuchen: Die Zwiefelsen, den Hain der lieblichen Göttin, das Grab der Heiligen Henrica. Vor wenigen Monden, nach Debreks Tod, hob sich der Schleier der Unwissenheit in ihrem Geist. Ihre Familie musste zu ihrem Ursprung zurückkehren. Der Ursprung, das konnte in den Augen der Oberhexe nur die Urmutter der Familie sein. Nartara musste den Ort ihrer letzten Ruhe finden um aus ihren Gebeinen neue Kraft und Erkenntnis zu ziehen. Doch das Land hatte die Grabstätte der Urmutter verschlungen und gab es nicht so ohne weiteres wieder frei. Die Familie musste einem hohen Preis dafür bezahlen: mit ihrem Blut, so prophezeiten es die Visionen.

Viele ihres Fleisches hatten für das Land ihr Blut gegeben: An den Zwiefelsen, an der Gerbaldswacht, und nicht zuletzt an der alten Opferstätte, wo die Macht des Landes groß war. Nartara hatte ihre Familie auf die Schlachtbank geführt, das war ihr bewusst. Das um die Ereignisse herum noch mehr Familienangehörige ihr Leben ließen, störte sie wenig. Sie waren unwichtig, hatten ihre Existenz für etwas Größeres geopfert.

Vorsichtig berührte die alte Frau den schroffen Felsen und schloss ihre Augen. Ein undefinierbares Gefühl durchströmte sie. Nartara keuchte, ihr Brustkorb zog sich zusammen. Im nächsten Augenblick hielt sie inne, giftgrüne Augen öffneten sich und schienen durch den Felsen durchzusehen - starrten aber doch ins Leere. Es war noch nicht vollbracht … das Land verlangte nach noch mehr Blut. Vor ihrem geistigen Auge sah sie schemenhaft Zerrbilder von Gestalten. Sie verstand. Mit einem Ruck schloss Nartara ihre müde wirkenden Augen wieder und wandte sich vom Felsen ab. Das Land verlangte nach noch mehr Blut. So sei es! Wenn es nötig wäre, würde das Land im Blut der Zweifelfelser getränkt werden.