Geschichten:Winselt um Gnade, Ihr Sklaven der Furcht

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

Der Reichsbehüter, Heerschau zu Praske am 16. Boron in jenem Götterlaufe, da sich die Finsternis im Osten erhoben

»Gefallen ist Mendena, Travias Feste, geplündert, geschändet, gefallen Eslamsbrück: Es hat Borbarad, der Bethanier, der Schwarze Fürst, Gebieter der Schatten, die Ausgeburt der Höllen, sich heuer erhoben! Hesinde, so schütze uns! Bei Alveranstreu, dem Schiwerte der Kaiser! MIT UNS DIE GÖTTER!

So schreiben Hartuwal der Kanzler und Ungolf der Truchsess, gegeben zu Gareth, der Großen, an einem Sommertage, da Praios’ Licht schwarz scheint vor Schmerz und Er Seinen Gram uns gebietet, mit grimmigem Mute – wir rufen Euch, Getreue der Krone, Gefährten unseres Geschicks, rufen Euch flehentlicher als je zuvor, da Ihr dem Reiche Rauls und unserer Krone den Eid schwort, an jenem gepriesenen Praioslauf auf den Silkwiesen, an welchem der König den Sinnspruch erkor. Möge dieser nun, da das Reich in seine schwärzeste Stunde schreitet, sich bewahrheiten! ERRETTET DAS REICH!«

Am 1. Rahja 1023 BF schicken Brin der König und Emer die Königin erstmals Sendreiter aus der Kapitale des Kaisers in alle vierzehn Festen und Städte der Fürsten und die vierzig Grafschaften des Raulschen Reiches – kniefällig überhändigen die Boten schwere Bullen, gesiegelt mit dem Siegel des Geheimen Siegelbewahrers selbst! –, denn Mendena ist verloren; ein weiteres Mal eilen die Reiter am 5. Efferd 1024 BF: In dem Leibe eines gehäuteten Greifen hat sich der Dämonenmeister ›offenbart‹ – und zugleich bewiesen, dass er weder Götter noch gute Mächte fürchtet. Die Schwarzen Scharen rücken schier unaufhaltsam vor: Burg um Burg, Stadt um Stadt fallen in die Hände des Bethaniers und seiner Hauptleute. Der Blutzoll des Reiches ist unermesslich – 500 vor Eslamsbrück, davon die Hälfte edlen Geblüts, 70 Geweihte der Rondra, hinabgesogen in die finsteren Tiefen des Meeres; aufgefahren in Rondras Gefilde auch der Herzog Ehrenstein von Tobrien und Yppolita, die Heilige, die Königin auf Kurkum, der stolzen Feste – die nun nicht mehr ist denn ein Häuflein Eis und Asche. Von Trauer erfüllt, doch beherzt machen sich König und Königin auf, das Banner der Götter dem Schwarzen Fürsten entgegenzuwerfen: Sie rufen die Großen der Zwölfgöttlichen Lande zur kaiserlichen Heerschau – einer solchen, wie sie das Reich zuletzt auf den Silkwiesen erlebte!

Die Wahl des königlichen Paares fällt auf Praske – eine Feste, die dem Reiche eigen (eine von zweien im östlichen Herzogtum), nah am Feinde und doch fern genug, so scheint es, verwaltet von Markverweser Rondradan von Streitzig, einem Vetter des Königs (seit jeher sind die Häuser Streitzig und Gareth einander verwandtschaftlich verbunden). Überdies gilt Praske seit jeher als ein uneinnehmbares Bollwerk auf dem schroffen Felsmassiv der Schwarzen Sichel. Von den Ogerm berannt, fiel die Burg nicht, wie etwa Ysilia, die praiosgefällige Stadt der Herzöge – wohin sich in eben diesem Augenblicke die Banner des Bethaniers wenden ...

Denn die Heere des Dämonenmeisters schreiten schneller vor, als sich ein Mensch träumen ließe – ein düsteres Wolkengedräu braut sich zusammen, da die Edlen des Reiches auf dem schmalen Bergpfade von der Trollpforte aus oder aber über den Sichelstieg und den Alten Landweg von Ysilia her dem Rufe des Königs folgen. Blitz und Donner – und gewiss nicht von Rondras Donnersturm, sondern gespieen aus den klaffenden Mäulern der siebenmal Verfluchten! – zerreißen den schwarzen Himmel in grellem Zucken, als wollten sie die Sphären mit Urgewalt spalten. Aus der Feme dringt bereits der Lärm des Krieges, der Marschtritt der wütenden Horden heran – auch Warunk ist längst ein Opfer der mordlüsternen Flammen. Während sich die Hauptmacht des Reiches unter den Marschällen Leomar vom Berg, Dexter von Wehrheim und Golambes von Gareth-Streitzig im Darpatischen versammelt, bestehen König, Königin und Schwert der Schwerter darauf, keinen Fußbreit mittelreichischen Bodens preiszugeben – es verbergen sich die Erben Rauls und ihre aufrechten Diener nicht vor einem, der nicht lebende und nicht tote Söldner in seine Knute zwingt, der ein Gebieter des Zwielichts ist, der die Götter verhöhnt und unter dessen widerwärtiger Allgegenwärtigkeit Sumus Leib sich qualvoll windet, die Bäume verkrüppeln, die Acker verdorren, die Flüsse versiegen. Jegliche gutherzige Kreatur flieht aus seinem finsteren Reich, wer aber bleibt – die schwarzen, bösen Wölfe, Nerze und Ratten –, dem trieft die tolle Wut aus dem Maule ...

So kommen am 16. Praioslaufe im neblichten Boronmonde zu Praske die wackersten der Grafen, Barone, Edlen und Junker zum Rate zusammen, zum Rate des Königs und des Prinzen Bernfried von Tobrien, des Herrn des freien Tobrien – und man ist sich gewiss: zur gleichen Zeit hocken auf Burg Talbruck im gebrandschatzten Mendena der Dunkle Herzog Arngrimm von Ehrenstein und sein Gebieter, nicht königlich, sondern ungleich mächtiger noch, und spinnen ihr Netz aus Verrat und Lüge ...


Gleichzeitig Veranstaltungstext für den Konvent auf der Katlenburg 1996.