Geschichten:Wünsche und Träume

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Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach, der frischgebackene Baron zu Vellberg, war mit zwei Wachen zur Jagd ausgeritten, der einzigen Vergnügung, die ihm sein Lehen bot. So sehr es ihn auch mit Stolz erfüllt hatte, in die Fußstapfen seines ihm stets überlebensgroß erschienenen Vaters treten zu können, so schnell hatte sich Ernüchterung in ihm breitgemacht. Vellberg war sterbenslangweilig. Das Land war dünnbesiedelt, es gab nur ein Dorf, das den Namen verdiente, die Trollzacker verhielten sich schon seit geraumer Zeit ruhig und seit der Rückeroberung großer Teile der bisher besetzten Ostprovinzen drohte auch von dort keine wirkliche Gefahr mehr. Ugdalf ging ein altes tulamidisches Sprichwort durch den Kopf: "Sei vorsichtig mit dem, was Du Dir wünschst. Es könnte in Erfüllung gehen." Für einen kurzen Moment musste der Baron schmunzeln. Wie recht diese Redensart doch hatte! Er herrschte nun über Vellberg, doch gab es kaum etwas zu beherrschen, geschweige denn zu verwalten! Kein Vergleich zu seiner Zeit als Pfalzgraf im Darpatischen, wo er oftmals nicht wusste, wo ihm der Kopf stand vor lauter Arbeit. Aber hier, an diesem beinahe götterverlassenen Ort, waren selbst so herrschaftliche Angelegenheiten wie Recht zu sprechen oder die Abgaben einzuziehen respektive an den Markgrafen weiterzuleiten, Dinge, die kaum Zeit beanspruchten, zumal die hiesige Bevölkerung Streitigkeiten möglichst unter sich regelte, anstatt ihren Lehnsherrn damit zu behelligen. Dieser war darüber nur bedingt unglücklich, denn Verhandlungen über gestohlenes Vieh oder nicht beglichene Schulden waren für Ugdalf doch von eher begrenztem Interesse. Blieb also als einziger echter Zeitvertreib eben die Jagd, zumal zumindest an Wild, von der allgegenwärtigen Langeweile einmal abgesehen, in diesem rauen Landstrich kein Mangel herrschte.
Dennoch sehnte sich der Hauptmann geradezu zurück nach Perricum. Selbst die Efferdtränen, wo sein Banner stationiert war, kamen ihm im Vergleich zu Vellberg als ein Zentrum der Zivilisation vor. Ugdalf freute sich daher geradezu darauf, in einigen Tagen in die Reichsstadt abreisen zu können, zumal seine Mutter weiterhin bereit war, als Vögtin des Lehens zu amtieren. Die Baronie raubte dem Offizier nun nicht gerade den Schlaf, als dass er versucht wäre, dort zu verbleiben und den Dienst im markgräflichen Heer zu quittieren. Obwohl, so ganz stimmte das nicht. Fast eine Woche lang wurde er von einem wiederkehrenden, sehr seltsamen Traum heimgesucht, in dem immer wieder ein Berg, eine Quelle und Tierfelle auftauchten. Was für ein Unsinn! Aber das hatte sich mittlerweile gegeben und Ugdalf seine Nachtruhe wieder. Blieb noch eine letzte Jagdpartie vor der Rückreise!

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Elissa von Aelderklamm saß nachdenklich in ihrem Arbeitszimmer und zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie die hohen Verluste, die das Bombardenegiment in Perricum und auf dem Feldzug gen Mendena erlitten hatte, ausgleichen sollte. Sie hatte von der kommissarischen Befehligerin, Hauptfrau Nordhain, den Auftrag erhalten, den Verband schnellstmöglich wieder auf Sollstärke zu bringen. Eine Aufgabe, die sie gerne jemand anderem überlassen hätte. Eher hätte man versuchen können, ein leckes Boot mit bloßen Händen abzudichten. Gut ein Drittel der Soldaten war während der jüngsten Kämpfe zu Boron gegangen oder so schwer verwundet worden, dass sie ihren Dienst beenden mussten. Das allein wog schon schwer genug, war aber nichts im Vergleich zu dem desaströsen Ruf, den die markgräflichen Truppen im allgemeinen und das Bombardenregiment im besonderen seitdem in der Provinz "genossen". Elissa stöhnte kurz auf. Wie könnte sie es den Leuten auch verübeln? Schlimm genug, dass einige Offiziere und Soldaten zu Haffax übergelaufen waren, kaum dass der die Stadt betreten hatte. Aber dann in den folgenden Kämpfen mit den eigenen Geschützen Tod und Zerstörung über die Stadt zu bringen, schlug dem Fass schlicht den Boden aus. Kein Wunder, das sich die Soldaten nur noch in größeren Gruppen mit ihren Wappenröcken in die Stadt wagten, was sie vor Pöbeleien und üblen Verwünschungen jedoch auch nicht bewahren konnte.
Die Offizierin erhob sich und ging ein paar Schritte. Seit drei Tagen hatte sie immer wieder den selben Traum, der sie nur wenig schlafen ließ und dessen Bedeutung sich ihr bisher nicht erschlossen hatte, so sehr sie sich auch bemühte. Eine Quelle, ein Berg und - Tierfelle. Es schien ihr geradezu so, als würde sie irgendwer - oder irgendwas - dorthin rufen, wo auch immer dieser Ort sein mochte.
Elissa beschloss, einen kurzen Spaziergang zu machen. Die frische Abendluft würde ihr sicher gut tun. Nicht nur besagter Traum ging ihr immer wieder durch den Kopf, auch der Tod ihres Vaters und das Verbot ihres Halbbruders Ugdalf an Wallbrords Grab in Vellberg von diesem Abschied nehmen zu dürfen, trieben die junge Frau um.
Mitten in der Bewegung zur Tür blieb die Junkerin abrupt stehen und klatschte sich selbst an die Stirn "Elissa, manchmal bist Du wirklich schwer von Begriff!" Endlich hatte sie den Traum entschlüsselt. Eine Quelle, Felle und ein Berg - Vellberg! Mit einem Mal war die Adlige hellwach. Irgendwoher musste der Name der Baronie doch kommen. Und was wäre näherliegender, als sie nach einer besonders markanten Landmarke, eben einem Berg, zu benennen, von denen es im Lehen ja reichlich gab? Und irgendwo am Fuße dieses Berges lag, wenn sie den Traum richtig gedeutet hatte, ihr Ziel: Die Quelle eines Bergbaches. Elissas Neugier war erwacht. Gleich morgen würde sie, nachdem sie sich bei ihrer Vorgesetzten - ob es dieser nun passen mochte oder nicht - abgemeldet hatte, gen Vellberg aufbrechen und diese Quelle suchen. Selbst wenn das Unterfangen ergebnislos bliebe, könnte ihr die Reise immerhin dabei helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Und wo wäre dies besser möglich, als an einem Ort weitab von fast jeder Zivilisation? Das Verbot ihres Halbbruders scherte sie nicht, er sollte ruhig versuchen, sie fortzujagen, sofern er sie denn überhaupt entdeckte!
Am nächsten Morgen verließ die Junkerin, mit der widerwilligen Erlaubnis ihrer temporären Vorgesetzten, die Stadt Richtung Norden. Mit ihr ritt ein Korporal ihres Regiments, der nach Arvepass versetzt worden war und sie daher den größten Teil des Weges begleiten konnte. Am liebsten wäre Elissa alleine aufgebrochen, doch musste sie sich widerstrebend eingestehen, dass eine solche Reise für eine Einhändige nicht unbedingt die beste Idee wäre.