Geschichten:Von neuen Herren und alten Problemen

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Version vom 31. Dezember 2018, 12:27 Uhr von Eichstein (D | B) (Typus bei Sumerau ergänzt)
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Sumerau, an einem geselligen Abend Ende Rondra 1042 BF

“Die hatten ja viele Fragen, die hohen Herren”, brummte Bauer Alfing gerade, während er seinen Humpen zu sich heran zog und dabei nach Bestätigung heischend in die Runde schaute.

“Jo, aber genützt hat es ihnen nix. Oder habt ihr etwa…”, antwortete sein Nachbar Eitel und schaute die anderen fragend an. Sollten sie wohl geplaudert haben?

“Für was hältst du uns denn? Glaubst du, dass wir bereitwillig gleich tratschen, sobald sich hier neue Gesichter zeigen? Aber aufpassen müssen wir, er ist schliesslich unser neuer Herr, ob uns das passt oder nicht. Und dass er seinen persönlichen Praioten dabei hat, macht die Sache nicht besser”, antwortete Giselinde leicht beleidigt, während sie sich einen ordentlichen Schluck aus dem großen Bierkrug einschenkte.

“Die sollen hier erstmal Fuß fassen. Wenn se Pech haben, dann sorgt die Junkerin durch ihre Beziehungen dafür, dass die ganz schnell wieder weg sind hier. Der hat es nicht gefallen, dass sie fast ein Drittel ihrer Untertanen verloren hat, das kann ich euch sagen”, antwortete Eitel erneut. Als Dorfschulze hatte er schon öfter mit der Junkerin zu tun gehabt.

“Hah, das will ich wohl glauben. Wobei - vielleicht findet sie ja Gefallen an dem hohen Herrn Reichsritter, dann ist endlich wieder ein Mann im Haus. Sie ist ja nun schon seit einiger Zeit Witwe und so schlecht sieht sie ja nun nicht aus, trotz ihres Alters”, lästerte Giselinde daraufhin, woraufhin sich alle zuprosteten und einen tiefen Schluck aus ihren Humpen nahmen.

“Beständig über das Bier geschimpft haben sie außerdem. Typisch, diese Koscher. Das wird was werden, wenn die hier bleiben”, schimpfte Eitel erneut, woraufhin ihn die anderen teils zustimmend, teils aber auch belustigt anschauten.

“Och Eitel, jetzt sei nicht schon wieder beleidigt wegen deinem Bier. Du braust halt kein Ferdoker. Aber vielleicht bringen die beiden ja einen ganz passablen Braumeister mit, im Kosch hat doch jeder Adelige seinen eigenen. Da wäre ich gespannt, ob unsere lieben Nachbarn hier den Unterschied auch merken”, lästerte Giselind erneut und der eine oder andere der anderen Gäste grinste dabei.

“Wenn euch mein Bier nicht schmeckt, dann geht doch in den Kosch, ihr Saufziegen. Bisher war es euch jedenfalls immer gut genug für eine zünftige Zecherei”, entgegnete Eitel beleidigt.

Daraufhin legte Alfing seinen Arm um Eitel, seinen Lieblingsfeind - und Lieblingsfreund zugleich. “Ach Eitel, ganz ruhig. Nur weil sich zwei Koscher hier als neue Herren aufspielen, müssen wir uns nicht gleich an die Gurgel gehen. Warten wir erst mal ab, was die beiden tun - und ob die Junkerin sie nicht schon morgen mit Schimpf und Schande davon jagt!”

Eitel wirkte daraufhin wieder beruhigt. “Vielleicht werden sie ja auch von einem der Schrecken aus der Dämonenbrache gefressen. Besser sie als wir – und dazu sind sie ja schließlich hier.” Erneut stießen die Gäste an, einig in dem Gedanken, dass sie es den neuen Herren von Vulpershain sicher nicht leicht machen würden.


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Währenddessen im Obergeschoss - hier hatten Aldur und Wilbur ihr Gästequartier in den besten Gästezimmern des Hauses bezogen. Sehr zum Unmut des Dorfschulzen.

“Na, das war ja ein schöner erster Tag. Du solltest sie alle die Knute spüren lassen”, sagte Wilbur gerade und schaute dabei ernst.

“Und das von dir, dem Verteidiger der armen Landbevölkerung?” erwiderte Aldur und lächelte dabei schief. “Aber du hast wohl recht, da wartet noch ein großes Stück Arbeit auf uns…”

“Auf dich”, unterbrach ihn Wilbur. “Ich bin nur der einfache Praiosgeweihte, ich leiste hier nur moralischen Beistand”.

“So einfach wirst du dich nicht aus der Verantwortlichkeit stehlen, Brüderchen, das schlage dir aus dem Kopf. Wenn Mutter dich schon mit schickt und ich auf dich aufpassen soll, dann kannst du dich auch nützlich machen”, antwortete sein Bruder ernst. “Außerdem sollst du mich nicht immer unterbrechen. Fest steht, dass die hiesige Bevölkerung ziemlich zurückhaltend reagiert. Möglicherweise aus Loyalität ihrer alten Herrin gegenüber, aus Trotz, eventuell wollen sie auch einfach nur ausprobieren, wie weit sie gehen können. Oder die Gerüchte stimmen und es handelt sich um maulfaules Gesindel, Ergebnis jahrzehntelanger Inzucht entlang der Dämonenbrache.”

“Meinst du nicht, dass du ein wenig übertreibst? Wir sind hier schließlich nicht in einem einsamen albernischen Dörfchen, in dem alle mehr miteinander verwandt sind, als gut für sie ist, sondern im Herz des Reiches nahe der Metropole. Da sollte doch zumindest für Abwechslung gesorgt sein, was die Auswahl der Paarungspartner angeht”, antwortete Wilbur trocken.

“Kann schon sein”, entgegnete sein Bruder und fuhr dann fort: “Und der Besuch bei der Junkerin wird sicher ähnlich angenehm. Die Dorfbewohner waren ja sehr rege darin, die Meinung ihrer bisherigen Herrin über die neue Gebietsaufteilung weiterzugeben.”

“Und das wundert dich? Ihre Wohlgeboren hat ein Drittel ihrer Untertanen durch die neue Aufteilung abgeben müssen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass dieses Land hier nicht fruchtbar ist – was ich nach unseren ersten Eindrücken definitiv nicht bestätigen kann – wird sich das trotzdem negativ auf ihren Säckel auswirken. Dir mag das egal sein, aber wenn man sich erst einmal an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt hat, dann möchte man sich schließlich nicht verschlechtern.”

“Sagte der reisende Geweihte, der stets von Pflichtgefühl und den von Praios auferlegten Aufgaben predigt”, erwiderte Aldur.

“Seien wir doch ehrlich: Glaubst du ernsthaft, dass die Brachenwächter ins Leben gerufen worden wären, wenn die umliegenden Feudalherren ihrer Aufgabe des Schutzes und der Fürsorge für ihre Untertanen, wie sie ihnen von Praios mitgegeben wurde, ordentlich erfüllt hätten? Die werden sich auf ihren Gütern bequem eingerichtet und einen weiten Bogen um die Brache gemacht haben. Und nun beschweren sie sich, da ihre Lehensherren diese Zustände nicht mehr dulden? Das ich nicht lache. Es gibt genug innerhalb des Adels, die sich gerne auf die Rechte berufen, die ihnen ihr Stand gewährt. Doch allzu oft wird vergessen, dass diese Rechte auch mit Pflichten einhergehen. Aber sei unbesorgt, mein Brüderchen, dir wird dies sicher nicht passieren, dafür sorge ich schon, bei Praios!” Wilbur hatte sich regelrecht in Rage geredet.

Sein Bruder schaute nur belustigt zu ihm herüber: “Ich kenne Orte, da wärest du für diese Ansichten schon selbst auf dem Scheiterhaufen gelandet, liebes Bruderherz. Was sagen eigentlich deine Kirchenkollegen im Hinterkosch zu deinen Worten?”

“Der Herr Praios setzt uns alle an seinen Platz, Bruder. Wir Braniborier sind angehalten, die Gerechtigkeit und Tugenden des Herrn Praios zu achten und dazu gehört auch der Gehorsam. Daher wirst du von mir kein Wort des Zweifels oder der Unzufriedenheit gegenüber den Entscheidungen der Kirchenoberen hören. Meine Meinung über den einen oder anderen meiner geschätzten Schwestern, hauptsächlich aber Brüder aus dem Hinterkosch, die kann ich dir aber sehr wohl kundtun, wenn du ein paar Stundengläser Zeit hast. Nimm als Beispiel diesen hochnäsigen Amtsbruder, den wir während des Heerzuges gen Haffax kennengelernt haben. Nach allem, was ich von dem gehört habe kann ich nur hoffen, das Praios ihn noch rechtzeitig auf den rechten Weg zurückbringt und er sich an die Tugenden unseres Herren erinnert. Seine Rede gegen einen offensichtlich ihm übergeordneten ist alleine schon Frevel, seine Anmaßung ebenso und er bewegt sich gefährlich auf dem Pfade zu . Ich erinnere mich noch lebhaft an die Reaktion unserer Base zu seinem Auftreten.”

“Oh ja, die hatte eine gute Laune, da hat die Luft regelrecht geknistert vor Spannung. Zu dumm, dass sein Bruder nicht ganz unwichtig innerhalb der Kirche ist. Andererseits scheint der von seinem eigenen Verwandten auch nicht allzu viel zu halten”, erinnerte sich sein Bruder. “Aber zurück zu unserem anstehenden Besuch. Es hilft ja nichts, wir sollten der Dame auf jeden Fall einen Höflichkeitsbesuch abstatten, das gebietet schließlich der gute Anstand.”

“Da hast du zweifelsohne recht, geschätzter Bruder. Die Frage ist, was du dir von diesem Besuch versprichst. Soll es tatsächlich ein reiner Höflichkeitsbesuch sein? Dann reiten wir einfach hin, sagen nett und freundlich guten Tag und reiten wieder zurück. Und wenn die Dame uns nicht wohlgesonnen ist, dann lächeln wir freundlich und denken ‘Du uns auch, alte Schreckschraube’. Anders liegt die Sache aber, wenn du dir mehr erhoffst von dem Besuch wie z. B. Unterstützung oder zumindest eine neutrale Koexistenz, eventuell gar ein gutes Verhältnis zur Frau Nachbarin anstrebst.”

“Das mag dich nicht verwundern, aber Letzteres war tatsächlich mein Hintergedanke, auch wenn ich durchaus davon ausgehe, dass es ein langer Weg ist bis dahin. Ein langer Weg...”, grübelte Aldur und schaute für einen Augenblick aus dem Fenster ihrer Unterkunft im Obergeschoß des Krayenhofes, in dem sie Quartier bezogen hatten. Eine Tatsache, die dem Dorfschulzen und Hausherren nicht unbedingt gefiel. Aber was sollte er schon sagen gegen die Wünsche seines neuen Herren und eines Praiosgeweihten. Wir müssen diesen Turm möglichst schnell bewohnbar kriegen... Vulperswacht. Ja, ich werde den Turm aufbauen und er wird den Namen Vulperswacht bekommen, dachte Aldur bei sich und bekam dann mit, dass sein Bruder augenscheinlich mit ihm gesprochen hatte. “Was sagtest du?”

“Hallo? Jemand zuhause? Du sollst mir zuhören, auch wenn ich nur dein jüngerer Bruder bin”, maulte Wilbur leicht verstimmt.

“Oh, entschuldige wenn ich nicht jedem deiner äußerst wichtigen und gesalbten Worte folge, Euer Ehrwürden. Was wolltest du?” frotzelte Aldur zurück.

“Ich sagte, dass du dich auf einen langen Weg einstellen solltest, der womöglich kein Ende hat. Ich glaube nicht daran, dass uns die Dame in nächster Zeit wohlgesonnen ist und wenn alles gut läuft, wird sie uns zumindest keine Hindernisse in den Weg legen. Aber natürlich werde ich dich bestmöglich unterstützen, geschätzter hoher Herr Reichsritter”, giftete Wilbur zurück.

“Du hast vermutlich recht, wenn wir zumindest einen Waffenstillstand erreichen, haben wir für den Anfang viel geschafft. Und wir müssen gucken, dass wir diesen Schutthaufen von einem Turm wohnbar bekommen. Der Sockel und die unteren Teile der Mauern sahen ja ganz brauchbar aus, aber wir werden die Mauern wieder aufmauern lassen müssen”, antwortete Aldur nachdenklich.

“Vergiss nicht, dass wir vermutlich etwas Platz benötigen für die Pferde, ein wenig Gesinde und zwei oder drei Waffenknechte. Alleine wirst du dich schwer tun”, ergänzte Wilbur.

“Ja, da hast du recht, Wenn wir die Aufgabe ernst nehmen, kommen wir zu zweit nicht allzu weit. Außerdem müssen wir möglichst schnell wissen, was wir für die Baustelle benötigen, vielleicht gibt es die Gelegenheit, noch vor dem Winter erste Schritte zu tun.”

“Das wäre ein großer Schritt, aber ein ehrgeiziger Plan. Im Efferd wird die Ernte einsetzen, wir brauchen auf jeden Fall einen Baumeister, der möglichst schnell hier sein muss. Meinst du, wir können auf die Unterstützung von Vetter Baduar hoffen?”

“Das ist eine gute Idee, wir können ihn zumindest fragen. Ich werde gleich einen Brief aufsetzen”, sagte Aldur, griff zu einer seiner Taschen und setzte sich mit dem Schreibzeug an den großen Tisch, um einen Brief zu schreiben.