Geschichten:Unruhige Zeiten - Kapitel 5

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Mitte Firun 1043 BF, Burg Kressenburg

Ardo empfing seinen Reichsforster Vetter in der großen Halle. „Du kommst spät Ingmar. Wir haben dich schon vor einer Woche erwartet.“

Der Angesprochene nahm den vom getauten Schnee nassen Mantel ab, der ihm geschwind von einer Magd abgenommen wurde. „Verzeih Ardo, aber die ausufernde Fehde hat mich gezwungen über den Kosch und Breitenbruck zu reiten. Die Waldsteiner Straßen sind dieser Tage nicht mehr sicher.“

„Was du nicht sagst.“ Beißender Sarkasmus klang aus der Stimme von Ritter Wulfhelm, der neben seinem Bruder Wulfhart und Vogt Phexian am großen Tisch saß. Um den Kopf trug er einen frisch gewechselten Verband und um das linke Auge erkannte man den gelbgrünen Schatten eines verheilenden Veilchens.

„Setz dich, wir haben zu reden.“ Wulfhart deutete auf den leeren Stuhl neben sich und schob Ingmar einen Humpen hin.

„Wie Ihr ganz richtig festgestellt habt, Ritter Ingmar, die waldsteinschen Straßen sind nicht mehr was sie einst wahren.“ Der alte Phexian saß dem Reichsforster mit Papier und Schreibfeder gegenüber. Die Seiten waren mit vielen Zahlen gefüllt. Offenbar war er gerade dabei gewesen einen ausführlichen Ertragsbericht abzugeben. „Eine unserer Lieferungen an Graf Drego ist in Ulmenhain abgefangen worden. Ritter Wulfhelm war als Bedeckung dabei, konnte gegen die Übermacht aber nichts ausrichten und ist nur mit Glück mit dem Leben davongekommen. Abgesehen davon, dass es sich um einen empfindlichen finanziellen Verlust handelt, werden wir die kommenden Lieferungen ebenfalls über die Koscher Route schicken müssen. Das wird unsere Gewinne aus dem Vertrag deutlich mindern und dauert natürlich auch länger.“

„Das ist sehr ärgerlich.“ Ingmar ballte wütend die Fäuste. „Gerade jetzt, wo wir die Kaisermärker und die Schlunder endlich aus Reichsforst herausgedrängt haben! Aber ohne den Nachschub wird es verdammt schwer werden diese Stellung zu halten.“

„Unsere Schmieden arbeiten Tag und Nacht, aber es wird ein paar Wochen dauern, bis wir eine neue Lieferung zusammenhaben.“ Der Baron hatte sich inzwischen auch gesetzt und ebenfalls seinen Humpen ergriffen. „Wenn wir nun auch noch über den Kosch liefern müssen, bezweifle ich, dass wir vor Ende Tsa einen Wagen in Luring haben können. Zumal der Hagenbronner unser komplettes Gespann als Schmuggelware beschlagnahmt hat.“ Ardos Gesicht verzog sich zu einer ironischen Grimasse, hatte er doch den Sohn des Waldsteiner Junkers vor Jahren selbst wegen Rauschkrautschmuggel hingerichtet. „Ich werde Vetter Greifwin bitten müssen, uns mit ein paar Gespannen auszuhelfen.“

„Aber ich entnehme deinen Worten, dass die Fehde für Drego endlich erfolgreicher verläuft, Ingmar?“ Wulfhart unterbrach das, in seinen Augen, Jammern über vergossene Milch. Das Familienoberhaupt war eher daran interessiert, wie sich der Konflikt entwickelte und was in Zukunft zu erwarten war.

„Das kann man wohl sagen. Nach dem feigen Überfall der Kaisermärker, hat Drego mit Odilbert einen Waffenstillstand geschlossen. Nicht das die Hartsteener in ihrer Position eine große Wahl gehabt hätten. Eigentlich hatten wir mit den Schlundern eine ähnliche Abmachung getroffen, aber diese Schluchtenscheißer haben sich als genauso falsch erwiesen wie die Kaisermärker! Halb Rubreth und Luring haben sie im Boron geplündert und die neue Ernte aus den Scheuern gestohlen!“ Ingmar trank einen tiefen Schluck aus dem Humpen, um sich zu beruhigen. „Aber letztlich hat es ihnen nicht viel gebracht. Nachdem die Eslamsgrunder nun auch in die Fehde eingegriffen haben, haben die Schlunder jetzt andere Probleme und stehen zudem bloßgestellt als die wortbrüchigen Schwätzer da, die sie waren, sind und immer sein werden.“ Mit einer abfälligen Handbewegung schloss er gedanklich das Kapitel Schlund. „Im Moment ist der komplette Reichsforst frei von Feinden und wir stehen zudem mit einem Fuß in der Halsmark. Wie ich es euch im Travia versprochen habe, lässt Graf Drego die Goldene Au brennen. Zumindest konnten wir unsere finanziellen Verluste durch den Schlunder Überfall mit den Gewinnen aus der Halsmark ausgleichen.“

„Will heißen, dass der erwartete Wechsel gedeckt ist?“ Phexians Stimme war fast lauernd.

„Natürlich. Hier bitte schön, eine von Graf Drego gesiegelte Anweisung an die Nordlandbank zugunsten von Baron Ardo.“ Ingmar zog das Pergament aus der Reisetasche und überreichte es dem alten Vogt. „Mein Schwiegervater sorgt schon dafür, dass wir unseren Teil bekommen. Immerhin will er ja seine Tochter und Enkel gut versorgt wissen. Und da ist dieses Geld noch das Geringste was er für uns getan hat“, fügte er vielsagend hinzu.

„Spann uns nicht auf die Folter“, meldete sich Wulfhelm unwirsch. Geduld und höfisches Geplapper waren dem alten Haudegen schon immer schwergefallen. „Was hat der alte Halsabschneider getan?“

Der Kesselsteiner hat beim Grafen erwirkt, dass er und ich belehnt werden.“ Ingmar warf einen triumphierenden Blick in die Runde. „Und nicht irgendwelche Lehen. Reto selbst wird Junker zu Sonnenfeld im kaiserlichen Randersburg. Er hat es irgendwie geschafft, das Lehen aus der pfalzgräflichen Verwaltung herauszulösen und jetzt erhält es mein Schwiegervater aus der Hand von Graf Drego. Es ist ein sehr schönes Stück Land direkt an der Reichsstraße zwischen Gareth und Ferdok. Reto wird annähernd so viele Untertanen haben wie du Ardo.“

Ardo lächelte süffisant. „Das klingt ja wunderbar. Und was springt für dich heraus?“

„Ein reiches Rittergut in Rallerspfort, direkt angrenzend an meines Schwiegervaters Lande. Ich werde Herr über mehr als sechshundert Seelen. Allerdings ist das Ganze an eine Bedingung geknüpft.“ Ingmar nestelte erneut an seiner Reisetasche und brachte ein weiteres Pergament zutage.

„Eine Bedingung? Welche?“ Wulfhart griff sich das Schreiben und las es sorgfältig durch, bevor er es seinem Sohn weiterreichte.

Ingmar wartete nicht länger, sondern fasste es für alle zusammen. „Es ist ein Erbvertrag. Reto besteht darauf, dass die Junkerwürde in seiner Familie verbleibt. Meine Erstgeborene wird also fortan den Namen Kesselstein tragen und nach Jolande den Junkertitel erben. Unser zweitgeborenes Kind wird hingegen den Namen Keilholtz tragen und später mein Rittergut erben. Stirbt ein Erbe vor der Zeit, rückt der Nächstgeborene nach. Sollte es keinen zweiten Erben geben, fällt das Edlengut an eine von unserer Familie bestimmte Person.“

„Das klingt akzeptabel finde ich.“ Ardo reichte das Schreiben an seinen Vogt, der in rechtlichen Dingen von allen Anwesenden am besten Bescheid wusste. Nach einer kleinen Weile nickte der Kieselholmer zustimmend und gab das Pergament zurück an das Familienoberhaupt der Keilholtzer.

„Wohlan, dann werde ich morgen mit dem Schreiben zum Praioskloster gehen, es unter den Augen eines Geweihten siegeln und eine Abschrift für unsere Archive anfertigen lassen. Damit kannst du dich dann wohl als“, Wulfthart schaute noch einmal auf dem Erbvertrag nach, „…Ritter von Radulfsfelden betrachten, Ingmar. Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke, Wulfhart. Ich werde mich dann morgen darum kümmern alles für unseren Umzug nach Randersburg in die Wege zu leiten. Die Belehnung soll noch im Tsa erfolgen und ich möchte vor der Aussaat unser neues Heim bezogen haben. Übermorgen werde ich mich dann wieder auf den Weg machen. In Luring dürften sie die verlorene Lieferung bei meiner Rückkehr bereits vermissen. Je schneller der Graf erfährt was in Waldstein vorgefallen ist und dass wir uns um eine schnelle Kompensation bemühen, desto besser. Wenn du mir ein Wechselpferd mitgeben könntest, Ardo, würde mir das sehr helfen.“

„Natürlich“, sprach der Baron, „daran soll es nicht scheitern.“

„Und ich komme mit dir!“ Wulfhelm trank seinen Krug aus und setzte ihn mit Nachdruck auf dem schweren Eichentisch ab. „Ich habe mit den Waldsteinern noch eine andere Rechnung zu begleichen und das kann ich von dieser Seite der Grenze nicht…“



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15. Fir 1043 BF 12:00:00 Uhr
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Autor: Keilholtz