Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 44: Rede wider Willen I

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Dramatis personae:


Markgräflich Perrinmarsch, Perricum-Stadt, Hafen, dunkle Gasse, Praios 1034 BF, Nachts


...
Nedarna hatte sich mit Gerion am Beginn der dunklen Gasse auf eine Truhe in die Schatten der Häuser gesetzt und spielte mit ihrem Dolch. Wachsam behielten beide die Umgebung im Auge. Doch immer wieder huschte der Blick der Ritterin zu dem Kellereingang, in den Kain und Kor’win die bewusstlose Gefangene gebracht hatten.

Eigentlich hatten Gerion und Nedarna bei der Befragung anwesend sein wollen, doch musste jemand Wache halten und jetzt im Nachhinein waren sie froh, dass sie dem Prozedere nicht beiwohnten. Immer wieder hörten sie – trotz der Entfernung, die zwischen der geschlossenen Tür am anderen Ende der Gasse und ihrem Platz am Beginn der Gasse lag – wie die „Befragung“ der Nebachoten aussah.

Hastig sprangen die Raulschen auf, als ein weiterer, schmerzerfüllter Laut zu ihnen drang. Fragend schauten sie sich an. Besonders bei Nedarna rang der ritterliche Ehrencodex mit der Notwendigkeit dieser Art der Befragung. Sicher auch sie war hier und da schon gezwungen gewesen mit unangenehmen Maßnahmen zu drohen. Doch musste sie ihre Androhungen bisher nicht umsetzen. Und anhand der zu ihnen dringenden Geräusche war ihr auch klar, dass bei den beiden Nebachoten ganz andere Maßstäbe bezüglich der Maßnahmen galten. Aber bei einem höflichen Plausch, vielleicht noch mit Gebäck und Wein würden sie bestimmt nicht erfahren, um wen es sich bei den Schmugglern handelte, wo sie als nächste agieren würden und ob sie etwas mit diesem Untier zu schaffen hatten und wie sie dies kontrollierten.

Dann mit einem Mal war es ruhig… Sehr ruhig… Die Blicke, die sie sich nunmehr zuwarfen, sprachen Bände. Schließlich wurde die Ruhe unerträglich, so dass Nedarna entschlossen ihren Dolch wegsteckte und mit weit ausholenden Schritten zur Tür schritt.

Gerade als sie diese aufstoßen wollte, hörten sie hinter sich leise Schritte. Jemand näherte sich der Gasse.

Sofort drückte sich die Reshminianerin tiefer in die Schatten der angrenzenden Häuser. Den Blick wachsam in Richtung der Schritte gerichtet.

Doch auch die Schritte wurden leiser und verstummten gänzlich, als hätte deren Verursacher Nedarna und Gerion ebenfalls bemerkt. Nach Momenten der Stille hörte man von um die Ecke: „Räsh’minianäryn? Said yhr dasz?“Es war die Stimme Al'ariks. "Ja, wir sind es", gab Nedarna leise zur Antwort.

Als der Nebachote in die Gasse trat, wollte nun Gerion die Tür öffnen, hinter der die anderen die Befragung durchführten. Gerade als seine Hand das Türbrett berührte, wurde diese innen von Kor'win geöffnet. Hinter ihm sah Gerion, wie Kain die Frau in eine schmutzige Decke wickelte und anschließend schulterte. Beide Nebachoten wirkten ernst und entschlossen.

"Säh ist tot", war Kor'wins Antwort auf Gerions unausgesprochene Frage. "Wir missän weg! Die Zait drängt! Folgt miär." Weitere Fragen schien er vorerst nicht beantworten zu wollen.

Es gefiel Gerion in keinster Weise, hier wie ein Gefolgsmann behandelt zu werden und so stellte er sich fordernd dem Nebachoten in den Weg. "Beantwortet gefälligst meine Frage! War es unbedingt nötig sie umzubringen? Und was hat sie gesagt?"

Al’Arik, der nun bei ihnen stand, gefiel es auch nicht, erkannte aber, dass hier der falsche Ort war um dies auszudiskutieren und so schob er Gerion einfach unsanft beiseite und knurrte: „Jätszt niecht Ma’gusz, wier missän hiär wäg. Ya’llah Ya’llah!“ (neb.:Schnell, Schnell! / Los!) Dann orientierte er sich an Kor’win und Kain.

Während sich Kain mit der toten Frau auf der Schulter an den teilweise erzürnten, teilweise entsetzen Mitstreiter vorbei zwängte, erwiderte der ältere Nebachote den Blick des Magiers. Ernst nickte er ihm zu. „Ihr bekoummt Antwuortän, auf alläs. Aber nicht jätzt!“ Kain war bereits am Ende der Gasse und verschwand in der Dunkelheit. Kor’win wollte den anderen schon zu verstehen geben, dass sie einen anderen Weg nehmen würden, als Gerion sich ihm erneut in den Weg stellte.

Wobei er Nedarnas Hand abschüttelte, die diese ihm beschwichtigend auf die Schulter gelegt hatte. „Gerion, bitte! Es ist der falsche Ort für Diskussionen.“ Sie verstand die Dringlichkeit der Nebachoten. Verspürte sie doch selbst das Bedürfnis diesen unseligen Ort schnellstmöglich zu verlassen. Was geschehen war, konnte man nun nicht mehr ändern.

„Jetzt!“ Der Magier ließ nicht locker. „Und wenn es wirklich wichtig ist, dass wir hier weg kommen, dann solltet Ihr Euch beeilen!“

Kor’wins Hand zuckte bei diesen Worten zu seinem Krummdolch und zog diesen mit einem Ruck aus seinem Gürtel. Kurz funkelte er erzürnt den Magier an, ging dann aber seitlich etwas in die Hocke. Al’arik deutete er an, die brennende Kerze aus dem Zimmer hinter sich zu holen, damit sie etwas Licht hatten. Es hatte keinen Sinn, wenn sie jetzt und hier streiten würden, dann wäre alles verloren.

„Herdt zu!“ Flink ritzte der alte Jäger ein paar Linien in den lehmigen Boden, während er weiter sprach. „Äs war schwär sie zum räden zu bringän. Sie gehert ainer Gruppe von Schmugglärn an, die duas Bist kuontollierän. Wie hat sie nicht gä’sagt und ich nähme an, duass sie das sälbst nicht wußte.“ Kor’win war anscheinend von seinen ‚Überredungskünsten‘ recht überzeugt. „Jädenfualls schmuggäln sie nicht nur ain wänig Marzipan oder Sklavän, nein, wait schlimmäres! Dazu schualtän sie einän jedän aus, der ihnen in dän Wäg kuommt, egal ob Militär, Adäl, Fischär oder Piratän.“

Kor’win schaute die anderen kurz an. Der Schein der tanzenden Kerze verzerrte ihre Gesichter zu fast dämonischen Fratzen. „Sie schlagän am nächstan Tag von morgen, hier wiedär zu!“ Dabei deutete der Nebachote auf einen Punkt auf seiner stilistischen Karte, die er auf dem Boden gezeichnet hatte. „Diräkt in Wassärburg, nahä där Gränzä gen Garetien.“ Grübelnd sah der Magus die Linien im Boden an. Wasserburg ist mehrere Tagesreisen weg, dachte er.

Al’Ariks Augen spiegelten Zorn wieder. Diese Raulschen wussten nie wann es Zeit war einfach mal die Klappe zu halten. Aber hatte Kor’win missmutig die verlangte Kerze gebracht und dann seinen Ausführungen gelauscht. Welche ihn ebenfalls verärgerten. Wie sollten sie innerhalb eines Tages an das andere Ende von Perricum kommen oder zumindest eine Nachricht in Richtung Gnitzenkuhl senden? Und was sollte mit Ri’djeto passieren, den er bei der Alten gelassen hatte? Gut dass er soetwas schon geahnt hatte und seinem Krieger befohlen hatte sobald er wieder ein Pferd besteigen konnte die Stadt zu verlassen und sich solange bei der Alten aufhalten solle, bedeckt natürlich. Der Alten hatte ein paar Münzen in die Hand gedrückt und ihr unmissverständlich klar gemacht, dass er nochmal wieder kommen würde, wenn Ri’djeto etwas zustoßen würde.

„Und jetzt!“ Damit erhob sich der alte Jäger wieder. „Jätzt kain Wort mehr, die Wände habän Ohren und wir missän sähen wie wir hier heraus kuommen, am besten läbend. Wir räden erst wieder daribär, wuenn wir in Gnitzien CHul sind.“ Kor’win deutete in die Richtung in die Kain mit der Leiche verschwunden war. „Ihä Kumpanän suchän garantiert jetzt schuon nach ihr.“

Gerion war vorerst zufrieden mit der Erklärung und eilte mit den anderen davon.

Auch Al’Arik richtete sich voller, ihm wohlgefälligen Zorn, nach Kor’win und verließ mit ihm und den anderen im Eiltempo die Gasse, dabei stieß er Gerion bei Seite und warf diesem einen bösen Blick zu.

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Texte der Hauptreihe:
Pra 1034 BF
Rede wider Willen I
Im Bluthai III


Kapitel 49

Rede wider Willen II