Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 18: Mitte Praios 1034 in Dergelmund

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Dramatis personae:



Baronie Bergthann, Dergelmund, Praios 1034 BF


Leutnant Alfred Beradje saß in dem Kaminzimmer des Hauses ‚Lämmerschwanz’ in Dergelmund. Einst war dies die Niederlassung des Zornesordens in Dergelmund gewesen, schließlich wieder nur ein Gasthaus im Besitz des Ordens und schließlich, heuer, wieder einmal die Niederlassung des Ordens, welche den Landen der Heptarchen am nächsten ist. Wenn man einmal von der Burg Leuenfels am Arvepass absieht, auf welcher ein Diener der Herrin seine Wacht über das Gründungsfeuer des Ordens hält.

Alfred hielt einen alten Bericht in den Händen, welcher von dem Korporal und Magus Faenwulf Firunjasson anno Peraine 1023 BF abgefasst worden war und hier in einer Kopie des Originalschreibens in der ehemaligen Weibelstube lag. Alfred hatte sich an den Bericht erinnert, der damals von einem Leichenfund berichtete. Nach dem neuerlichen Leichenfund am Ufer des Darpat hatte er sich an die damaligen Umstände erinnert und wollte nun sicher gehen, dass es keine Parallelen gab. Tiefe Falten zogen sich über seine Stirn. Die Ursachen des damaligen Fundes wurden nie aufgeklärt und auch damals hatte es den Anschein, als wäre eine Art ‚Ungeheuer’ gleich welchen Ursprungs die Todesursache für die Person gewesen.

Dennoch gab es zu damaligen Fall einige Unterschiede. Damals wurde nur ein halbes Skelett gefunden, in dem ein Dolch gefunden worden war, der eindeutig als dämonisch pervertiert identifiziert worden war. Heute handelte es sich nicht um ein Skelett, sondern um eine halb verweste, ekelhafte Wasserleiche – nicht das Skelette nicht auch als ekelhaft zu bezeichnen wären.


Alfred legte den alten Bericht zu Seite und nahm nochmals den neuen Bericht, den Unswin über den, im Efferdtempel aufgebarten Toten, verfasst hatte: Seine Hochwürden Taseco Efferdicas war zwar leider nicht anwesend, doch die Tempeldiener hatten alles Notwendige veranlasst, dass dem Toten die ihm angemessene Würdigung zukäme.

Bei dem Toten scheint es sich um einen Nebachoten zu handeln. Seine Profession war unbekannt, jedoch muss es sich um einen einfachen Mann gehandelt haben. Er war zu dem Zeitpunkt seines Todes wohl Ende 20 und schlaksig gebaut. Eine ältere Narbe über dem rechten Auge war zu erkennen. Weiterhin fehlen ihm ein Arm samt Schulter und ein Bein, welche kurz unterhalb des Knies abgerissen wurde. Der Körper des Mannes war durchlöchert und augenscheinlich fehlten auch ein paar Teile daraus. Man hatte ihn am Flussufer, am Strand gefunden. Alfred zog es in der Magengegend. Er hatte den Toten gesehen und hatte nun wieder dieses schrecklich Bild vor Augen – ein Bild, dessen Erinnerung er nicht gerne trug.

Alfred grübelte, könnte der Tote in Verbindung mit einem getöteten Fischer aus Haselhain in Verbindung gebracht werden? War es vielleicht sogar dieser Mann? Alfred stand auf und ging zu dem geöffneten Fenster. Das Praiosmal stand hoch am Himmel und ließ die Luft leicht flimmern. Der Tote würde heute Abend bestattet werden müssen – es blieb kein anderer Weg. Der Leutnant nahm die Berichte, steckte sie in die Tasche und hängte sich diese um. Nun, da er sich in Ruhe ein paar Gedanken gemacht hatte, war er bereit zum Flusskapitän der Admiral Dozman, Seeritter Hakon von Sturmfels zu gehen. Unswin sollte zunächst noch einmal zum Tempel des launischen Herren gehen, um zu prüfen, ob in der Kleidung des Toten noch etwas Hinweisendes zu finden war. Danach wollten sie sich am frühen Nachmittag vor der Amtsstube des Kapitäns treffen. Die Fährfrau Fuchsau hatte am heutigen Morgen den Zornesrittern von dem Einlaufen der ‚Admiral Dozman’ berichtet.

Ritter Unswin von Keilholtz und die ihm unterstellte Novizin Chaantrea von Zackenberg hatten den Vormittag damit zugebracht, die entstellte Wasserleiche ein weiteres Mal zu untersuchen. Die zusätzlich vergangene Zeit hatte dem zerstörten Körper nicht gut getan und es war nun wirklich höchste Eile bei der Bestattung angebracht. Vor allem die junge Tulamidin musste sich sehr zusammenreißen ihrer Übelkeit Herr zu werden, während der von seinen geschlagenen Schlachten deutlich gezeichnete Ordensritter es zumindest für den Moment schaffte, das Grauen auszublenden. Seine Gedanken weilten bei seiner Frau und der glücklichen Vermählung nur wenige Wochen zuvor. Überhaupt hatte keine der Besorgnis erregenden Nachrichten der letzten Tage es geschafft, sein glückliches Lächeln dauerhaft aus seinem Gesicht zu verbannen.

So gut es eben ging identifizierten die beiden die Kleidungsreste des Toten und erhielten auf Nachfrage von den Novizen des Efferd-Tempels wie auch von den erfahrenen Seeleuten im Dergelmunder Hafen die übereinstimmende Aussage, dass es sich durchaus um die Kleidung eines Fischer gehandelt haben könnte. Damit konnte nun zwar der Verdacht, dass es sich um den vermissten Fischer aus Haselhain handelte, verhärtet werden, aber ein eindeutiger Beweis würde wegen des Zustands der Leiche wohl nicht mehr zu erbringen sein.

In dem Wissen alles getan zu haben was in diesem Fall noch möglich gewesen war, begaben sich Unswin und Chaantrea in der schwülen Mittagshitze zum Ankerplatz des Kriegsschiffes.

Alfred hatte nicht lange warten müssen. Kaum das er den großen Raum im Erdgeschoß betreten hatte, hatte ihn auch einer der Offiziere der ‚Admiral Dozman’ wieder erkannt. Egilmar Winterkorn, der Offizier hatte seinerzeit das Beiboot auf dem Darpat befehligt. Der junge Mann war seit ihrem letzten Zusammentreffen sichtbar reifer geworden. Der Vollbart, den er nun wie viele Seeleute trug, trug das seine dazu bei. Schnell hatte er ihn zur Kammer des Kapitäns geführt. Nach einigen kurzen Worten der Begrüßung saßen sich die beiden Männer nun gegenüber. Während der Sturmfelser ihnen beiden noch etwas Weinschorle eingoss, fragte er den Leutnant auch schon nach seinem Begehr. „So sehr ich mich über Euren Besuch freue. Mir scheint, dass Euch mehr kommen lässt, als die Aussicht auf eine kühle Erfrischung.“

„Leider ist dem so, Kapitän“, antwortete der Angesprochene ebenso rasch, „mögen uns die Götter helfen bei der Aufklärung dieses Rätsels. Es ist…“ und so berichtete Alfred in knappen aber nichts auslassenden Sätzen über die Vorkommnisse. „… und so ist Ritter von Keilholtz derzeit mit der Novizin von Zackenberg noch beim Tempel des Launischen, um vielleicht doch noch ein wenig mehr zu der Aufklärung des Rätsels beizutragen.“

„Ich wünschte ich könnte Euch weiterhelfen. Allein, ich war die letzten Monde in den Gewässern vor Perricum und habe nicht mehr als Gerüchte gehört.“ Der Sturmfelser lehnte sich missmutig auf seinem Stuhl zurück und deutete auf die Karte des Darpat. „Wir ernten, was mit der Ochsenbluter Urkunde ausgesät wurde. Viele versuchen es selbst zu lösen oder halten Informationen zurück. Wo die Provinzherren einst mit ihren Mitteln die Sache an sich zogen, arbeitet heute jeder für sich.“ Mit einem vernehmlichen Seufzen erhob er sich und trat an die Karte. „Ich habe es damals schon geschrieben und bleib dabei. Was immer sein Unwesen treibt, es steckt jemand dahinter.“ Dabei deutete er auf die Stellen und Orte, wo das Untier gesichtet worden sein soll. „Der Feind im Osten, Schmuggler, Piraten, wer auch immer. Sei’s drum. Ich bin offen für Vorschläge und würde lieber heute, denn morgen aufbrechen, um die Sache endlich zu einem Ende zu bringen.“ Wäre auch ein guter Abschluss für meine Zeit als Flusskapitän fügte er für sich in Gedanken an.

„Nun ja, dem ist wohl so. Mehr Eigenständigkeit bedeutet eben auch mehr Eigenverantwortung und andererseits mehr Denken in Regionalität. Einen gemeinsamen Feind zu schlagen ist nun dadurch in der Tat schwieriger.“, führte Alfred aus.

„Es besteht die Möglichkeit, dass es sich bei der Leiche, die wir gefunden haben, um den Fischer handelt, der in Haselhain verschwunden ist. Dort soll es meines Wissen nach auch einen Augenzeugen geben, der das Auftauchen des Ungeheuers beobachtet hat.“ Alfred runzelte die Stirn, „Wenn jemand dahinter steckt, dann müsste er dieses Ungeheuer – um was es sich dabei auch handelt – kontrollieren. Nur wie, das ist mir ein Rätsel. Vielleicht kann ein arkan begabter oder einer der Diener der Zwölfe hier mehr Mutmaßungen anstellen.“

Alfred fixierte sein Gegenüber, „sofern Ritter von Keilholtz keine Neuigkeiten bringt, die dem widerspricht, würde ich vorschlagen, wir nutzen Euer Schiff, um schnell nach Haselhain zu kommen. Vielleicht ergibt sich dort etwas Neues. Wenn ich Euch recht verstanden habe, ist die ‚Admiral’ ja fertig zum auslaufen?“

„Um das zu tun, brauche ich erst eine Bestätigung aus Perricum. In dem Zuge könnten wir jedoch auch versuchen bei der dortigen Akademie anzufragen. Wenn jemand zu helfen vermag, dann die Angehörigen einer Reichsakademie.“ Der Kapitän setzte sich wieder an den Tisch und nahm Papier und Feder. „Ich werde eine Botschaft aufsetzen. Mit dem Kutter ist sie schnell überbracht. Mit etwas Glück braucht eine Antwort nicht zu lange.“

„Gut, Kapitän“, dann sollten wir dies am Besten sofort umsetzten. Ich selbst werde mit nach Perricum übersetzen und das Gespräch in den Heiligen Hallen der Herrin Rondra suchen, während Ihr den Dispens für das Auslaufen der ‚Admiral’ beschafft. „Wisst Ihr jemanden, den man in die Akademie senden kann? Ansonsten würde ich Ritter von Keilholtz damit beauftragen.“

Draußen im Gang war ein lautes Niesen zu hören und einen Moment später hörte man ein Klopfen an der Tür. Auf Hakons Zuruf hin öffnete wieder der Offizier Egilmar Winterkorn die Tür und ließ Unswin und Chaantrea herein. Der Ritter rieb sich noch die Nase, salutierte dann aber schnell vor Alfred.

„Wir konnten leider nicht viel mehr herausfinden, als dass es sich bei dem Toten mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich um einen Fischer gehandelt hat. Bedenkt man den Zustand der Leiche ist das wohl schon mehr als wir erhoffen konnten.“

Die ausnehmend gutaussehende Novizin hatte sich nach dem Gruß derweil ruhig in eine Ecke gestellt und betrachtete vor allem den Sturmfelser aufmerksam. Ihr war nicht entgangen, dass ihre Ordensbrüder und der Kapitän sich zu kennen schienen, doch legte im Moment sie wenig Wert darauf sich mit Fragen in den Vordergrund zu drängen.

„Habt Dank!“, Alfred erwiderte dabei den rondrianischen Gruß seines Ordensbruders. Anschließend informierte er Unswin und Chaantrea in Kürze über den Inhalt und den Beschluss der Unterredung mit dem Kapitän. „Wir werden demnach, wenn alles so läuft, wie wir uns dies denken, am morgigen Tage mit der Flut auslaufen. Welches wird der optimale Zeitpunkt dafür sein, Kapitän?“

„Die Zeit spielte keine allzu große Bedeutung. Die Admiral ist eine Bireme mit wenig Tiefgang. Macht Euch da keine Sorgen. Ich schicke Winterkorn nach Perricum und werde hier alles vorbereiten. Wartet Ihr nur im Hafen von Perricum, wo ich Euch aufnehmen werde.“

„Gut, bis dahin wird noch einiges zu tun sein. Während wir den Tempel der Herrin Rondra und die arkane Akademie aufsuchen, sollte Euer Bote die Botschaft überbringen. Ich vermute, wir können die wichtigsten Informationen bis heute Abend beschaffen.“


„Mir ist einerlei, wer an der Reichsakademie vorspricht. Ich werde aber noch ein Schreiben aufsetzen und offiziell um Unterstützung ersuchen.“ Hakon griff sich bei diesen Worten bereits einen neuen Bogen Papier. „Ihr kennt die Dozman. Ich hoffe Euch ist bewusst, dass Ihr Eure Reittiere zurücklassen müsst?“

Es dauerte nicht lang, bis sich Alfred, Unswin, Chaantrea und der Offizier der Admiral Dozman auf die Fähre begaben hatten. Da die Gruppe so angewachsen war, war die Entscheidung gegen der Zollkutter ausgefallen. Wie schon an unzähligen Malen zuvor war es die Fährfrau Draminia Fuchsau, der die Aufgabe zukam die Passagiere über den Strom zu befördern. Der Darpat war ein träger, breiter Strom auf dem, jetzt in der schwülen Nachmittagsluft, die schweren Frachtkähne am Ufer langsam stromauf getreidelt wurden, während die stromab steuernden Schiffe aufgrund des, die Strömung fast neutralisierenden, auflaufenden Wassers nur wenig schneller ihrem Ziel, dem Hafen von Perricum näher kamen. Je näher die Übersetzenden dem Hafen kamen, desto häufiger sah man auch Schiffe, die auf Reede lagen und auf einen Platz zum Warenumschlag warten mussten.

Schließlich war es geschafft, die Fähre hatte zum Schluss, wie alle anderen kaum Fahrt gemacht und war quasi nur noch an die Kaimauer gedümpelt.

Die Fahrtgäste verabschiedeten sich voneinander und machten sich auf, ihre jeweiligen Ziele zu erreichen.



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Texte der Hauptreihe:
Pra 1034 BF
Mitte Praios 1034 in Dergelmund
Gaulsfurter Erkenntnisse


Kapitel 23

Neue Erkentnisse
Autor: CK, RO, DL,