Geschichten:Tauben und Wölfe - Ferne Zaungäste

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Burg Osenbrück, am 4. Peraine 1032 BF, im Morgengrauen


Der Morgen graute, und langsam versammelten sich die Schaulustigen im Hof der Burg Osenbrück. Wulf hatte sich einen Platz auf der Balustrade gesucht, von wo aus man auf den Burghof hinabblicken konnte; Jessa lehnte sich zu seiner linken auf die hölzerne Brüstung, Bertrand und Gerban flankierten ihre Lehrmeister. Von hier oben ließ sich der Kampf sicherlich gut verfolgen, wenngleich man ebenso fernab vom eigentlichen Geschehen war und damit kaum in Gefahr lief, enttarnt zu werden. Und Hilbert zu Hilfe eilen konnten sie Hilbert in einem Duell ohnehin nicht; es hieß abwarten, wie der Kampf ausgehen würde.

Die beiden Duellanten standen sich, gerüstet in leichter Platte und mit Anderthalbhänder gewappnet, bereits in einigem Abstand gegenüber, als ein Ritter des Zornesordens in die Mitte trat; jener würde wohl das Amt des Richters übernehmen. Nach einer kurzen Ansprache eröffnete er den Kampf.

Nach einigen Schmähworten, welche die Uslenrieder nur bruchstückhaft verstanden, schlug der Pfalzgraf von Sertis wütend zu und erzielte zu Wulfs erstaunen direkt einen schweren Treffer, der den Höllenwaller Baron wanken ließ. Ebenso schnell folgte ein zweiter Schlag ans Bein. Sollte Malepartus von Helburg zu Höllenwall seinen Kontrahenten so unterschätzt haben? Wulf konnte es kaum glauben; auch Jessa war reichlich verwundert, solche Kampfkraft hatten sie beide Hilbert kaum zugetraut.

Wieder fühten die Duellanten einige Schläge, als der Hartsteener plötzlich strauchelte. Der Höllenwaller töschte einen Schlag auf Hilberts Beine an, riß die Klinge dann aber herum und fuhr mit voller Wucht in die Seite des Pfalzgrafen.

Hörbar sog Wulf die Luft ein; der Hartsteener wirkte nun bereits mit den Kräften am Ende. Da hob Malepartus von Höllenwall seine Waffe und schlug zu, ein Hieb gegen den Schädel seines Kontrahenten warf jenen endgültig zu Boden.

Wulf schüttelte den Kopf. Das war es dann also gewesen mit Hilbert. Erst als kein Blut über den Burghof floß und ein anderer Ritter, dem Wappen nach Welfert von Mersingen, dem Höllenwaller einen schweren Dolch reichte wurde Wulf klar, daß Hilbert nur bewußtlos war. Der Höllenwaller hingegen lehnte den Dolch ab und wischte stattdessen seine Klinge an der weißen Seite des Wappenrocks seines Kontrahenten ab. Offenbar ließ er Gnade vor Recht ergehen, doch Gnade war etwas, was den Pulethanern nach Wulfs Ansicht fremd war.

Jessa wandte sich zum gehen. »Ich habe es ja gesagt; der Schwächling wird nicht siegen. Seine ersten beiden Treffen waren pures Glück!« Bertrand folgte ihr, als sie zurück in die Treppen hinunter in den Hof stieg und sich unter das Volk mischte.

Wulf hingegen stand noch lange an der Balustrade und besah sich nachdenklich das Treiben im Burghof, derweil unten die versammelten Zuschauer den siegreichen Höllenwaller mit Hoch-Rufen bedachten. Hilbert, noch immer bewußtlos, wurde von seinem herbeieilenden Leibmedicus unter die Fitische genommen und auf einer Bahre von dannen getragen.

»Was wird nun weiter?« fragte Gerban neben ihm.

»Das ist wahrlich eine gute Frage«, erwiderte Wulf. »Ich weiß es auch nicht.« Er schwieg einen Augenblick. »Lege meinen Wappenrock bereit. Dann nimmst Du das Pferd und reitest vor die Burg zur Kommandantin und berichtest ihr, was hier geschehen ist; weitere Anweisungen folgen, erstmal sollen sie ausharren. Ich werde derweil versuchen, alsbald zum Pfalzgrafen zu gelangen und mir anzuhören, was er nun vorhat. Aber ich glaube, er wird mir nicht gefallen...«