Geschichten:Später Frühling - Teil 1

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Burg Quanenstein, 12. Rahja 1035 BF

Alfing von Derrelsbach lehnte lässig über den Zaun des Entenstalls, und warf den Tieren eine weitere Handvoll Krumen hin. Das Geschnatter und Gewatschel der aufgeregten Vögel war zwar nicht die Speerspitze der Unterhaltungskunst, aber immerhin tat sich hier etwas. Im Rest der Burg fand sich nicht so viel Bewegung. Alle sieben seiner Neffen und Nichten waren außer Haus und gingen ihren Ausbildungen oder ihren Pflichten nach, ebenso sein Bruder Rondred.

Mit schiefem Kopf einen Streit zwischen zwei besonders fetten Enten betrachtend, stellte Alfing sich vor, was die anderen Mitglieder seines überschaubaren Hauses wohl gerade treiben. Unmittelbar kam er zu dem Schluss, dass er, als Junker, die fadeste Berufung zu erfüllen hatte. Als Ritter oder Knappen hatten Rondred und die Hälfte seines Wurfs momentan genug Aufregung - die Aufstellung des Heerbanns war eine anstrengende Sache für alle Betroffenden. Rudemir machte gute Fortschritte im Firun-Noviziat und Rondirai liebt das Falknerdasein in Eibenhain. Ihre Gesellenprüfung stand bald bevor, und Alfing hoffte sehnlichst, dass sie sich danach wieder in Derrelsbach niederlassen würde. Sie war ein lustiges Mädchen.

"Alfing?"

"Hm?"

"Fütterst du etwa ungefragt die Enten? Du bekommst bloß Ärger mit dem alten Jolderich. Jetzt wo die Kinder weg sind, hat er sicher gehofft, dass weniger Leute mit seinen Küken spielen."

Alfing zog gespielt eine Schmolllippe, und blickte zu seiner Schwägerin Tashold. "Das sind meine Enten", antwortete er trotzig. Tashold lachte. Nach so vielen Jahren auf Burg Quanenstein war sie mit dem Junker und seinem schrägen Humor bestens vertraut. Alfing lächelte zurück. Umgekehrt war es nämlich keineswegs anders. Er mochte Tashold, und sie sprachen oft miteinander, aber meistens ging es dabei um etwas, was auch Absprache bedurfte: Die Erziehung der Kinder, die nächste Mahlzeit, seine Kontakte nach Gareth... aber es lag nicht in ihrer Natur, ihn hier im Stall zu stören. Auch ihr Gelächter klang nervös. Irgendetwas wollte sie von ihm, und sie wollte es nicht direkt ansprechen. Alfings Neugier war geweckt.

"Was gibt es denn?"

"Nichts, Alfing. Ich wollte bloß schauen, wie es dir geht. Du wirkst so mürrisch, seit Tagen schon. Man könnte fast meinen, du würdest die Abwesenheit meiner Kinder schwerer verkraften als ich selbst!"

Alfing zog unweigerlich beide Augenbrauen hoch. Es überraschte ihn nicht, dass sie ihn in der Hinsicht durchschaut hatte. Es überraschte ihn auch nicht, dass sie ihn darauf ansprach. Aber das erklärte nicht ihre anfängliche Nervosität. Oder hatte er sich geirrt? Nein. Da musste noch mehr dahinterstecken.

Er schlug beide Hände über dem Herzen zusammen und keuchte, wie vom Pfeil getroffen. "Ah! Du hast mich erwischt! Aber Brinia ist ja nun auch schon selten genug hier. Musstet ihr mir jetzt auch noch Dramina nehmen?"

"Du hast ihre Pagenschaft doch befürwortet!"

"Es ist Wulf von Streitzig! Wie kann man so eine Gelegenheit nicht befürworten? Aber deswegen hättest du trotzdem Rondred darauf aufmerksam machen müssen, dass er seinem Bruder nicht einfach so die Spielgesellin wegnehmen kann."

"Wahrscheinlich hat er es absichtlich getan, bevor du ihr die höheren Kniffe des Boltanspiels beibringst, so wie bei Brinia..."

"Das wird ihr im Leben noch helfen!"

Tashold ging nicht weiter darauf ein und schüttelte nur schmunzelnd den Kopf, seufzte und fragte dann in einem ernsteren Ton: "Für wann planst du deinen nächsten Ausflug?"

Jetzt kommt's..., dachte sich Alfing und antwortete wahrheitsgemäß:

"Ich weiß es nicht. Mit der aktuellen Lage sollte hier immer jemand die Stellung halten, und mit meinem Mangel an Vertretern könnte es eine Weile dauern, bis ich das nächste Mal nach Gareth..." "Warum schon wieder Gareth?", wurde er unterbrochen. "Du bist ständig in Gareth, und du kommst doch immer wieder alleine zurück..."

Aha!, rief Alfing innerlich, und bemühte sich nicht zu fluchen. Die gute, alte Du-hast-kein-Eheweib-Standpauke. Seufzend blickte er zu Tashold und fragte dann: "Und wo soll ich deiner Meinung nach stattdessen hinfahren?"

"Moorwacht."

"Moorwacht? Aber das ist doch..."

Verwirrt brach Alfing seine Frage ab. Er wusste genau, wo Moorwacht lag, und wer dort zu finden war. Die Landvögtin, die praktisch nur über einen einzelnen Wehrturm und einen großen Haufen Matsch verfügte, war niemand geringeres als Perainehild von Hohentann, Tasholds eigene Zwillingsschwester.

Tashold lächelte breit, und gab Alfing einen Moment um hinterherzukommen, bevor sie fortfuhr. "Sie ist nicht auf Schau. Aber in ihrem jüngsten Brief hat sie mich so sehr an dich erinnert, Alfing. Wie sie sich von ihrem Amt nahezu eingesperrt fühlt. Früher habt ihr euch doch immer so gut verstanden, sie hat damals richtig von dir geschwärmt. Es kann doch nur gut für euch beide sein, wenn ihr euch mal wiederseht?", fragte sie unschuldig.

Alfing fühlte sich ein wenig beleidigt, so wie er es immer tut, wenn jemand der Meinung ist, ein Traviaband für ihn flechten zu müssen.

"Wir werden sehen", sagte er schroff und mit verzogener Miene. Die Unterhaltung war für ihn beendet, und Tashold verstand das sofort. Trotzdem lächelte sie fast schelmisch als sie sich verabschiedete und aus dem Stall trat.

Grübelnd blieb Alfing zurück. Mit Perainehild hatte sie einen Nerv getroffen, zweifellos. Und ihrem Gegriene nach zu urteilen, wusste sie das auch. Aber woher? Aus seiner perplexen Reaktion auf den Vorschlag vorhin? Oder wusste sie mehr? Etwas, das sie eigentlich nicht wissen sollte?



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12. Rah 1035 BF zur abendlichen Hesindestunde
Aus heiterem Himmel
Von schwarzen Galeeren und heiratswilligen Bräuten


Kapitel 5

Autor: Falkrad