Geschichten:Sein oder nicht sein - Danach

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Dramatis Personae:



Baronie Brendiltal, Gut Besh’Aramal, Ende Rahja 1034 BF


Einige Zeit später, die Mittagsstunde war bereits vorüber, stand Malina von Niederriet-Brendiltal nachdenklich vor dem Gut Besh’aramal und blickte dem davonreitenden Baron und dessen Männern hinter.

„Na, über was grübelst Du?“ Fragend trat Lyn ni Niamad von Brendiltal zu ihrer Schwägerin. „Ist doch alles bestens gelaufen. Eslam hat Dir seine volle Unterstützung zugesichert.“

„Hm? Was? Ach so, ja. Bin ich so leicht zu durchschauen?“ Fragte die Rittmeisterin und trat gemeinsam mit ihrer Schwägerin durch das Tor ins Innere des Gutes. „In diesem Fall schon. Dein Blick könnte nicht ferner aussehen,“ entgegnete die Albernierin lächelnd, bevor ihr Blick ernster wurde. „Ist es wegen A’urel?“ Malina fühlte sich fast ertappt und schuldig, da dies nicht der eigentliche Grund war, wieso sie so nachdenklich war. Ihr Schwiegervater hatte sie zwar daraufhin gewiesen, dass sie sich um ihren Ehemann kümmern sollte, damit dieser wieder auf das richtige Pferd komme. Er – Eslam – würde ihn noch brauchen und hätte nicht die Zeit, sich selbst um ihn zu kümmern.

Wieso war es für Eslam mit einem Mal so wichtig, was A’urel tat? Bisher schien es eher so, als würde es dem alten Patriarchen gleich sein, was sein jüngster, ehelicher Sohn tat, solange Ra’oul da gewesen war. Aber das Thema um einen männlichen Erben konnte es ebenfalls nicht sein. Vor A’urel standen Caihyn – der Enkel des Barons – und Fesian – Eslams drittes, eheliches Kind – in der Erblinie.

„Nein, das ist es eigentlich nicht,“ gestand sie Lyn schließlich. „Mir geht es eher um sein anderes Anliegen.“

„Du meinst, dass Du die Reshminianer aufstocken solltest, dass Eslam erwarte, dass mindestens die doppelte Anzahl von Reitern zur Verfügung stehe, wenn Haffax kommt?“

Die Rittmeisterin nickte. „Wie stellt er sich das vor?“

Lyn wußte dazu zunächst auch keinen Rat, doch hielt sie das nicht ab, verschiedene Möglichkeiten mit ihrer Schwägerin auf den Weg zurück ins Gut durchzusprechen und zu erörtern.

„Warte bitte einen Augenblick.“ Unterbrach die Vögtin von Haselhain schließlich ihre Schwägerin, als sie Wulfran von Schurr erblickte, der gerade in der Mitte des Hofes sein Pferd absattelte und versorgte. „Von Schurr!“ Sprach sie ihn mit knappen Worten an. „Auf ein Wort!“

Wolfran von Schurr hielt überrascht inne, nickte Lyn dann aber zu. „Wie kann isch hälfen?“

„Eine Frage, wieso warst Du vorhin so angespannt, als Du gesehen hattest, was der Baron von Brendiltal auf dem Hügel getan hatte. Und wieso warst Du dann erleichtert, als Du gesehen hattest, dass das Feuer gelöscht worden war, das seine Krieger dort entzündet hatten?“

Wulfran zog die Luft bei diesen Fragen scharf ein und blickte dann zunächst zur Rittmeisterin, die nun ebenfalls herangetreten war und dann wieder zu Lyn. Fast so, als würde er aufgeben, ließ er die Schultern mit einem Mal sacken und wuchtete seinen Sattel auf einen nahe stehenden Ständer. Dann drehte er sich zu den beiden Frauen wieder um und sah sie mit ernstem Blick an. „Wuänn ihr äs nicht wisst ist äs bessär wuänn äs uo blaibt.“ Es war offensichtlich, dass Wulfran nicht respektlos erscheinen wollte, sondern vielmehr so, als würde er jemanden zu schützen versuchen. Doch wieso?

Malina lächelte den Mann an. Eine irritierende Reaktion, verschwieg er doch offensichtlich etwas- aus welchem Grund auch immer. Dann trat sie an ihn heran, und klopfte im kameradschaftlich auf die Schulter. „Wenigstens einmal ein Mann, der erkennt, wann man noch mehr erdulden kann und wann das Maß des Erträglichen voll ist!“ Ihre Gedanken wanderten unwillkürlich zu Aurel, der ihre Geduld und Liebe zunächst nur strapazierte, zuletzt aber mit Füßen getreten hatte. Bei ihm war sie auf Granit gestoßen- stur wie ein Esel und entschlossen sich ins Unglück zu stürzen. Doch hier, bei IHRER Einheit wollte sie Bescheid wissen. Ein kurzer Blickwechsel mit Lyn sollte genügen, um dieser zu zeigen, dass sie keineswegs das Schweigen akzeptieren würde!

„Wollen wir nicht alle zusammen einen Tee trinken mein lieber Wulfaran? Ihr habt passable Fortschritte gemacht…!“

Lyn war sowohl von Wulfrans als auch Malinas Reaktion mehr als überrascht, so verstand sie nicht so ganz worauf Malina hinaus wollte. Außerdem hatte Eslam mit seiner Aktion und seinem Getue ihre Geduld mehr als überstrapaziert und sie war nicht in der Stimmung, Wulfrans Verhalten zu dulden.

Und so baute sie sich mit voller Größe vor ihm auf und ihre Stimme war sowohl laut, als auch recht kalt und hart. „Ich glaube nicht, dass Du in der Lage bist zu entscheiden, was ich wissen sollte und was nicht! Ich habe Dir eine Frage gestellt und ich erwarte eine Antwort!“

War der Nebachote noch über die ungewohnte Freundlichkeit seiner Rittmeisterin überrascht, so verhärtete sich sein Gesichtsausdruck bei den Worten der Vögtin von Haselhain. Mochte sie auch die Shuni (Schwiegertochter) seines Al’Shuars (Bannerherrn) sein, so war er immer noch der stolze Sohn eines stolzen Stammes. Instinktiv umfasste seine Link seinen Dolchgriff, als er die Albernierin herausfordernd anfunkelte.

„Wuänn där Al’Shuar mit däm wuas wir ihm gazaigt hattän nicht zufriedän ge’wäsen wäre, suo hätte er uns von Besh’Aramal vertriebän und unsär Haim dän Flammän ibergäben.“ Gab er ihr barsch zur Antwort.

„…niederbrennen…sicher, wenn DAS nicht auch meine erste Wahl gewesen wäre…!“ konnten daher die Umstehenden während der Ausführungen des Nebachoten von Seiten ihrer Rittmeisterin gemurmelt hören.

Wulfran ließ seine Worte wirken, mehr ungewollt, denn kalkuliert, doch gab dies den beiden Frauen und allen anwesenden Raulschen der Reshminianer, die in der Nähe standen und diese Worte mitbekommen hatten Zeit sie zu verarbeiten. Lyn nickte bedächtig, so als hätte sie kaum etwas anderes von ihrem Schwiegervater erwartet.

Auch wenn sie die von ihm angedachten Maßnahmen selbst für ihn als sehr drastisch empfand. Der Zorn in ihrem Blick schien verschwunden und sie sagte in recht ruhigem, beherrschten Ton „Danke für Deine Antwort.“ Als Wulfran sah was seine Worte angerichtet hatten, entspannte er sich wieder – vielleicht war er schon zu lange mit Raulschen unterwegs – und schlug einen ruhigeren Ton an.

„Där Al’Shuar sätzt hohä Ansprichä an alle, dänen är vertraut. Tatän zählen fir ihn mehr, als Bludt. Bludt hilft hegstens, dass man seiner Aufmärksamkeit sichär sain kann, aber dann zählen nur noch Tatän.

Und genau deshalb liebän wir ihn, auch wuänn er härter ärschaint als manchär Fäls. Und….“ Erneut machte Wulfran eine Pause, diesmal jedoch gewollt. „Und jätzt, wuo är die Gastfreund’schaft von Dir, Malina von Niedärriet-Beshir‘ a Danal hier auf besh’Aramal ange’nommän und sich beraits erklärt haut Ra’ouls Platz als unser Firsprächer einzunähmen, meinst Du, duass är duas widerrufän wird? Und mainst Du duas ein solchär Prais nicht auch einen gleichwärtigen Einsatz wert war?“ Wulfran hatte sich dabei so in seine Worte vertieft, so dass ihm nicht einmal aufgefallen war, dass er seine Vorgesetzte mit dem bei den Nebachoten so verbreiteten Du, statt dem Ihr angesprochen hatte.

Malina hatte nicht vor diesem Heißsporn mitzuteilen was sie von dieser ganzen Sache ihres Schwiegervaters hielt. Wieder einmal waren ihr die Methoden der Nebachoten ein Rätsel, daher nickte sie nur vage dem Mann zu, bevor sie sich kurz gesammelt hatte und sich zu den Umstehenden umdrehte, die all das mit angehört hatten und nun eine Erklärung verdient hatten. Vor allem die Raulschen würden wohl mit Eslams Art ebenfalls hadern. Auf der anderen Seite brachte es sie auch zum Nachdenken. Ja, drastisch, übertrieben, waren Worte die ihr dazu einfielen, aber Wulfran hatte Recht. Eslam verlangte von sich selbst und von den Seinen nicht mehr, als er von allen anderen, für die er stand erwartete.

Ihre Miene drückte Entschlossenheit aus als sie einen nach dem anderen in den Blick fasste und anschließend lächelnd alle mit einer einladenden Geste bat einen Schritt näher zu kommen.

„Meine lieben Bundesbrüder – und Schwestern. Diese Prüfung, von der keiner von uns – außer Wulfaran wie mir scheint- ahnte, dass sie eine war, wir haben sie bestanden! Wir gaben alles, und ernteten viel …

Auch wenn ich so manches Mal nicht locker gelassen habe, eure Fortschritte mit keinem Wort erwähnt, sondern oft nur eure Fehler bemängelt habe, ich wusste, dass wir, dass IHR auf dem rechten Weg seid zu EINER Einheit zu werden, die wirklich ein Sinnbild für Perricum sein darf. Stolz, dass ist es was ich bin, auf Euch und Eure Leistung. Wulfrans Worte sollten zeigen, dass die Zukunft des Ordens auch mit unserem neuen Bundesherren Eslam von Brendiltal Bestand haben wird, den ihr ermöglicht habt durch euren Einsatz.“

Sie strahlte förmlich ihre Reiter an.

„Wir haben gerade eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass wir die finanziellen Aufwendungen Wert sind, und dass wir zurecht einen Platz in der Markgrafschaft beanspruchen. Jetzt gilt es weitere Reshminianer zu finden, damit unsere Sollstärke erreicht wird, und wir somit eine voll funktionsfähige Einheit bilden können. Lyn ni Niamad- Brendiltal, Reto von Binsböckel, Wulfran von Schurr und ich werden dazu beratschlagen wie wir vorgehen werden.

Ihr habt- bis auf die jeweils Wachhabenden- den Rest des Tages frei, ich ordne an, dass ein Braten heute über dem Grill bereitet wird. Ich denke wir haben einen Grund zu feiern!“

Bei vielen der Reshminianer zeigten die Worte der Rittmeisterin Wirkung. Mit stolzer Brust und zustimmenden Schulterklopfern kommentierten sie die Anweisungen Malinas. Nur Wulfran beobachtete Lyn ni Niamad von Brendiltal weiter. Er wand sich erst von ihr ab und Madalena von Franfeld-Lanzenruh zu, die seinen Blick mit einem herausfordernden Lächeln kommentierte, als er sicher war, dass sie verstanden hatte, was des Brendiltaler Handelns bedeutete. Dass er – Eslam von Brendiltal – der ansonsten einer der radikaleren Ansichten vertrat, was die Stellung der Nebachoten innerhalb Perricums anbelangt jetzt das Vorhaben seines verstorbenen Sohnes - die Einigkeit von Nord und Süd, Raulschen und Nebachoten voranzutreiben – nicht nur für Gut hieß, sondern es auch weiter in dessen Sinne fort führten und die Bemühungen Ra’ouls von Brendiltals damit würdigte.

Da Lyn ihm zwar ernst, aber mit einem verständnisvollen Blick leicht zunickte, konnte er sich recht sicher sein, dass sie wirklich verstanden hatte, was Eslam ihr und den Reshminianern dadurch zu verstehen gegeben hatte.