Geschichten:Perricumer Ratsgeschichten - Damenbesuch bei Corthin Rutaris

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Harnischmacherwerkstatt Rutaris, Reichsstadt Perricum, Anfang Praios 1037 BF


Ginaya von Alxertis in ihrem weiten Kleid und in Begleitung einer Leibmagd schien etwas fehl am Platz, als sie vorbei an den Spenglern, Drahtziehern und Lederern in der Harnischmacherwerkstatt auf den Ratsherrn zu schritt. Auch wenn Corthin Rutaris kein Riese war, überragte er die zierliche Junkerin immer noch um einiges.

"Seid gegrüßt, Ratsherr Rutaris. Wenn Ihr etwas Zeit erübrigen könntet, würde ich mit Euch gerne über die kommende Ratssitzung sprechen."

»Soso.« Eigentlich war Corthin Rutaris nicht nach Plauderei zumute, doch seine Amtskollegin im Rat der Reichsstadt gehörte immerhin zu jenen, mit denen – zumindest aus seiner Sicht – einigermaßen gut Kirschen essen war. Also gab er sich einen Ruck. »Tut Euch keinen Zwang an.«

"Die Ereignisse der letzten Tage waren schwer dazu angetan, starkes Misstrauen innerhalb des Stadtrats entstehen zu lassen", konstatierte die Adlige, "Ich muss zugeben, auch ich selbst bin von den Äußerungen des Reichsvogts sehr betroffen. Zwar meine ich, dass Ihr und ich in vielen der anstehenden Entscheidungen grundsätzlich die gleichen Interessen haben, doch ich hoffe Ihr versteht, dass ich mich angesichts der angespannten Situation noch einmal gern vergewissern möchte. Insbesondere möchte ich Euch fragen, wie Ihr Euch zu den Vorschlägen der Ratsleute Zolipantessa, Quintian-Hohenfels, Falswegen, Marix und nicht zuletzt meinem eigenen verhalten wollt", fragend schaute sie zu dem bärtigen Ratsherrn auf.

›Das war ja wieder einmal typisch‹, dachte der Harnischmachermeister bei sich, ›dass sie schon wieder im. Vorfeld wissen will, wer seine Nase wie in den Wind hängt.‹ Dergestalt hatte sich die Ratsherrin beim ihn schon mehr als einmal die Zähne vergebens ausgebissen.

»Warum glaubt Ihr, dass ich Euch das vor der Ratssitzung auf die Nase binden werde, wenn ihr danach fragt?« entgegnete er bewusst mürrisch und stellte einmal mehr fest, wie sehr ihre Duftwässerchen in seine Nase stachen. Er brauchte den Geruch von Leder und Öl, von Esse und Stahl, und keine blümeranten Düfte, die einem gestandenen Handwerksmeister die Sinne zu vernebeln versuchten. »Aber wenn Ihr's genau wissen wollt, dann fragt Euch wie ich selber, was unserer Stadt am meisten dienlich wäre. Der Ausbau des Pelkhafens ganz sicherlich, um einen Teil Eurer Frage zu beantworten. Aber wie mir zu Ohren kam, sehr Ihr dies ja ebenso wie ich.«

Ginaya setze an, als ob sie nach Luft schnappen müsste, ließ es dann aber doch. »Mein lieber Corthin«, flötete sie stattdessen, »Ihr müsst doch aber zugeben, dass wir in der Vergangenheit häufig gleicher Meinung waren. Und von daher...« »...wundert es mich besonders, dass Ihr wieder einmal im Vorfeld hereingeweht kommt, obwohl dem genauso ist, wie Ihr es gerade sagtet«, fiel Rutaris ihr ins Wort.

Jetzt schnappte sie doch nach Luft.

»He, sieh zu, dass das Eisen dort aus dem Feuer kommt«, nutzte der Handwerksmeister die Pause, um eine seiner Gesellinnen anzuweisen. Während des Gesprächs waren sie durch die Werkstatt geschritten, und wie schon so manches mal fragte sich der Ratsherr insgeheim grinsend, wie er sich wohl verhalten würde, wenn Ginaya einmal mit ihren weiten. Kleidern an etwas hingen bliebe, Funken aus einer Esse abbekäme oder die wehenden Rockschöße in eine der Ölwannen gerieten.

Der aufdringliche Geruch ihres Parfüms zog noch immer an seiner Nase vorbei, als sie seufzend zu ihm aufholte, den Saum des Kleides mit der Linken etwas nach oben gerafft; offenbar war ihr die Gefahr, die ihrer Garderobe in der Werkstatt drohte, doch ein wenig bewusst. »So muss ich mich also einmal mehr darauf verlassen, dass das Schicksal Euch im gleichen Sinne entscheiden lässt?«

»Ich fürchte, ja, meine Liebe«, entgegnete er. Aus den Augenwinkel sah er, dass seine Tochter Kiranee ihn herbeiwinkte; ein willkommener Moment, die Ratsherrin loszuwerden, so nützlich sie zuweilen auch sein mochte. »Und nun entschuldigt mich bitte, ich habe zu tun; die Kundschaft ruft.«

Er nickte Ginaya noch einmal freundlich zu, dann wandte er sich um und marschierend in den hinteren Teil der Werkhalle, tief den wohlvertrauten Geruch von Leder einatmend, derweil die Ratsherrin mehr oder minder beleidigt hinaus eilte, nicht zuletzt in Sorge um den Zustand ihres Kleides, welchem gewiss schon viel zu viel vom Geruch der Werkstatt anhaftete.


Als Corthin am hinteren Ende der Werkstatt anlangte, wurde er bereits erwartet. Ein Mann in dunklem Umhang, den Hut ins Gesicht gezogen, war aus der Tür zum Lager getreten, kaum das Ginaya abgerauscht war. »Sei gegrüßt, alter Freund. Was wollte sie denn hier?« fragte der Ankömmling, auf die Haupttüre weisend.

»Die Schnepfe? Das gleiche wie immer. Plaudern und herauskitzeln, wie ich wohl in der Ratssitzung stimmen werde.«

»Und, was hast Du ihr gesagt?«

»Das gleiche wie immer. Aber lass gut sein, so verkehrt ist sie gar nicht; erst recht, so lange sie aus freien Stücken und ohne es zu wissen unserer Sache die dient.«

»Eine Hand wäscht die andere, Corthin.« Sie grinsten, und Corthin schlug seinem Gast auf die Schulter.

»So ist es. Ab und an ein kleiner Gefallen kann wahre Wunder wirken...«