Geschichten:Perricum - Vom Überbringen trauriger Kunde

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Tief betroffen hatte sich Wallbrord von Löwenhaupt-Berg auf den langen Weg vom Kosch nach Perricum, genauer gesagt in die Baronie Bergthann, gemacht.
Wallbrord hatte mit ansehen müssen, wie sich ein freudiges Ereignis, die Einweihungsfeier des in neuem Glanze wiedererstandenen Fürstenschlosses Thalessia, binnen weniger Augenblicke in blankes Entsetzen verwandelt hatte. Verantwortlich hierfür war die verfluchte Charissia von Salmingen, eine ehemalige Adlige des Kosch und spätestens seit der Freisetzung des Alagrimm erbittertste Feindin der Provinz. Von Rachsucht getrieben, hatte Charissia den Met, mit dem Fürst Blasius und seine Mutter auf die Fertigstellung des Schlosses anstießen, vergiftet. Doch während der Fürst mit knapper Not gerettet werden konnte, kam für seine hochbetagte Mutter Thalessia, die zudem als erste getrunken hatte, jede Hilfe zu spät.
Am Folgetag hatte Wallbrord dem trauernden Herrn des Kosch angeboten, der Tante des Fürsten, Efferdane von Eberstamm-Ehrenstein, die traurige Nachricht vom Tode ihrer Schwester zu überbringen, grenzte doch Efferdanes Baronie Bergthann direkt an sein eigenes Lehen Vellberg und lag somit gewissermaßen auf seinem Rückweg. Der Fürst hatte nur schweigend genickt und Wallbrord einige Stunden später ein gesiegeltes Schreiben für seine perricumer Anverwandte übergeben lassen. Einen weiteren Tag später brach der Vellberger auf.
Am späten Nachmittag des 14. Boron erreichte er sein Ziel, die Baronsburg Thannfest und ließ sich sogleich bei Baronin Efferdane melden. Als diese ihn wenig später in ihrem Arbeitszimmer empfing, fiel Wallbrord zum ersten Mal auf, wie ähnlich sich die beiden Schwestern vom Wesen her waren. Beide galten sie völlig zurecht als ebenso willens- wie durchsetzungsstark sowie als ausgesprochen dickköpfig. Kein Wunder, schoß es dem Vellberger durch den Kopf, dass sich die beiden Frauen ob dieser Wesensgleichheit kaum verstanden hatten. Der größte Unterschied zwischen den Beiden bestand in dem Umstand, daß die Jüngere, Efferdane, deutlich beherrschter und disziplinierter auftrat als die Ältere, deren Temperamentsausbrüche am Fürstenhof ebenso berüchtigt wie gefürchtet waren.
"Praios zum Gruße, Herr Wallbrord. Was verschafft mir die Ehre eures unerwarteten Besuchs?" fragte die Herrin der Burg gradheraus.
Mit ernster Miene und einer Spur Unsicherheit in der Stimme antwortete er ebenso direkt: "Ich bringe euch traurige Kunde von eurer Schwester; Herr Boron hat sie am 30. Travia während der Einweihungsfeierlichkeiten des nach ihr benannten wiederaufgebauten Schlosses zu sich geholt. Euer fürstlicher Neffe gab mir außerdem diesen Brief für euch mit."
Efferdane nickte nur stumm, als sie das Schreiben mit steinernem Antlitz entgegennahm. "Ich danke Euch dafür, daß ihr euch die Mühe machtet, mir persönlich diese Nachricht zu überbringen", antwortete sie mit belegter Stimme. "Seid doch bitte so gut und laßt mich einen Moment allein, wir werden beim Abendessen weiterreden."
"Wie ihr wünscht", antwortete der Baron knapp und verließ das Zimmer.
Während des Essens, das die beiden Adligen alleine einnahmen, stellte die Herrin zu Bergthann allerlei Fragen zu den Ereignissen und Entwicklungen der Zusammenkunft auf Schloß Thalessia, die in dem Tod der Namenspatronin des Bauwerkes ihren traurigen Höhepunkt fanden. Wallbrord beantwortete diese geduldig, bis schließlich alles gesagt war, man schweigend die Tafel aufhob und sich zur Nachtruhe begab.
Als Efferdane ihren unerwarteten Gast am nächsten Morgen verabschiedete und ihm noch einmal für sein Kommen trotz des traurigen Anlasses dankte, konnte der Baron zu Vellberg etwas beobachten, das er zuvor nie gesehen hatte oder sich auch nur vorzustellen vermochte: Die sonst so beherrschte Baronin vergoß beim abschließenden Händedruck eine Träne.