Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 2. Traviastunde

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Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF


Elgor wurde durch ein unnatürliches Geräusch aufgeschreckt. Klirrend war im Amtgebäude im ersten Obergeschoss ein Fenster geborsten und zwei Personen in die Tiefe gestürzt. Elgor versuchte zu erkennen, was vor sich ging.

Dumpf knallte Hadrumir auf den Boden. Seine Glieder schmerzten gewaltig, doch er schaffte es, sich aufzuraffen. Gehetzt blickte er sich um und konnte den Gerstunger unweit von sich auf dem Boden liegen sehen. Hadrumir stolperte auf ihn zu. Mit aller ihm verbliebenden Kraft packte er den bewusstlosen Stadtvogt mit der Linken am Kragen. Wutentbrannt drosch er mit seiner Rechten auf den Verräter ein. „Verdammter Hurensohn!“ schrie er ihn an.

Ludegar atmete kurz durch. Er hatte beobachtet, wie sich Soldaten gewaltsam Zugang zur Burg verschafften. Doch entgegen seiner ersten Vermutung schienen es keine Soldaten des Grützers zu sein. Zumindest nicht, wenn Ludegar den Wappen Glauben schenken konnte. Er hatte sich sofort aufgemacht, die Gemächer seiner Herrin aufzusuchen. Jetzt saß er im Arbeitszimmer Taniras und grübelte kurz darüber, was er als nächstes zu tun hatte.

Elgor konnte sehen, dass sein Hauptmann mit seinem Auftritt die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich gezogen hatte und diese ihn umstellten. Elgor überlegte nicht lange, zielte und schoss dem ersten einen Bolzen durch die Kehle. Doch schon waren die nächsten Wachen heran. Elgor wusste, dass er dringend Verstärkung herbei schaffen musste. Vorsichtig bewegte er sich von seiner Position weg und konnte gerade noch sehen, wie der Hauptmann bewusstlos zusammenbrach.

Tanira schaute ungläubig in den Raum. „Was ist das?“ fragte sie Hauptmann Raul. Der Hauptmann hatte eine kleine Laterne entzündet. „Die Schwingen waren in den letzten Monden nicht untätig. Wir haben in der Stadt eigene – sagen wir Verstecke eingerichtet.“ Tanira konnte es nicht fassen, als sie im Licht der Laterne, Schränke mit Waffen und Rüstungen sah. Die Männer und Frauen begannen sich langsam auszurüsten. „Aber zu welchem Zweck?“ Raul schaute betreten. „Zuerst war es angedacht, für den Fall, dass Ihr Euch nicht an die Abmachungen halten würdet. Doch dann waren diese Posten nicht mehr notwendig. Wir haben sie trotzdem behalten, um im Angriffsfall die Schwingen schnellstmöglich in Bereitschaft zu versetzen.“

Leomar von Gerstungen schlug vorsichtig die Augen auf. Über ihn gebeugt stand Hauptmann Jost. Leomar fühlte sich ziemlich zerschlagen und er schmeckte Blut auf seinen Lippen. „Stadtvogt, kommt zu Euch!“ Leomar brauchte einen Moment, um sich zu fangen. „Wie sieht es aus?“ „Amtsgebäude gesichert! Von der Burg bisher keine Rückmeldung!“ sprach der Hauptmann, während er Leomar auf die Beine half. Leomar versuchte sich schwankend aufrecht zu halten und schaute sich um. „Wir haben etwas für Euch!“ Mit diesen Worten schleiften zwei Soldatinnen den bewusstlosen Schwingenfelser heran. Dieser Hundsfott hätte ihn fast umgebracht. Leomar schnürte sich bei dem Gedanken daran fast die Kehle zu. „Schafft ihn ins Verlies! Die Baronin wird sich mit ihm befassen!“ sprach Leomar mit müder Stimme. „Und schickt mir einen Heiler!“

Ludegar durchsuchte wild alle Unterlagen. Er verstand noch nicht alles von dem, was dort geschrieben stand, aber er hoffte inständig, dass er wichtig und unwichtig unterscheiden würde. Er hatte eine dicke Ledermappe fertig gemacht und schmiss alle Schreiben, die er als wichtig empfand dort hinein. Vielleicht würde sich es als wichtig erweisen, wenn er die Dokumente retten würde. Draußen hörte er Schreie und er war sich sicher, dass die Soldaten gerade dabei waren, das Gesinde zusammen zu treiben.

Elgor riss die Tür des Hauses auf. Gehetzt blickte er sich auf der Straße um. Von feindlichen Soldaten war keine Spur. Seine Armbrust hatte er auf den Rücken geschnallt und stürmte los. Nichts war mehr sicher. Innerlich fluchte Elgor über die Situation. Sein Hauptmann war gefangen gesetzt. Er hoffte inständig, dass wenigstens die Baronin in Sicherheit war. Vorsichtig spähte er in die nächste Straße.

„Meint ihr nicht, dass euer störrisches Verhalten hier fehl am Platze ist?“ fragte der Stadtvogt betont gelassen. Die Soldaten vor ihm wirkten unschlüssig. „Hören wir doch mit den Spielchen auf, meine Herren! Ihr sagt mir einfach, wie viel ihr haben wollt und ich zahle euch die Summe!“ „Das wäre Verrat an den Prinzipien der Orbetreuer Schwingen!“ Leomar von Gerstungen lächelte. „Nun, der Herr Phex ist mit denen, die wissen, wann ein gutes Geschäft blüht und wann nicht.“ „Und Ihr zahlt jede Summe?“ „Nun, sofern die Summe nicht extrem überzogen ist, ja!“ „Tu es nicht, Stordan!“ sprach einer der anderen Soldaten. Leomar klatschte in die Hände. „Stordan? Sollen wir das Gespräch nicht in meinem Arbeitszimmer fortführen?“ Mit diesen Worten winkte er die Wache heran, auf dass der Soldat Stordan die Verlieszelle verlassen konnte.

Ludegar hastete durch die Gänge der Burg. Er musste ins Gemach der Baronsfamilie. Er war sich sicher, dass der Reiterschnabel seiner Familie noch dort lag. Der Baron hatte ihn dort bestimmt liegen und ohne ihn konnte Ludegar die Burg nicht verlassen. Neben ihm wurde urplötzlich eine Vase umgestoßen. Er fuhr herum und zog erschreckt sein Schwert. Kreischend stammelte Alinde, eine Zofe: „Oh, bitte, tut mir nichts, Hoher Herr!“ Ludegar ließ das Schwert sinken. „Sei leise! Ich bin es, Ludegar!“ „Ludegar?“ flüsterte die Zofe. „Was ist denn los? Überall sind Soldaten und sie stürmen in die Burg! Wo ist die Baronin?“ „Das weiss ich nicht!“ „Aber was sollen wir denn tun?“ Ludegar packte Alinde am Handgelenk. „Komm mit!“

Elgor hechtete in einen Hauseingang. Gerade noch rechtzeitig, ehe um die Hausecke ein Trupp Soldaten kam. Elgor konnte die Farben Gerstungens auf den Wappenröcken sehen. ‚Woher hat dieser Hundsfott nur so viele Truppen nehmen können?’ dachte Elgor bei sich und spähte vorsichtig die nähere Umgebung aus. Er musste weiter und hoffte inständig, dass Raul die Baronin in Sicherheit gebracht hatte.

„Und wo befinden sich diese Verstecke?“ fragte der Stadtvogt. Stordan blickte den Stadtvogt fest an. „Ich kann Euch und Eure Männer hinführen!“ Stordan wirkte unsicher, schaute aber erneut auf die zwei Geldbeutel auf dem Tisch vor sich und sprach dann: „Gegen Aufpreis, versteht sich!“ Der Stadtvogt schaute kalt auf. „Gegen Aufpreis?“ Stordan war sich nicht sicher. Einerseits lag schon ein ganzer Batzen Gold auf dem Tisch, andererseits war er der einzige, welcher bisher bereit gewesen war, dem Stadtvogt überhaupt etwas mitzuteilen. Er war wertvoll für den Stadtvogt. „Nun, wenn nicht, kann ich auch gehen“, versuchte Stordan gelassen zu antworten, bekam die Antwort jedoch kaum über die Lippen. Der Gerstunger hob seinen Zeigefinger und wippte ihn in schneller Folge hin und her. „Du bist ein ganz Ausgeschlafener. Ein ganz Ausgeschlafener! Solche Leute liebe ich. Also gut.“ Mit diesen Worten stellte der Stadtvogt einen weiteren Beutel auf den Tisch.

„Und wieso wurde ich darüber nicht informiert?“ fragte Tanira wütend. „Euer Hochgeboren!“ begann der Hauptmann. „Diese Entscheidung geschah zum Schutz der Stadt! Und unsere aktuelle Lage verdeutlicht, dass die Entscheidung richtig war.“ Tanira funkelte den Hauptmann zornig an, sah aber ein, dass er Recht hatte. Der Hauptmann wandte sich an einen Soldaten. „Sorgt dafür, dass alles mitgenommen wird, was hier gelagert ist!“ „Zu Befehl!“ Tanira verstand diesen Befehl nicht. „Was habt Ihr vor, Hauptmann?“ „Diese Verstecke sind nicht sicher. Wir müssen weiter!“ „Aber wohin?“ „Das weiss ich noch nicht, aber zunächst einmal raus aus der Stadt!“ „Und was ist mit Hadrumir?“ „Ich weiss es nicht. Meine Befehle sind aber eindeutig: Ihr seid unverzüglich in Sicherheit zu bringen!“ Tanira straffte sich. „Wir werden nicht gehen, bis wir Nachricht von ihm erhalten haben.“ Raul schüttelte den Kopf. „Wir wissen rein gar nichts, Euer Hochgeboren! Wir müssen uns sammeln und die Lage neu sondieren!“ Tanira wirkte entschlossen. „Ich habe mich entschlossen! Wir bleiben! Das ist ein Befehl!“ Raul wirkte unschlüssig, sprach dann aber leise: „Zu Befehl!“

Urplötzlich durchfuhr ein gewaltiger Schmerz Elgors Bauch. Er blickte hinab und sah den Bolzen, welcher ihn getroffen hatte. ‚Dreckiger Scharfschütze’ dachte er sich und sackte ohne einen weiteren Ton zusammen.

Seit einer guten Stunde hetzte Ugo nun über den kleinen Hinterhof um der Frau zu entkommen, welche ich fangen wollte. Kurz kreuzte Elli seinen Weg und lenkte ihn wieder ab. Ehe ers sich versah, wurde er am Flügel erfasst und in einen Sack gesteckt, während der Gong zur Boronstund schlug.