Geschichten:Hartsteener Kassen - Arm wie ein Hartsteener Ritter

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Anfang Tsa 1034 BF, Reichsstadt Hartsteen


Das Stadthaus der Familie Hartsteen in der verschneiten Reichsstadt an der Natter betrat Baron Alrik von Hartsteen in einen grauen, grobgewebten Wollmantel gekleidet, welchen er mit ein paar kräftigen Schlägen vom Schnee abklopfte, während ein livrierter Diener ihm die schweren Reiterstiefeln von den Füßen zog. Auf der imposanten Holztreppe in die oberen Räume stand gestützt auf einen eleganten Gehstock Luidor von Hartsteen, der seinen Bruder an der Tür abholte.

Dass der Herr Firun es mit ihnen heuer besonders strenge meine, begrüßte der Graf von Hartsteen den Baron auf Hutt. Er könne sich nicht an einen so harten Winter seit dem Hungerwinter anno siebenzwanzig erinnern, man bekomme den Frost kaum mehr aus den Gemäuern hinaus.

Auf Hutt, erzählte der von seiner Reisekutte entkleidete Baron, sei die Kälte so stark, dass er dem Gesinde erlaubt habe, sich in der Küche am Herd aufzuwärmen. Trotzdem habe einer seiner Knechte zwei Zehen des rechten Fußes an den grimmigen Herren verloren.

Graf Luidor führte seinen Bruder hinauf durch das eisige Haus in einen kleinen Salon, in welchem der Kamin den ganzen Tag befeuert wurde. Und dennoch klirrten die Wände vor Kälte und ihr Atem erzeugte einen sichtbaren Hauch.

Wo denn seine verehrte Schwägerin weile, fragte Baron Alrik, sich genüsslich in eine schwere Wolldecke einwickelnd, die ein weiterer Diener in den Raum gebracht hatte. Der gesundheitlich sichtlich geschwächte Graf antwortete, seine Gemahlin sei gemeinsam mit ihren Kindern ins Eslamsgrundsche gereist, wo der Winter etwas erträglicher sei. Er selbst habe einen Moment räsoniert, ob er nicht dieses Jahr ebenfalls den wärmeren Süden aufsuchen solle, wolle aber in dieser Zeit seine getreuen Vasallen nicht alleine lassen. Immer wieder musste sich der Graf unterbrechen und nippte an einem Kelch mit dem heißen Gewürzwein.

Ob er denn auch des Verwesers Aufruf erhalten habe, vernahm Baron Alrik die leise und herausfordende Stimme seines Bruders Luidor. Deswegen habe er, Alrik, den Weg von Hutt in die Reichsstadt zurückgelegt, antwortete dieser und zog aus einer Tasche den Schrieb des Blautanns hervor. Ob diesen denn Hesindes Gaben völlig verlassen hätten, ereiferte er sich, seine Stimme immer lauter werdend. So fordere er von der Reichsstadt Hartsteen allein den Kaisertaler von zehn Jahren in einem einzigen Götterlauf. Seine Hutter Ritter hätten sich bereits besorgt an ihn gewendet und ihm geklagt, die Abgabe stürze sie in existentielle und bittere Not.

Es träfe die Grafschaft tatsächlich zur Unzeit, nickte der Graf und winkte seinen Schreiber Greifhold von Ennetbrück herein, der an der Tür stand und sich an einen Schreibtisch in einen Winkel des Zimmers setzte und mit seiner Feder über einen Bogen Pergament kratzte. Allein es tröste ihn, Luidor, dass es seinen Feind Geismar in gleichem Maße träfe.

Dem mag schon so sein, erwiderte Baron Alrik. Doch wie der Blautann auf solch einen Unsinn komme. Ob da nicht einer der Berater der Kaiserin seinen Unmut an den Hartsteener Dukaten kühle.

Es erscheine ihm wenig wahrscheinlich, schüttelte Graf Luidor das Haupt. Die Elster aus Perricum habe erst die Kronvogtei auf Puleth mit einem seiner Vertrauten besetzt, und so die Familie Schwingenfels in Hartsteen zu einer nicht zu unterschätzenden unabhängigen Größe gedeihen lassen. Puleth aber müsse durch den Willen der Krone besonders bluten, denn die gebeutelte Stadt könne die Summe kaum ohne Schulden aufzunehmen erbringen. Dergleichen gelte für die Krähe aus Gareth, die bisher nicht dadurch aufgefallen sei, dass sie dem Feidewälder größere Hürden in den Weg gestellt hätte. Es sei ja eher das Gegenteil der Fall, denn durch seine Gemahlin Thesia habe sie seinem Gegner Schützenhilfe gegeben, wo immer es ihm opportun und vor allem nicht nachweislich war. Der Fuchs aus den Kanzleien schließlich hätte ihn sicherlich vorab über einen solchen Schritt von Seiten der Krone informiert, wenn er ihn nicht direkt hätte verhindern können.

So glaube er, Luidor, etwa, dass der Verweser selbst auf diese Idee gekommen sei? Dies erschiene ihm, Alrik, als ziemlich kühner und gewagter Schritt für den als zauderhaften Politiker bekannten Blautann.

Sein Bruder solle sich nicht täuschen, der Löwe der Kaiserin habe durchaus starke Pranken und denke durchaus weit voraus. Er traue durchaus den Angaben des Marschalls, dass dieser die Hartsteenschen Dukaten zur Rüstung gegen Haffax zu verwenden suche, denn am Ende werde es wohl wahrscheinlich er selbst sein, der die Schlacht gegen den Erzverräter führen werde. Und seit dem Jahr des Feuers, als die Reichsarmee geschlagen und die Garderegimenter dezimiert wurden, habe die Urkunde von Ochsenblut gerade ausgereicht, um den nötigsten Erhalt der Kaiserlichen Truppen aufrecht zu erhalten. Er solle doch in die Kaisermark blicken, welchen Eindruck die einst so prächtige Goldene Lanze dieser Tage hinterließe. Man vernehme durchaus immer wieder die Unzufriedenheit der Mühlinger Offiziere, denen ihr fälliger Sold manchen Mond nicht ausgezahlt worden sei, weil die Dukaten des Rudschilders angeblich zur Neige gingen. Sein Bruder solle sich selbst überlegen, in welch Zustand die Kaiserlichen wären, seitdem die Grafschaften und Provinzherren nicht mehr für deren Unterhalt verantwortlich seien.

Aber, entgegnete Baron Alrik erregt, warum denn der Blautann dann ausgerechnet die Grafschaft Hartsteen wie eine reife Arange ausquetsche.

Weil er es könne, antwortete Graf Luidor lakonisch. Wer wolle es ihm verbieten? Die Ritter seien untereinander wegen Natterndorn entzweit und seien keine einige Partei. Die Kaiserin hätte ihren Marschall nicht ohne Grund zum Verweser eingesetzt, denn da sie den Streit um die Grafenkrone an das Reichsgericht delegiert habe, wäre eindeutig, dass sie den Blautann nicht als zukünftigen Grafen sehe, sondern als bloßen Verwalter, bis das Gericht entschieden. Blautann müsse daher nicht Rücksicht auf die Gefühle des Niederadels nehmen, wenn er sie allesamt an den Bettelstab bringe. Es sei sogar wahrscheinlich, dass der Marschall mit Erlaubnis der Kaiserin selbst die Sache begangen habe.

Was sie denn dann tun sollten, fragte Baron Alrik niedergeschlagen. Allein für die Baronie Hutt beliefen sich die Forderungen auf über unglaubliche 29.000 Dukaten. Er wisse nicht, ob die Junker, Ritter und Edlen der Baronie dies aufbringen könne.

Sie werden es wohl müssen, antwortete Graf Luidor und seufzte tief und betrübt, man müsse halt an die Substanz gahen und die Ritter ihr letztes Tafelsilber veräußern. Es werde ihn den nächsten Jahren wohl ein neues geflügeltes Wort werden: Arm wie ein Hartsteener Ritter.