Geschichten:Höllische Zeiten Teil 1

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Baronie Höllenwall, Gefängnisfeste Helburg

Blutrot versank das Praiosgestirn im Westen und tauchte die schroffen Berghänge und Felsentürme des Raschtulswalls in "Kor"- gefällige Farben. Einen letzten wärmenden Gruß sandten die Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster in die Kammer, doch davon bemerkte Gerion Bleitreu, Agent der KGIA, nichts. Zu sehr war er damit beschäftigt eiligst seine Habe zu packen.

Angstschweiß glänzte kalt auf seiner Stirn, als er den Mauerstein aus den Fugen zerrte und sein Geheimversteck öffnete. Zwölf lange Jahre hatte er getreulich der großen Agentur gedient. Er hatte fleißig Berichte geschrieben und sämtliche nennenswerten Vorgänge auf der kgl. Kerkerburg notiert. Endlos war die Zeit gewesen, als er in den tiefsten Verliesen die Gefangenen verhörte, und peinlichst genau deren Aussagen aufzeichnete. Zitternd nahmen seine Finger die kleine, schwere Holztruhe hervor. Aufatmend presste er sie sich an seine Brust. Dieses Gold würde ihm im Süden, irgendwo in Almada, seinen verdienten Ruhestand ermöglichen. Ja, verdient hatte er sich das, sehr verdient sogar. Abgeschoben von seinen Oberen, musste er all die Jahre an diesem finsteren Fleck verbringen, immer belauert von den Burgherren. Und obwohl sie ihn hassten, hatten sie es nie gewagt, gegen ein Mitglied der mächtigen KGIA vorzugehen. Erst recht nicht seitdem er ihnen unterschwellig mit der Inquisition gedroht hatte. Im Gegenteil, er hatte es verstanden, einen Obolus herauszupressen, den sie zähneknirschend bezahlt hatten. Und nun!?

Das Verderben war über das Reich gekommen! Die Schwarzen Lande hatten zum großen Schlag ausgeholt, und das Königreich ward vernichtet. Es gab keine Reichsbehüterin Emer mehr, keine Königin Rohaja und kein Dexter Nemrod! Siw waren alle tot, auf den Schlachtfelder gefallen, ebenso wie Gareth, die Neue Residenz, nur noch Schutt und Asche.

Dies alles geschah bereits vor über einem Götternamen. Doch in diese verlassene Gegend war keine Nachricht gedrungen, und falls doch, hatten sie die Burgherren unterschlagen. Nun wurde ihm bewusst, warum die kgl. Soldaten Ausgangsperre hatten, und der Kontakt zu den Dörflern so strikt unterbunden wurde.

Er schalt sich selbst einen Narren, so lange untätig herumgesessen zu haben, und betete zu Phex, dass es noch an der Zeit war, zu entkommen. Mehrere Dukaten hatte es ihm gekostet, den Stallburschen und den Torwächter zu bestechen, damit er heimlich in der Nacht entfliehen konnte. Er verfluchte die abgeschiedene Lage der Burg, hoch in den Bergen. Er würde die ganze Nacht durchreiten müssen, um möglichen Verfolgern zu entkommen, und war dann immer noch inmitten des Feindeslandes. Zum Glück hatte er in der Stadt Niffelheim einen alten Freund. Bei diesem würde er einige Tage untertauchen. Dann holten seine Hände aus dem Versteck ein in dunkles Leder eingeschlagenes Buch hervor, eher eine Mappe. Er starrte auf das Stück Leder, aus dem ungeordnet die Pergamente rausquollen. Darin waren all die Dokumente, Aufzeichnungen und Kopien von Kontrakten, mit denen er in Almada sicher vor den Nachstellungen des rachsüchtigen Barons sein würde. Er sichtete kurz die Pergamente. Ja, das schwarzgesiegelte Bündel lag obenauf.

Beruhigt schnürte er das Buch wieder zu. Hastig steckte er die Ledermappe unter seinem Wams, schulterte den Rucksack und klemmte sich die Kiste unter den Arm. Er hatte diesen Zeitpunkt gewählt, weil nun die Meute bei Abendmahl saß. Einen letzten verächtlichen Blick schenkte er der Kammer, die solange sein Zuhause gewesen war. Endlich kam er raus aus dem Loch. Er schritt durch die Tür in den langen Korridor, und eilte auf das Portal zu, welches in den Zwinger (Unterburg) führte. Es war verschlossen, bei allen Göttern.........

Furcht fuhr ihm in die Knochen. Wieso, warum, weshalb, ihm stockte der Atem, doch auch ein heftiges Rütteln half nichts, das Portal war versperrt. War es Absicht oder Zufall, Schutz der Burgherren oder ein Falle für ihn? Er hatte geahnt, dass die Ankunft der jüngsten Schwester des Barons an diesem Morgen nicht Gutes zu bedeuten hatte. Mit Grauen erinnerte er sich an den eisigen Blick der ältesten Schwester aus dieser verdammten Brut, mit dem sie ihn bedachte, nachdem die Frauen sich beraten hatten. Eilig hastete er über den oberen Burghof. Er duckte sich in den Schatten des Palas, um zu vermeiden, aus einem der Fenster gesehen zu werden. Den Blick auf den alles überragenden Bergfried mied er. Selbst in zwölf Jahren war es ihm nicht gelungen, all dessen Geheimnisse zu erfahren. Endlich ereichte er einen der kleinen Wehrtürme. In ihm führte eine Wendeltreppe in den Zwinger hinab.

Kaum, dass er sich im Dunkeln des Turmes in Sicherheit wähnte, hörte er nah bei sich ein Rascheln und Knurren, vor Schreck stolperte er leicht nach vorn und konnte sich gerade noch abfangen. Die Bluthunde des Barons, schoss es ihm durch den Kopf, es war also doch eine Falle. Eilig hastete er zurück, taumelte über den oberen Burghof und drehte sich dabei mehrmals um die eigene Achse. Sein angstvoller Blick suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Nun gab es nur noch den Weg durch den Palas. Er eilte über den Wehrhof der Oberburg zur Südseite. Dort am kleinen Tor würden seinen Chancen am größten sein, ungesehen durch den Palas zu kommen. Mehrmals hielt er an, holte keuchend Luft und lauschte in die Dunkelheit. Inzwischen glühten nur noch die Bergspitzen im Westen im matten Rot der Sonne. Es war nichts zu hören, doch er war sich sicher, das ihn jemand verfolgte. Endlich erreichte er das kleine Tor. Hastig warf er einen letzten Blick zurück, doch in der Dunkelheit war kaum noch etwas zu erkennen. Er nahm den Griff in die Hand und wollte gerade ziehen, als sich über ihm ein Schatten löste und auf ihn nieder fiel. Die Wucht riss ihn zu Boden. Ächzend versuchte er wieder auf die Beine zu kommen, da traf ihn bereits ein weiterer Hieb in den Rücken.

Jaulend fuhr er herum, schlug wild und ziellos mit der Rechten nach seinem Angreifer, erntete aber nur ein bedrohliches Knurren. Er stutzte. Vor ihm stand ein Kind, vielleicht auch schon ein Halbwüchsiger, mit wenigen Fell- und Lederfetzen bekleidet. Ein Ferkina, ein verlauster, kleiner Ferkina dachte er sich. Wie kam der hierher? Doch der Bursche zögerte nicht und sprang einer Wildkatze gleich den Agenten an. Diesmal gelang es Gerion Bleitreu auf den Beinen zu bleiben. Mit einem Konterhieb fegte er den kleinen Burschen weg. Seinem Gegner rann nun das Blut aus der Nase, und er wich einige Schritt zurück. Gerion lachte dreckig und zog seinen Dolch. Er war gewillt, seinem Angreifer den Hals durchzuschneiden. Mit einem Kind würde er ja wohl noch fertig werden. Schritt um Schritt wich der Kleine zurück, bis er nur noch knapp einen Schritt von den Zinnen entfernt war.

Dahinter ging es viele hundert Schritt tief hinab in die Niffelklamm. Dann jedoch blieb er stehen, duckte sich zum Sprung, und grinste den Agenten siegessicher an. Zu spät erkannte Gerion den Hinterhalt. Aus dem Dunkeln waren sie herangeschlichen, und hatten ihn nun umkreist. Ein ½ Dutzend dieser kleinen Bastarde, der größte unter ihnen mit einem angespitzten Schenkelknochen bewaffnet. Zurück, ich muss zurück in meine Kammer, schoss es Gerion durch den Kopf. Er setzte alles auf eine Karte und versuchte durchzupreschen. Doch die Ferkinas waren schneller. Gleich hungrigen Raubtieren, ein schreckliches Geheul ausstoßend, stürzten sie sich auf ihn.

Sie boxten, bissen und kratzten. Einer schlug ihm gekonnt den Dolch aus den Hand, und dann traf ihn der jähe Schmerz zwischen den Schulterblättern. Die Kiste fiel zu Boden und brach dabei auf. Sein angehäuftes Gold verstreute sich über den Burghof. Jammernd brach er zusammen, warm rann ihm das Blut über den Rücken, der Schmerz war höllisch. Die Meute hörten nicht auf damit, auf ihn einzuschlagen. Sie begannen sogar damit ihm die Kleider vom Leib zu reißen. Er schrie vor Schmerz und Pein. Warum kamen keine Wachen? An dem Knochenspieß in seiner Schulter zerrte ihn einer der Ferkinas wieder auf die Beine. Ihm schwanden beinahe die Sinne, und er wurde gegen die Zinnen gepresst. Sie rissen und zerrten an seinem Wams, dann ergriff der Anführer das Buch. Triumphierend hielt er es ihm vor die Nase, während ihm vier weitere an die Mauer pressten. Der letzte der Bande hob gerade seinen Dolch auf, und fletschte wild die Zähne. Als er sein Werk der letzten Jahre in der Hand der Ferkinas sah, ergriffen ihn Wut und Verzweiflung. Mit einem Ruck stürzte er nach vorn und packte das Buch mit beiden Händen am oberen Ende.

Sofort hieben die anderen auf ihn ein, doch der Anführer hielt verbissen das Buch fest. Seiten flogen davon, Pergament zerknüllte und zerriss, aber keiner der beiden gab nach. Der mit dem Dolch kam heran und Gerion wusste, dass er keine Wahl mehr hatte, er griff mit der Linken das Schwarzgesiegelte Bündel, und lies mit der rechten das Buch los. Der Ferkina fiel nach hinten. Der Rückstoß verwirrte diejenigen dir ihn festhielten. und es gelang ihm sich loszureißen. Mit letzter Kraft erklomm er die Zinnen, und blickte hinab in die Schwärze der Schlucht. Alles war vergebens, aber diese Seiten durften seinen Feinden nicht in die Hände fallen! Er drehte sich um, die Ferkinas belauerten ihn, griffen aber nicht an. Drohend hob er die Hand gegen den Bergfried, der sich mächtig und düster in den Nachthimmel erhob.

"Sei verflucht Höllenbrut, möge Praios es geben, dass ihr in den Kerkern endet, die ihr solange bewacht habt. Ich verflu.............", Entsetzen quoll aus seinen erschrockenen Augen. Der Dolch, rasch und hart geworfen, steckte nun tief in seiner Brust. Er verlor den Halt und fiel nach hinten weg. Hinab in die Schlucht, die Niffelklamm, vorbei an den Wällen der Burg, an den Kerkerfenster im Fels, an schroffen Stein, in die Dunkelheit. Eisern hielt er das schwarzgesiegelte Bündel fest, während seine gellenden Schreie ungeachtet in der Finsternis der Nacht verhallten.

Zufrieden betrachtete die schwarzgekleidete Frau aus einem unbeleuchteten Turmzimmer das Ende von Gerion Bleitreu. Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Lippen, während die linke Hand auf der Mantelfibel in Form eines silbernen Fallgitters ruhte. Sie sah noch wie die Ferkinas die Pergamente und das Gold einsammelten als sie sich abwandte und die Treppe nach unten nahm. Sie durchschritt einige verwinkelte Gänge und betrat den Rittersaal. Am Tisch saß ihre jüngste Schwester, versonnen an einem Becher Wein nippend.

"Du kannst unserem Bruder in Nymphenhall eine frohe Kunde bringen. Das Problem gibt es nicht mehr!" kurz blickten sich die Schwestern an, Triumph und ein mörderischer Glanz spiegelte sich in ihren Augen. Dann ging die ältere hinaus zum Burghof. Es war Zeit, ihren Kleinen, von denen nur wenige Eingeweihte etwas wussten, eine Belohung zukommen zu lassen. Sie hatten ihre Sache gut gemacht!

(M. Motsch)

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