Geschichten:Gähnende Leere - Teil 9

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Version vom 24. September 2019, 16:50 Uhr von Malepartus (D | B)
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Neunfinger.“ Einen kurzen Moment zeichneten sich Falten auf der Stirn des Gallsteiners ab, dann glätteten sich seine Züge wieder, als er sich seinem Gesprächspartner erneut zuwendete. „Ich dachte immer, diese Korgeweihte opfern doch alle einen ihrer Finger. So könnte man also jeden von diesen Geweihten Neunfinger nennen. Also nicht gerade ein ausagekräftiger Name. Ich selbst fand schon immer solche Handverstümmelung für einen Kämpfer mehr als dumm. Warum sollte man dies machen? Sich selbst verstümmeln und dazu noch die Hand, die das wichtigste Werkzeug eines Kämpfers halten solll, oder?“ Er wandte seine Aufmerksamkeit weg von dem Schreiben in seiner Hand zu seinem Gegenüber hin zu. Dieser gab ein Knurren von sich und rollte mit den Augen. „Ja, ich sollte wirklich mehr dem Inhalt meine Aufmerksamkeit schenken, nicht wahr? Malepartus ein Anhänger des Namenlosen, der seine gesamte Familie geopfert hat. Nun also sollen wir die Helburg sichern. Ich frage mich warum? Was hatte er erwartet?”

Wieder erklang ein unwirsches Knurren von dem Mann, was den Gallsteiner nur einen Moment zu irritieren schien, dann aber nickte er. „Verzeih, ich denke gerade an all diese Probleme und nehme mir deswegen nicht die Zeit, die Du eigentlich benötigst, aber ich denke, Du wirst es sicher verstehen, gerade im Licht der letzten Enthüllungen in unserer Familie. Ich möchte also gerne erst eine Antwort fertigen wollen, bevor ich zu unserem letzten Gespräch zurück kommen und daran anschließen würde. Dieser Neunfinger schient ja zu glauben, es gäbe noch etwas zu tun auf der Helburg.” Er nickte seinem Gespächspartner noch einmal zu, prüfte, ob die Ketten noch immer verankert, alle Schlösser fest verschlossen und der Knebel nicht zu locker befestigt war und verließ dann die Gruft seines Hauses, der eine neue innere Mauer zugeordnet worden war. Nur eine kleine Lücke noch, dann würde sie fertig sein und das letzte Kapitel dieser traurigen Geschichte wäre beendet.

Auf dem Weg zurück ins Licht des Tages sann der Gallsteiner über das Geschehen in Höllenwall nach. Es hatte schon Gerüchte gegeben, aber dieser Brief war nun eine klare Botschaft. Es stimmte also. Malepartus hatte alles geopfert für seinen Gott. Warum? Diese eine Frage quälte den Gallsteiner.

Niemand opferte sich und seine gesamte Famile, ohne einen Grund dafür zu haben. Man opferte etwas, erntete damit Aufmerksamkeit von der betreffenden Entität und bekam etwas zurück. Kosten und Nutzen. Faktoren, die mindestens im Gleichklang stehen sollten, um einen Sinnn zu ergeben.

Man glaubte an Götter, folgte deren Weg und opferte ihnen gern und viel, dafür erntete man ein erfülltes Leben nach dem Tode. Kosten und Nutzen Faktoren, die sich ergänzten. Paktierer opferten ihre Seele und die Seelen anderer Menschen und dann konnten sie auf eine Auferstehung als Sklave im Gefolge ihres Dämonenherrren hoffen, nach endlosen Qualen, die sie durchleiden mussten. Jedenfalls hatte man dies so in der Praiostagsschule gelernt.. Kosten also sehr hoch und der Nutzen war nicht zu erkennen. Deswegen war ein solcher Weg für den Gallsteiner nie zu gehen gewesen. Er glaubte an Firun und auch an dessen göttlichen Geschwister und natürlich war ihm auch bewusst, dass er nicht immer getreu deren Regeln gelebt hatte, aber er hoffte doch auf ein gewisses Verständnis. Nun ja, vielleicht stimmte es ja, dass die Hoffnung zu Letzt starb.

Er seufzte kurz, was eine Magd aus ihren Gedanken riss, die rechtzeitig erkannte, wer da direkt auf sie zusteuerte und sich dann schnell aus dem Weg ihres Herren brachte. Der Gallsteiner hatte sie nicht einmal bemerkt, so tief war er in seine Gedankengänge versunken.

Malepartus also opferte sich, seine Familie und alles, was er aufgebaut hatte und was genau sollte der Nutzen dieser Opferung sein?

Schon immer war Malepartus ein Mensch gewesen, der genau darauf achtete, was er tat. Alles sollte einen Nutzen bringen und jetzt also hatte er seine Maske fallen gelassen, die er all die Jahre getragen und mit großer Mühe aufrecht erhalten hatte, dazu brachte er ein gewaltiges Blutopfer, welches ihn gleich mit beinhaltete und wofür all dies?

Der Gallsteiner blieb stehen, erst jetzt bemerkte er wohin seine ganzen Grüblereien ihn geführt hatten. Es war ein kleiner, ruhiger Platz hier in Mor´Tres. Schatten spendete eine Esskastanie, die sich den Gegebenheiten hier gut angepasst und ihre Äste breit gefächert hatte. Sie hatte ihren Platz nahe der Burgmauer für sich eingenommen und genau dort an der Mauer fand sich nun auch ein Epitaph.

Darauf zu sehen ein Mann in seinen besten Jahren, der sinnierend auf ein gebrochenes Rad schaute. Am Rande waren Name und Lebensdaten in den Stein eingebracht worden und über allem stand eine einfache Inschrift, die an das Vergehen erinnerte. Et mortuus est? Et mortuus est!

“Alter Freund. Nicht nur Du hast all die Jahre Geheimnisse mit Dir getragen und verborgen gehalten. Ein paar kannte ich, ein paar waren neu für mich und sogar ich hatte noch Neues zu bieten für Dich. Ich hoffe Du wirst ein gutes Wort einlegen für mich, denn ich bin sicher Du hast Dein Ziel erreicht und bist geborgen im Heim der gütigen Herrin angekommen und darfst nun ruhen am Feuer dort. Gerne würde ich hören, was Du zu sagen hättest.

Malepartus, der Baron von Höllenwall, ein Anhänger des Namenlosen. Er soll alles geopfert haben und nun bittet sein Hauptmann, ein Korgeweihter, um Hilfe. Ich sage Dir was ich sicher nicht zu tun gedenke. Einem Geweihten zu helfen, der direkt Malepartus diente, direkt an seiner Seite. Wer sollte denn sonst namenlose Umtriebe erkennen können, wenn nicht ein Geweihter? Also ist dieser Kerl entweder dumm, oder naiv, oder gottverlassen. Was auch immer davon für ihn gelten mag, er hat sein Schicksal gewählt und muss damit auskommen.

Mich interessiert die Helburg nicht und auch nicht was Grafen, Kirchenleut oder andere denken mögen. Sie rufen einen zum Krieg, sie rufen einen zum Zahltag, egal ob Kaiser oder Gott. Am Ende spielen wir nicht wirklich selbst. Gestern fochten wir gegen Orks, heute gegen unseren Nachbarn und morgen wieder aus einen anderen Grund. Eslamsgrund ist mal wieder in Unruhe verfallen, es ist wieder einmal Zeit zum Schlachten. Alte Häuser führen Anhänger ins Feld nur weil sie glauben, dass ihre Ehre wichtig genug sei um über alle erhaben zu sein. Ehre kann man nicht mit Blut erkaufen. Ich weiß dies.” Er seufzte, drehte sich weg von dem Ort der Ruhe und trat wieder ein in die Welt des Jetzt.

Die Antwort an Neunfinger war unnötig.

Es würde keine Hilfe aus Gallstein kommen.

Es gab noch etwas zu erledigen und Malepartus hatte den Zeithorizont nur ein wenig enger werden lassen.