Geschichten:Glaubenskrise(n) - Von Überleben und Neubeginn

Aus GaretienWiki
Version vom 25. September 2017, 11:18 Uhr von BB (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Burg Stammburg und Kaiserlich Gerbenwald, im Hesinde 1040 BF


Brinian von Schurr war wenig begeistert von der neuen Reichsvögtin von Gerbenwald, die dem schon nach kurzer Zeit unglücklich zu Tode gekommenen, aber umgänglichen Streitziger gefolgt war. Er hatte ihr natürlich, wie alle Vasallen Gerbenwalds, die Aufwartung gemacht als sie das Amt übernahm. Und sie hatte von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht was sie von ihm, seiner Familie und den Nebachoten hielt. Unverhohlen hatte sie ihm kaum eines Blickes gewürdigt und seinen Eid zu einer Formalie verkommen lassen. Klare Ablehnung hatte sie ihn spüren lassen wie niemand anderen dort, eine Schmach vor den anderen Vasallen.

Frustiert und voller Zorn saß er nun auf seinem Pferd, daß nur sehr langsam den stetigen Anstieg voran kam, neben ihm seine wenigen Getreuen. „…Ach was, die neuä Raichsvögtin ist uns alläs andere als szugetan. Ihren ersten Handlungen zu Folge könnt sie gar aine zwaitä Gnitzen‘kuhlerin werdän. Sie wird uns hier an där kurzän Laine halten und uns am langän Arm vär’hungern lassän.“, belehrte er die seinigen aufs Neue. „Äs gibt nur einen der uns helfän kann unseren Pfad wieder zu findän, wir sollten ihn aufsuchen.“ „Aber main Wohl’gäboren, är hat sich nach sainen letzten fragwurdigän Auf‘tritten zurückgezogän, soll nun irgändwo tief in dän morastigän Tälern däs Hügällandes lebän.“ Brinian warf seinem Gegenüber für diese Belehrung einen tadelnden Blick zu. „Där alte Mann wird schon redän, är redät immer. Wir müssen ihn findän. Är ist uns Antwortän schuldig.“

Daraufhin entsandte Brinian einige seiner Leute noch von Ort und Stelle aus um nach dem Alten zu suchen.

Trenner Perricum.svg

Das sollte es sein? Der Al’Haresh hatte ja schon immer in äußerst bescheidenen Verhältnissen gelebt, aber dies hier war mehr als nur erbärmlich.
In mitten eines der vielen versteckten Hügeltälern, wo es oft abregnete und der lehmige Boden das Wasser gierig in sich aufnahm und mit ihm schlammigen Morast zeugte, fand man dieses kleine sumpfige Wäldchen vor, in dem man teilweise knietief im braunen Wasser oder naßen Schlamm stand über dem der Nebel stand. Auf einem kleinen, halbwegs trockenen Hügel zwischen dieser Einöde. Stand ein kleiner, zusammengezimmerter Unterstand vor einem schmalen Höhleneingang, nur einige recht magere Ziegen liefen dort noch umher.

Als Brinian, der seine Gefolgsleute draußen stehen lassen hatte, in die kleine und enge Höhle eintrat schaute sich der Al’Haresh nichtmal zu ihm um. Stattdessen starrte er in den kleinen Topf über dem spärlichen Feuer und streichelte ein sehr kleines Zicklein.

„Ich hab‘ dich ärwartet.“, murmelte er leise und schwach vor sich hin.
„Tatsächlich?“, antwortete Brinian überrascht.
„Nain, nicht wirklich. Abär äs ist ainär mainär liebstän Witzä, Brinian. Das hat schon ganz anderä stutzän lassen als dich.“, der alte Mann drehte sich zu ihm um, Brinian erschrak, der Al’Haresh war alt geworden, aber grinste bübisch wie ein junger Mann. <br „Du hast ätwas andäres er’wartet. Etwas von däm altän Glanz. Ihr habt mir wiedär nicht szugähört. Ach, mainä Kindär, sie hörän nie szu. Gleich wie viel man redät, dän ich redä ja immär, nicht wahr?“, wieder ein sanftes, wissendes? Lächeln, „Aber hilf einäm alten Mann doch ain’wänig.“ Der Al’Haresh hielt ihm die schmalen, altersfelckigen und zittrigen Hände hin und Brinian tat wie es brauch war und wusch sie, ebenso wie das Gesicht und die Füße, eine Geste der Ehrerbietung. Dann tat er dem Alten und sich selbst von der dünnen Suppe auf, bevor der Al’Haresh wieder begann.

„Du kamst, Brinian, däm alten Glanz wägen, aus Selbstmitlaid, dain Los trifft dich schwär. Du willst ainän Pfad där dich zurück in vergangäne Tage führt. Morganabad stand allän offän als Simold von Gol’gari gerufen wurdä, diesär Ruf sainär Schwingen kündetä auch von ainär neuän Zait.“, betroffen schaute der Alte den Schurrer an.

Der etwas genervt zurückgab: „Ich waiß was Ihr damals verkundetet, Allweiser. Doch äs ver’stand niemand.“
„Wail ihr äs nicht gewillt seid zu vär’stehen. Unsär Volk hängt schon seit zu langer Zait fest, an sainer Schande, ainä Schande die nicht szu tilgän ist.“

„Aber äs ist unsär Wesen, Weisester, wie konnt Ihr nur behauptän…“

„Ich behauptä nicht, ich weiß. Däshalb bin där Al’Haresh, weisst du noch? Ist dir die Wiedär’holung där Schandä nicht Grund gänug?“, der alte Mann wirkte wie ein mitleidig-zorniger Großvater und schüttelte das eingefallene Haupt, während er sich den zerschlissenen, grauen Überwurft glatt strich.

„Und was soll där Ausweg sain? Aufgäben wie där Fir’Enock? Sich anbiedärn wie Martok, unser größtär Ammayin, ha, ain Scherz.“, Brinian bockte und wurde unwillig und zornig.

„Brüll nur, Brinian, wie wir äs immär tatän die lätztän zweitausänd Gottärlaufe. Wie äs dainä Familiä tat zulätzt und värlor. Mag sain dass där Pfad Martoks und Selos nicht där dainä ist. Abär sie bringän dän Mut auf dän ihrän zu be’gehen. Du zaudärst und dain Zaudärn lässt die Mauern ain waitäres Mal ainsturzän und die Ammayin an där Furt ärsaufän, lässt dän Erzfrevlär an IHR ain waiteres Mal Schande bringen. Ain waiteres Mal in ainär äonenendlosen Folgä. So langä du haderst und zogerst und auf däm immär glaichen Pfad auf und abläufst. Bis är zu ainer Kuhle gewordän ist, aus där du nicht mähr ent’rinnän kannst und dort dain Ende findest. Wage den Schritt solange du där Kuhle noch entrinnän kannst, sie ist schon tief gä’nug.“, ehrliche Sorge stand auf des Alten Gesicht.

Brinian schluckte, der Al’Haresh schien wirklich nicht mehr an die Vergangenheit zu glauben. Was mochte ihn dazu bewegt haben? Er hatte es schon lange angekündigt, vor Eslam, vor dem Geschwisterkrieg, vor Haffax, vor der Schande und dem Einsturz.

„Doch selbst wänn ich dän Schritt wage, Weisestär, welchä Wege gibt äs und welchär ist där maine? Ich fuhle unbekanntä Furcht bai däm Gedanken.“

„Dän du…wir allä, die Nebachosya sind nun in ain nächstäs Lebän über’gegangen. Dän erstän Schrei gerad gätan und hilflos wie där Säugling där wir sind, där bald nun sainän erstän Schritt machän muß um sich ärnait zu be’waisen dass är an sainän Stärkän und Fehlärn vergangäner Zaiten gewachsen ist. So sind äs där Wege viele und sie wärden sich immär wieder gabäln und verzwaigen. Das ist die Prüfung, dänn wir werden diesen Weg nicht länger ge’mainsam beschreitän. Vielä neuä Wege bedeutän viele verschiedene Wanderer, mein Sohn. Und dainen wirst du dort draußen findän, die Welt wird sie dir weis…“, der alte Mann mit dem mittlerweile etwas zu groß geratenen Turban hatte sich langsam in den Schlaf geredet, seine letzten Worte waren kaum noch verständlich gewesen und wie er dort so halbliegend saß wirkte er ganz klein.

Als Brinian ihn wecken wollte, winkte er nur schwach ab und flüsterte murmelnd „…Ich bin nun müdä, Brinian…geh und findä was du suchst.“

Also ließ Brinian ab von dem alten Weisen und betrachtete noch lange seinen sanften Schlaf, wäre er der nächste der gehen würde? Eine weitere Frage. Doch Fragen brachten ihn nicht weiter. Der Al’Haresh hatte wahr gesprochen er brauchte endlich Antworten, nein, er musste Antworten geben. Die Welt würde nicht auf ihn warten.

Er erhob sich und wandte sich dem Höhleneingang zu, keinen Blick mehr zurück werfend. Vor dem Eingang schien die Sonne in dicken Säulen zwischen den kargen Bäumen hindurch und noch mehr Nebel stieg auf und tauchte die Gegend in ein lichtes Wabern. Seine Leute erwarteten ihn, als er einen Schritt machte, sein Säbel zog und es in den Boden rammte.
Er wollte eine Ansprache halten, fand aber in dem Moment keine Worte. Doch eine schillernde Eidechse näherte sich seinem Säbel, kletterte an ihm empor um kurz am Heft der Klinge zu verweilen wo der Schakal der Schurrs ruhte. Dann kletterte sie wieder herab und verschwand geschwind wieder zwischen Gräsern. Brinian ließ die Ansprache sein und zog sein Säbel wieder hervor. Dabei brach die Spitze der Klinge ab.