Geschichten:Fünf Köpfe für Totentanz - Schwer verdaulich

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Reichsstadt Hartsteen, 10. Tsa 1040 BF

Xerber Zandor stöhnte auf – vor Schmerzen; doch zugleich machte sich ein Gefühl des Triumphes in ihm breit, zusammen mit der im wahrsten Sinne des Wortes lang vermissten Erleichterung. Endlich! Er merkte, wie die Anspannung und das Zittern in seinen Händen nachließen, als er nach der bereitliegenden alten Ausgabe des aventurischen Boten griff. Eine halbe Ewigkeit hatte er diesen Abend schon über dem Nachtgeschirr zugebracht, in der Hoffnung, seinen vollen Darm zu entleeren. Wie so oft in letzter Zeit war es eine rechte Qual gewesen. Nicht mal die tägliche Dosis an Leinsamen, die er aus diesem Grund gewöhnlich zu sich nahm, wollte recht helfen. Sein Stuhl war knochenhart und ließ seinen Hintern jedes Mal geschunden zurück, so dass er am nächsten Tag kaum mehr richtig sitzen konnte. Schlimmer waren nur die Krämpfe, die ihn plagten, wenn sich wieder so viel Unrat in ihm angesammelt hatte, dass er meinte, schier zu platzen. Im flackernden Schein der Kerze richtete er sich auf und besah sich das Ergebnis seines nächtlichen Ringens, dessen penetranter Geruch ihm nun drängend in die Nase stieg. Beides gefiel dem Alten gar nicht. Das Problem war, dass er weder dem Siechenherr Iber Eckelsfelder noch einem der anderen Quacksalber und Bader in der Stadt traute, und sich lieber von keinem von denen behandeln lassen wollte. Eine baldige Fahrt nach Gareth also – auch wenn dieser Gedanke Xerber ebenso wenig behagte. Er verschloss das stinkende Gefäß und schlurfte gen Bett.

Kaum hatte er die Kerze ausgeblasen und den nahezu kahlen Kopf ins Kissen sinken lassen, riss jemand die Türe auf.

„Vater, wach auf!“

Verärgert fuhr der Greis hoch und erblickte seinen missratenen Sohn Rodalf, der im Licht einer Lampe im Türrahmen stand: „Was soll dieser Lärm zu so später Stunde, Junge? Steht etwa die Stadt in Flammen oder der Ork vor dem Tor? Ich hoffe, du hast gute Gründe deinen alten Vater seines verdienten Nachtschlafs zu berauben!“

Der solchermaßen Gescholtene zuckte angesichts der Schärfe in der Stimme Xerbers zusammen und stammelte: „Die Geburtstagsfeier... der Tanz... die hohen Herrschaften....Gift...schrecklich!“

„Was?!“, der Ratsherr schluckte schwer, „Bist du sicher?“

Sein Sohn nickte: „Der Ratsbote brachte die gerade die Kunde.“

„Ich muss sofort los. Hol mir meine Sachen!“, bellte der Alte.

Als Xerber Zandor kurze Zeit darauf mit wehendem offenen Mantel und ohne Hut sein Haus verließ, wäre er beinahe mit dem Meister Goldacker zusammengestoßen, der just vorbeihastete. Zwischen zusammengepressten Lippen entfuhr dem Kammerherrn nur: „Eine Katastrophe!“, als er seinen Magistratskollegen erkannte. Gemeinsam eilten sie weiter dem Stadthaus der Familie Hartsteen entgegen, während das Alarmhorn des Nachtwächters durch die Dunkelheit tönte.