Geschichten:Frühlingssturm - Mirl versteht die Welt nicht mehr, Connar umso mehr

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Fassungslos hatte Mirl den ersten Zusammenstoss der jungen Streiter beobachtet, hatte voll Unglauben mit ansehen müssen, wie die Lanze des Weideners Crevans Hals gefährlich nahe kam und der Stoß Crevans den Weidener ungewohnt heftig traf, ihn absitzen ließ und auf die Bande stürzen, bevor er endlich zu Boden ging. Was in aller Götter Namen fiel diesen elenden Hitzköpfen bloß ein, ihre Gesundheit bei einem solch eitlen Zeitvertrieb wie der Turney derart leichtfertig aufs Spiel zu setzen? Unwillig schüttelte sie den Kopf, brummte ein leises "Uffschepper" vor sich hin und konzentrierte sich dann wieder ganz auf das Geschehen in der Tjostbahn.

Der Gedanke, dass hinter dem forschen Auftreten der beiden möglicherweise mehr steckte als nur ein Überschuss männlichen Geltungsbedürfnisses, kam ihr erst einen Moment später – in dem Augenblick nämlich, als ihre Erleichterung ob der Tatsache, dass es nun wenigstens keinen schweren Sturz mehr geben konnte, unter den mit übermäßiger Härte geführten Hieben der Ritter einen leisen Tod starb. Das gab es doch gar nicht! So wie sie kämpften konnte man den Eindruck gewinnen, dass beide der Meinung waren, dies würde ihr letzter Auftritt für den Tag werden. Sollte sich bisher tatsächlich niemand gefunden haben, der ihnen das Procedere in ausreichender Klarheit dargelegt hatte?

"Hum!" Die junge Mees-Mersingen schreckte unversehens aus ihren wenig erfreulichen Gedankengängen, als ihr Vater neben ihr auftauchte. Mochte sein, dass er schon länger da stand, und dass sie ihn wegen ihrer absoluten Fixierung auf das Kampfgeschehen bloß nicht bemerkt hatte. Das leise Schnaufen aber, das er nun ausstieß, ließ sie überrascht zusammenfahren. "Bekommt der Junge bei euch auf Rapphaardt eigentlich nicht genug zu tun? Oder wo kommen diese ganzen überschüssigen Energien her?"

Alldieweil sie tapfer gegen ihr peinlich berührtes Erröten ankämpfte, räusperte Mirl sich leise und schüttelte dann energisch den Kopf. "Nein, das kann man wahrlich nicht behaupten. Er hat genug zu tun und ich kann mir so wenig wie Du erklären, welcher Dämon ihn da reitet. Vielleicht solltest Du ihn zum gegebenen Anlass mal darüber aufklären, dass die richtige Einschätzung und Einteilung der eigenen Kräfte ein vitaler Besatndt..." "Ja hossa!", Mirl folgte dem begeisterten Blick ihres Vaters, bekam aber nicht viel mehr als einige ungelenke Seitwärtsschritte des schwer getroffenen Weideners zu sehen, "Na, wenn das nicht ein formidabler Treffer gewesen ist. Mein guter Junge ... den da hat er von mir gelernt!"

Kommentarlos fügte Mirl sich in die ernüchternde Erkenntnis, dass ihr Vater diesen Kampf nicht mit den gleichen Augen sah wie sie – und dass es sie kaum voranbringen würde, sich bei ihm über die Unvernunft von Crevans Handeln zu beschweren. Schweigend verfolgte sie den weiteren Verlauf des Kampfes, der von kleinen Gemeinheiten beider Gegner ebenso gespickt war wie von waghalsigen Aktionen, von denen jede einzelne sie Jahre ihres Lebens kostete. Als Crevan schließlich von einem brachialen Hieb Lanzelunds zu Fall gebracht wurde, fühlte sie zwar im ersten Moment mit dem Schwertsohn ihres Vaters, war dann aber durchaus erleichtert darüber, dass das Kräftemessen sein Ende gefunden hatte.

Leise seufzend löste sie ihre Finger von der hölzernen Bande, in die sie sie ob ihrer Anspannung viel zu tief hinein gegraben hatte und verfolgte dann – abermals völlig fassungslos – die Verbrüderung der eben noch so erbittert kämpfenden Kontrahenten. Konnte es denn wirklich sein? Das heitere Lachen und die strahlenden Augen ihres Vaters waren ihr genug der Antwort. Ja, es konnte sein. Hierbei musste es sich wieder einmal um eines dieser Männlichkeitsrituale handeln, die sie weder nachvollziehen konnte noch wollte.

"Sind doch wahre Prachtkerle die beiden, nicht wahr?", das freundschaftliche Schulterklopfen ihres Vaters, das sie fast vornüber geworfen hätte, nahm Mirl mit stoischer Ruhe und schüttelte dann schweigend den Kopf, um ihm zu bedeuten, dass sie seine Meinung nicht teilte, "So lob ich mir die Jugend von heute. Ist doch noch nicht alles verloren. Ein paar mehr Burschen von dem Format und ... na, ich geh jetzt hin und gratuliere meinem Schwertsohn. Willst Du mich nicht begleiten, Mirl?" "Nein, geh Du nur schon vor, ich komme gleich nach!"

Während ihr Vater sich eilends entfernte, gab Mirl der seltsam ungewohnten Taubheit in ihren Gliedern nach und stützte sich schwer auf die hölzerne Bande. Mochte sein, dass Connar diesen Kampf in vollen Zügen genossen hatte, für sie aber warf er Fragen auf, denen sie sich lieber nicht gestellt hätte. Sie konnte sich von dem Gefühl nicht frei machen, dass dort in der Tjostbahn gerade etwas fürchterlich schief gelaufen war ... und dass sie sich selbst wohl eine Teilschuld daran geben musste.



 20px|link=[[Kategorie:|Mirl versteht die Welt nicht mehr, Connar umso mehr]]
Texte der Hauptreihe:
5. Ing 1030 BF zur mittäglichen Praiosstunde
Mirl versteht die Welt nicht mehr, Connar umso mehr
Das Viertelfinale - Wenn Wut im Spiel ist


Kapitel 54

Dankwart stürzt zum Dritten Mal (gegen Connar diesmal)
Autor: Nics-e