Geschichten:Frühlingssturm - In vollem Licht der Sonne

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„Ich sage dir, er ist mit den Dämonen im Bunde! Warum sonst sollte er wohl das Licht des Herrn scheuen und mitten in der Nacht ankommen!?“ Mit einem Blick, der drohte, ein Loch in die am Fundament noch immer geschwärzten Steine des Bergfriedes zu brennen, starrte der schlaksige Mann in schlichtweißem Überwurf auf die Stelle, an der noch vor Sonnenaufgang der Baron von Aschenfeld seinen Wein getrunken hatte. „Ich kann mir schon denken, warum er sich an diese Stelle gesetzt hat. Dort haben diese verfluchten Mauern der Reinigung durch Hochwürden Custodias noch eine Spur widerstanden. Er wird sich an anderem Ort nicht wohlgefühlt haben. Es ist doch bekannt, dass Dämonengezücht dem Wirken des Herrn nicht wiederstehen kann! Man sollte diesem Kerl den Prozess machen, sag ich dir!“

Einige schnelle Schritte humpelte er auf diese Stelle zu, ballte die Faust und knirschte mit den Zähnen. „Praiosin, schweig stille. Du redest von einem ordentlich belehntem Baron des Reiches vom Greifenthron! Was maßt du dir an? Wenn ihre Gnaden Galana das hört...“ Die muskulöse Frau in seiner Begleitung konnte nicht umhin, ihn anzufahren. Ihr Bruder in Praios war ein eifriger Mann, aber manchmal zu eifrig, sogar für einen wahrhaft Gläubigen. Manessa ging die zwei Schritte hinüber zu Praiosin und legte ihre schwielige Pranke auf die Schulter des Jüngeren Ordensmannes ab. Der schüttelte diese unwillig ab. „Selbst wenn, ein Verräter bleibt er! Erinnere dich an den Sommer vor vier Jahren! Du warst doch auch dabei!“

Manessa Grindlers Gesicht umwölkte sich in stillem Zorn. „Ja, ich erinnere mich. Die Strafe Praios' wird sie ereilen, aber nicht durch deine anmaßende Hand. Bruder Burcanon wird es auf dem Turnierfeld richten und der Herr in der Geschichte. Und wenn er unserer Hilfe bedarf, so bleibt es dennoch nicht deine Aufgabe, das zu entscheiden, sondern die des Erwählten und des Kapitels. Hier vielleicht noch die ihrer Gnaden. Nicht deine. Nicht meine.“ Wütend wandte sie sich ab und marschierte den um den Bergfried gewundenen Hof hinauf zum inneren Tor, hinter dem die Wohngebäude der Burg lagen. Wütend starrte Praiosin ihr nach, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dann eilte der schlaksige junge Mann sich, zu ihr aufzuschließen, ein Bein, heute das Linke, wie stets nachziehend. Vielleicht hatte er den Dornengurt heute doch etwas stramm gezogen. Doch nein, der Götterfürst liebt die, die sich prüfen! Und irgendwann würde auch der Tag seines treuen Dieners kommen.

Die kleine Kapelle war gut geheizt. Obwohl Praios Strahlen immer noch schwach durch die dichte Wolkendecke drangen, selbst jetzt zum Mittag hin, und es in dem Raum eh kein echtes Fenster gab, war die Kapelle im Fuß des Bergfriedes taghell erleuchtet von Dutzenden Kerzen aus weißem Wachs, die hier als ewiges Licht gegen die Dunkelheit brannten, die weiter unten noch immer lauerte. Im flackernden Licht leuchtete das Bildnis des heiligen Gilborn und die kalkweiße Greifenstatue auf dem Altar schien leicht mit den Flügeln zu wippen, als bereite sie sich darauf vor, die wenigen Versammelten mit ihren Schwingen behütend zu umschließen.

Praiosin kniete ehrfürchtig in der zweiten Reihe und schalt sich insgeheim einen lästerlichen Weichling, weil er wieder den Dornengurt etwas gelockert hatte, bevor er sich in die Kapelle begab. Doch wurde sein flackernder Eifer wieder verstärkt, als er der Predigt der Lichtbringerin lauschte. Ihre Gnaden Galana schaffte es immer wieder, ihn auf den rechten Weg zurückzubringen. Trotzig drückte er mit der Wade gegen das Band aus Metallgliedern, dass sich unter seinen schlichten Gewändern verbarg. Der schmerzvolle Protest seines schwachen, verdorbenen Leibes ließ nicht lange auf sich warten.

Aber Praiosin ignorierte den Schmerz und sah weiter nach vorne, wo Galana Gilbera von Auraleth gerade den Segen des Herrn auf Bruder Burcanon herabrief. Der Krieger kniete in vollem Harnisch, blankpoliert und an den Kanten mit Blattgold belegt. Darüber ein sauberer, weißer Wappenrock mit goldenem Saum. Das Gewand verbarg die meisten der Schrammen und Dellen, die die Rüstung schon angenommen hatte in den letzten Jahren. Ja, Bruder Burcanon war ein echter Streiter des Götterfürsten, ein Krieger des Lichtes, der sich morgen beweisen würde. Die Diener der Löwengöttin hatten ein großes Aufgebot gesammelt, aber Bruder Burcanon würde sich durchsetzen, da war sich Praiosin sicher.

Ach, wie schön wäre es doch, wenn auch er endlich für würdig befunden würde, solch einen Panzer zu tragen und in die Schlacht zu reiten gegen die Finsternis. Doch halt! Das waren lästerliche Gedanken. Sein Platz war ihm bestimmt und es stand ihm nicht an, nach mehr zu gieren. Praiosin beschloss, sich nachher in seiner Kammer für diese Anmaßung zu geißeln. Sein Frevel musste gesühnt werden.



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Texte der Hauptreihe:
4. Ing 1030 BF
In vollem Licht der Sonne
Letzte Erörterung der Lage


Kapitel 14

Nachmittag - Wallbrords Ankunft
Autor:?