Geschichten:Frühlingssturm - Das Finale

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Nun denn, es war vollbracht, er war im Finale. Er hatte gehofft so weit zu kommen und ein Teil seiner Selbst hatte es auch erwartet – und dennoch konnte Lanzelund die Aufregung, die nun von ihm Besitz ergriff, nicht leugnen. Das Ziel unmittelbar vor Augen, widmete er sich seinen Vorbereitungen mit großer Sorgfalt.

Er lenkte Graf Mondfeuer zu den Schranken und wurde des Berges aus Mann und Pferd am anderen Ende gewahr. Ein würdiger Gegner, ein erfahrener Kämpfer, ein Ritter alten Schlages. Lanzelund grüßte zunächst seinen Kontrahenten, dann die Würdenträger und fasste die weiß-grün-blau gestreifte Lanze, die ihm sein Knappe reichte, mit festem, zu allem entschlossenen Griff.

Als sein Gegner endlich in die Schranken ritt, eroberte ein feines Lächeln die Züge Connars von Mees-Mersingen. Er nickte dem jungen Heißsporn grüßend zu, klopfte seinem Koloss von einem Pferd dann mit vertrauter Geste den Hals und beugte sich vor, um ihm ein verschwörerisches “Jetzt gilt’s, alter Junge!”, zuzuraunen, “Das ist der letzte Lanzengang, den wir beide jemals auf einer Turney bestreiten werden.” Hernach richtete er sich wieder auf – leise lachend ob eines vermeintlich missbilligenden Schnaubens seines Rosses – und wandte sich dem Publikum zu, das Haupt in Richtung der Ehrengäste neigend. Aldron bedeutete der betagte Recke mit einer knappen Geste, dass er ihre Abmachung nicht vergessen hatte. Dann setzte er seinen Helm auf, ließ sich von Malvidia die grün-weiß gestreifte Lanze reichen und ritt hinüber zu seiner Ausgangsposition.

Augenblicke später sprangen die beiden mächtigen Rösser bereits mit großen Schritten voran. Einen Moment lang wunderte Connar sich noch über Candrils überschäumende Energie und darüber wie schnell sein Gegner sich näherte. Es wunderte ihn allerdings nicht, dass der Weidener einmal mehr in äußerst aggressiver Manier anritt – er war jung und strebte danach Ruhm an seinen Schild zu heften, wer konnte es ihm verdenken? Dann aber senkte er seine Lanze in aller Seelenruhe, richtete sie aus und erfreute sich an der unglaublichen Leichtigkeit, mit der diese Bewegungsabläufe ihm von der Hand gingen. Wie von selbst sprang die Waffe in die Position, die er wünschte, wankte nicht und schwankte nicht, sondern zielte direkt auf die winzige Lücke in der Deckung Lanzelunds, die er eben ausgemacht hatte ...

... und schon war der junge Ritter vorbei. Connar spürte, wie die Kraft eines gewaltigen Stoßes ihn zurückriss, er hörte das Splittern der Lanzen und sah wie ein Regen aus grünen und weißen Holzteilchen sich über den Boden ergoss. Ein guter Stoß des Weideners ... er schüttelte seine alten Knochen ordentlich durch und kostete ihn beinahe augenblicklich den festen Sitz. Hastig reckte der Mees-Mersingen sich vor, um nach dem rettenden Sattelhorn zu greifen und drei, vier Galoppsprünge lang erbittert um Halt zu kämpfen. Schließlich obsiegte er, parierte seinen Wallach durch und ließ ihn am Ende der Bahn wenden.

Mit Verwunderung nahm er zur Kenntnis, dass auch Lanzelund von Weiden-Harlburg-Streitzig noch im Sattel saß und neigte anerkennend das Haupt – auch wenn das im Moment wohl niemand sehen konnte.

Die Sattelfestigkeit des Erben des Hauses Weiden-Harlburg wurde von gleich zwei brachialen Hieben geprüft. Da war zunächst der eigene Lanzenstoß, der aggressiv vorgetragen gut – um nicht zu sagen hervorragend – traf und darum hart in des jungen Ritters Schulter fuhr. Doch er hatte keine Zeit sich daran zu erfreuen, oder auch nur zu hoffen, dass sein Angriff ausreichend gewesen war, denn kaum einen Herzschlag später traf ihn der urgewaltige Stoß des Mees-Mersingen direkt unterhalb der linken Brust und der jäh aufbrandende Schmerz füllte sein ganzes Bewusststein.

Was Lanzelund in diesem Augenblick wie ein schier endloses Ringen erschien, in dem er seine Knie fast schon verzweifelt zusammenpresste, seine gepanzerten Hände die Sicherheit des Sattelhorns suchten und sein Rücken mit heißen Schmerzsalven gegen die rüde Behandlung protestierte, nahm sich von außen wie ein schwer zu verfolgendes, weil blitzschnell ablaufendes, Manöver aus. Der Weidener wurde vom Stoß des Svelltschen nach hinten geworfen. Doch da der Sitz des Jüngeren scheinbar stabil war, legte er sich nur unsanft über die hohe Lehne des Gestechsattels, sodass der Helmbusch die Hinterhand seines Rosses streifte. Diejenigen unter den Zuschauern, die selbst schon im Gesteck geritten waren, konnten erahnen, welche Schmerzen dies bedeuten musste und manch alter Recke stöhnte mitfühlend auf.

Doch Lanzelund blieb im Sattel. Schwankend schaffte er es schließlich wieder, sich in eine halbwegs aufrechte Position zu begeben und seinen Sitz umständlich zu korrigieren. Ihm war ein wenig schwindelig, mehrfach schüttelte er den Kopf, um seinen schwankenden Blick zu korrigieren und das Dröhnen in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Schließlich schaffte er es Graf Mondfeuer zu wenden und – noch immer leicht schwankend – die Bahn hinunter zu blicken.

Da stand er, dieser Berg von Mann auf einem Ross, das diese Bezeichnung nicht weniger verdiente. Kurz kramte Lanzelund in seiner Erinnerung nach, was Pagol von Löwenhaupt immer bezüglich großer und schwerer Gegner gesagt hatte. Doch das lästige Brummen in seinen Ohren raubte ihm den letzten Nerv und so winkte er ungeduldig nach einer neuen Lanze. “Dann eben zum Zweiten. Die Herrin Sturmesgleich führe meinen Arm”, nuschelte er undeutlich und signalisierte seine Bereitschaft.

Wieder konzentrierte sich der von einigen argwöhnisch beäugte Gernegroß aus Weiden ganz auf den Angriff, lehnte sich weit vor und folgte ganz der klassischen Weidener Schule. Doch diesmal senkte sich seine Lanze langsamer, unstetig gar. Zwar musste er nicht korrigieren, doch wenn man auf der anderen Seite der Bahn den alternden Recken anreiten sah, wusste man, dass Lanzelund von Weiden-Harlburg-Streitzig verloren hatte. Mit einer Leichtigkeit, die Länge und Gewicht der mächtigen Waffe Lügen strafte, senkte sich die grün-weiße Lanze des Mees-Mersingen genau den Tick schneller und präziser, der Perfektion von solider Kampfkunst unterschied.

Zum zweiten Mal in Folge demonstrierte Connar von Mees-Mersingen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehörte, und dass nicht allein Ruhe und Routine herangezogen werden konnten, wenn man seinen unangefährdeten Weg ins Finale nachvollziehen wollte. Das Krönlein seiner Lanze traf Lanzelund Augenblicke bevor dessen Lanze zwar ebenfalls traf, aber wirkungslos am Schild des Mees-Mersingen abglitt.

Dieses Mal gab es keine Rettung für den ehrgeizigen Jungspund aus dem Herzogtum. Zwei Galoppsprünge vermochte er sich noch zu halten oder vielmehr: so lange währte sein Fall. In einer Staubwolke und untermalt von lautem Klappern, Klirren und Scheppern fiel der Ritter zu Boden. Selbst sein Ross geriet etwas aus dem Tritt und streifte nach dem Verlust seines Reiters kurz die Bande, die daraufhin gefährlich ins Wanken geriet. Doch der Knappe des Weideners war sofort zur Stelle und bekam die Zügel des aufgeregten Talloper Riesen zu fassen und nach einigen ungelenken Sprüngen gelang es ihm auch, das imposante Ross zu bändigen.

Ein guter Treffer!

Connars Herz jubilierte, als seine Lanze zum zweiten Mal in Folge ihr Zielt traf – und zwar genau an der Stelle, die er anvisiert hatte, die Blöße des jungen Weideners gnadenlos ausnutzend. Fragte sich nur, ob es diesmal gereicht hatte. Nachdem Lanzelund seinen ersten Anritt gestanden hatte, schien es ihm nicht mehr ausgeschlossen, dass er sich auch diesmal im Sattel halten würde. Unglaublich genug, aber in diesem jungen Kerl schien tatsächlich mehr als bloß heiße Luft zu stecken. Der Kampf gegen Crevan hatte das bereits vermuten lassen, nach diesem Lanzengang aber hatte Connar den Beweis.

Mit ruhiger Hand parierte der betagte Recke sein Pferd durch, als er das Ende der Bahn erreichte und ließ es dann wenden. Ein kurzer Blick zurück bestätigte ihm, was er inbrünstig gehofft hatte: Der Tralloper Riese war seines Reiters verlustig gegangen und er – Connar von Mees-Mersingen – würde sein letztes Turnier mit einem Sieg im Tjost beschließen. Er bändigte seinen Drang die Rechte in einer unmissverständlichen Geste des Triumphes gen Himmel zu recken. Stattdessen ließ er seinen Blick zu dem gestürzten Weidener hinüber wandern, der noch immer weit davon entfernt war, sich aus dem Staub erheben zu können. Während er Candril auf seinen Kontrahenten zutrieb, um sich nach dessen Befinden zu erkundigen, sah der Mees-Mersingen wie Lanzelund mit der rechten Hand blind nach der neben ihm auf dem Boden liegenden Lanze tastete.

Dann war er auch schon heran und blickte mit leichter Besorgnis auf seinen geschlagenen Gegner hinab, derweil er das Visier seines Helmes öffnete. “Geht es Euch gut, Hochgeboren? Soll ich nach einem Heiler schicken oder reicht Euch die Assistenz eines Knappen?”

Es dauerte eine Weile, bis der Erbe der Hollerheide reagierte und seinen behelmten Kopf vage in Connars Richtung drehte. Gleichzeitig kam Bewegung in Lanzelunds Arme und Beine. “Aber nein, kein Heiler, mir geht’s gut”, drang es heiser und hohl aus den Untiefen des Helms. Stöhnend setzte er sich auf und schüttelte einmal mehr den Kopf. “Ihr habt da einen Bums, der ‘nem Oger alle Ehre machen würd’, Hoher Herr. Dunnerlittchen noch eins.” Damit wuchtete sich Lanzelund auf die Knie hoch und stützte sich hernach völlig selbstverständlich auf den Arm seines eilig hinzu gesprungenen Knappen. Die Rüstung quietschte durchdringend, als der Weidener sich endlich wieder auf die Füße erhob.

Schließlich wollte er das Visier öffnen, benötigte hierzu aber beide Hände. Allen Schmerzen zum Trotz blickte Connar jedoch in ein strahlendes Antlitz, als er endlich die Gelegenheit dazu bekam. “Ich hätt’ ja nun gern gewonnen hier, das kann ich Euch sagen. Aber gegen einen solchen Recken zu verlieren ist keine Schande nicht, im Gegenteil. So will ich auch der Erste sein, der Euch gratuliert, Connar von Mees-Mersingen, Sieger auf dem Arvepass.”

“Beim nächsten Mal dann, junger Mann”, meinte Connar mit einem generösen Lächeln, derweil er dem Weidener seine rechte Hand zum Kriegergruß entgegenstreckte, “Euer erster Turniersieg wird sicher nicht mehr lange auch sich warten lassen. Bis dahin fühlt Euch von mir auf ein Bier eingeladen. Für heute Abend dann, nach den Fußkämpfen, damit uns der Alkohol nicht zu Kopf steigt, solange wir den noch brauchen.”

“Wohl gesprochen, heute Abend dann.” Lanzelund nickte bestätigend und verbeugte sich in Richtung des Publikums, das freilich eher damit beschäftigt war, dem Sieger zuzujubeln.



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Texte der Hauptreihe:
5. Ing 1030 BF zur mittäglichen Traviastunde
Das Finale
Schlussendlich besiegt


Kapitel 61

Beobachter am Rand des Feldes
Autor:?