Geschichten:Flusswacht - Die Audienz bei der Seeschlange

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Audienzzimmer der Markgräflichen Administration, 17. Praios 1042 BF

Yanda konnte kaum still stehen. Ihre Audienz war für die Perainestunde angesetzt und noch immer war dieser zugezogene Von Rauleu dort drin. Sie hatte ihn bereits flüchtig bei einigen Zusammenkünften der Schiffsführer im Oktagon kennengelernt.
Die umgängliche Frau hatte wahrlich mit fast niemandem ein Problem, aber Siegred von Rauleu war ein unausstehlich hochnäsiger Kerl.

„Hält sich wohl für was Besseres“, schoss es ihr immer wieder durch den Kopf, als sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. „Was haben die da drin so lange zu bereden? Ich bin die Beste für den Posten. Seit seinem Eintritt in die Perlenmeerflotte, hat der doch kaum noch nennenswerte Erfolge gehabt.“

Nervös strich sich Yanda über ihren schweren blau-golden bestickten Kapitänsmantel. „Wenn Vater recht hat, muss ich mir doch gar keine Gedanken machen. Ist doch eh schon alles ausgemacht.“, dachte sie zynisch, als sie wieder einmal die, in der letzten Woche fast schon chronisch gewordenen, Bauchschmerzen durchzogen.

Endlich öffnete sich knarzend die schwere Holztür. Heraus trat ein Mann mittleren Alters mit dünnen schwarzen Haaren, der sich im Herausgehen seinen Hut wieder aufzog und der wartenden Frau höflich zunickte. Yanda hätte schwören können, dass etwas Hämisches in seinem Grinsen lag, als er ihr höflich viel Erfolg wünschte.

„Als nächstes spricht vor: Yanda von Gerben, stellvertretende Kommandantin der Sonderflottille Flußwacht“, kündigte sie ein blasierter Diener an.

Obwohl es bei weitem nicht das erste Mal war, dass sie den Seneschall - und schon gar nicht den Vizeadmiral - sah, lag, als sie eintrat, etwas Ungewohntes in ihren Blicken. Nach einer angemessenen höfischen und militärischen Begrüßung blieb sie etwa drei Schritt vom großen Schreibtisch entfernt stehen. Der alte, aber immer vor Selbstbewusstsein strotzende Zordan von Rabicum machte noch kurz einige Notizen auf ein ausgebreitetes frisches Pergament, bevor er die Feder wegsteckte und statt der gerade eingetretenen Frau einen Sitzplatz anzubieten, selbst aufstand und neben den Vizeadmiral trat.

„Es freut mich außerordentlich, dass Ihr es geschafft habt, heute hier zu erscheinen. Ich denke Ihr habt bereits mitbekommen worum es geht.", führte der Seneschall ein und gab dann das Wort an den Vizeadmiral.

"Es wird ein würdiger Nachfolger oder eine würdige Nachfolgerin für die ehrenwerte Erste markgräfliche Flusskapitänin Mira von Sandern gesucht.“

Der Seneschall trat, während von Zolipantessa sprach, einige Schritt um das Pult herum und betrachtete die, neben ihm zierlich wirkende, Kapitänin eingehend. Plötzlich wusste sie, was speziell in seinem Blick lag. Es war eine Forderung. Schnell wandte sich Yanda dem vertrauteren, schneidigen Seemann zu. Sie erkannte eine Chance ohne diese schmutzigen Tricks am Ende als Siegerin da zu stehen, wenn sie es nur schaffte den Vizeadmiral ausreichend von sich zu überzeugen.

„Ja, das weiß ich bereits, Vizeadmiral. Und ich bin die beste Besetzung für den Posten. Ich kannte - wie Ihr bestens wisst - die Kapitänin von Sandern, Boron hab sie selig, gut. Sie war immer voll Lob für meine Taten. Auch unter dem ehrenwerten Vizeadmiral Hakon von Sturmfels habe ich schon meinen Dienst getan. Ich bin in der Sonderflottille seit der ersten Stunde und..“
Abrupt unterbrach Zordan mit einer Handbewegung ihren Redefluss, was dem Vizeadmiral nur bedingt zu gefallen schien. Mit leichtem Kopfschütteln wandte sich der Seneschall dem Schreibtisch zu.
„Das wissen wir bereits. Es geht mir nicht darum was Ihr denkt, wer die Beste für den Posten ist. Die Aufgabe übernehmen wir schon selbst, danke.“, langsam drehte er seinen Kopf zum Vizeadmiral, dann wieder zu Yanda, „Was habt ihr geplant, wenn Ihr den Zuspruch von Markgraf und Admiralität auf den Posten - der fürderhin 'WächterIn vom Darpat' geheissen wird - bekommen würdet? Was ist eure Vision für die Flottille?
Und noch viel wichtiger: Welchen Einsatz für dieses Amt kann man von Euch und der Familie Gerben erwarten?"

Der lauernde Blick verschärfte sich, die Seeschlange war nicht umsonst das Wappentier der Rabicums, etwas Unausgesprochenes Stand im Raum. Dem Vizeadmiral selbst schien die bestimmende Art des Von Rabicums immer noch nicht zur Gänze zu gefallen, allerdings wirkte er trotzdem interessiert Antworten auf die in den Raum geworfenen Fragen zu bekommen. Einen kurzen Moment sammelte Yanda ihre Gedanken. So viel zu ihrem Plan. Sie wusste, dass das, was sie als nächstes sagte, darüber entscheidet, ob ihr Lebenstraum Wirklichkeit würde.

„Immer weniger Schmugglern konnte in der letzten Zeit das Handwerk gelegt werden. Wenn wir die Oberhand langfristig zurückgewinnen wollen, müssen wir unser Vorgehen neu strukturieren. Die Flusspiraten dürfen uns nicht mehr auf der Nase herumtanzen.“

„Das klingt ja schön und gut, aber wie wollt Ihr das bewerkstelligen.“ Die erste Frage, des Vizeadmirals klang auch im Tonfall nicht weniger kritisch als die des Seneschalls.

Yanda wusste, dass Phrasen dreschen nun nichts mehr helfen würde.

„Die Wolfsjäger liegt seit Ewigkeiten nur im Hafen. Die Offiziere und die Mannschaft wollen sich endlich beweisen. Ich kenne die Frauen und Männer besser als jede andere. Das letzte Hochseemanöver mit der Perlenmeerflotte ist auch schon zu lange her. Ich denke ein richtiges Gefecht würde der Sonderflottille gut tun.“, Von Zolipantessa schien die mutigen Worte der Kapitänin zu schätzen, „Außerdem ist der Standort in Wasserburg eingeschlafen. Da muss ein kompletter Richtungswechsel her, um die Reputation nicht noch weiter zu schädigen.“

Yanda wendete sich, nicht ohne eine Spur von Sarkasmus in der Stimme, vom schneidigen Seemann zum eleganten Politiker.

„Aber das alleine reicht natürlich noch nicht. Die teure Sonderflottille muss sich für die Markgrafschaft auch wieder lohnen.“

Der Seneschall blickte ruckartig auf. Anscheinend hatte er nicht mehr erwartet noch etwas für ihn Interessantes zu hören. Yanda wusste seinen Gesichtsausdruck nicht vollends zu deuten, ahnte aber, dass sie nun seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.

„Ich kann versichern, dass die Familie Gerben alles Mögliche tun wird, um die Markgrafschaft bei der Aufgabe, die Sonderflottille auf Vordermann zu bringen, unterstützen wird.“ Noch immer ließ sich der Seneschall nicht in die Karten blicken, während er, gemächlichen Schrittes, zu seinem Lehnstuhl ging. Auch der sonst aufrechte Vizeadmiral machte keine Anstalten der Kapitänin in dieser schwierigen Phase zur Hilfe beizuspringen.

„Das ist wohl die höhere Politik.“, dachte Yanda.

„Und wie sieht es mit der Treue zum Markgrafen und seinem rechtmäßigen Vertreter aus?“ Zordan wandte ihr und Fedor von Zolipantessa kurz das Gesicht zu, als er den Federkiel wieder zur Hand nahm.

„Wie Ihr sicherlich wisst, ist die Tradition der Familie Gerben schon immer stark mit der Reichsstadt und der Markgrafschaft verbunden. Und in meinem Fall bin ich auch gewillt diese Verpflichtung in einem Schwur festzulegen.“

Das Kratzen brach ab und der Seneschall blickte ihr mit einem Gesichtsausdruck direkt in die Augen, der ihr unwiderruflich klar machen sollte, was diese Aussage bedeutete.
Er winkte den Vizeadmiral zu sich, der kurz darauf in eine flüsternde Beratung mit dem Seneschall verwickelt wurde.
Die erfahrene Flusskapitänin, die ihre Selbstsicherheit, im Laufe des Gesprächs, wiedergewonnen hatte, spürte, wie sich die Schmerzen aus ihrer Körpermitte intensivierten.

„Kapitänin, begleitet mich kurz nach draußen.“, durchschnitt Von Zolipantessa die im Raum hängende Spannung. Mit einer schwungvollen Bewegung öffnete er ihr die Tür in den dunkel vertäfelten Gang.

„Von Rabicum braucht noch eine kurze Weile. Da dachte ich, wir könnten kurz über euren Vorschlag reden.“

„Meinen Vorschlag? Was genau meint ihr, Vizeadmiral?“, leicht verwundert straffte Yanda ihr Körperhaltung.

„Die Übung der Sonderflottille mit der Perlenmeerflotte. Ich finde das ist eine hervorragende Idee und eine gute Chance für Euch, die Stimme der Admiralität für die Kommandatur zu sichern.
Das letzte Manöver liegt schon zu lange zurück und ich werde den Vorschlag so bald wie möglich an Sanin weiterleiten. Ich denke wir machen das ganze an der Flussmündung zusammen mit dem Galeerengeschwader II und VI. Wenn alles glatt geht findet das Ganze etwa um den 25 Praios statt.“

„Der 25.? Das ist ja kaum mehr als eine Woche. Und das ganze mit mir als Kommandantin der Sonderflottille?“, aus weit aufgerissenen Augen starrte sie ihren Gegenüber an. Die Art des adretten Zopfträgers schien, seitdem sie beide auf dem Gang waren, wie ausgewechselt.

„Natürlich mit Euch als Kommandantin, oder ist jemand anders mittlerweile stellvertretende Flottillenkommandantin? Jetzt habt euch mal nicht so! So eingeschüchtert kenne ich Euch ja gar nicht. Ich weiß, dass ihr es könnt. Beim nächsten Treffen im Oktagon am Windstag erfahrt ihr dann ob und wann die Übung genau stattfindet.
Am besten habt ihr da auch schon einen detaillierten Plan für die Sonderflottille vorbereitet: Welche Schiffe dabei sein werden, die Kapitäne und Besatzungen, sowie das grobe taktische Vorgehen. Genaueres wird dann, wie immer, in der Befehlsausgabe besprochen. Also Arschbacken zusammenkneifen und an den Schreibtisch setzen, Kapitänin!“

„Ähm.. Ja-Jawohl, Herr Vizeadmiral!“, stotterte die völlig überrumpelte Befehlsempfängerin.

Während des letzten Satzes von Fedor hatte sich bereits die Tür zum Audienzzimmer langsam geöffnet. Heraus trat Zordan von Rabicum.

„Yanda von Gerben, ich werde Euch dem Markgrafen als Besetzung für den Posten empfehlen. Natürlich habe ich das aber nicht alleine zu entscheiden.“, mit einem strengen Blick zu Von Zolipantessa fuhr er fort, „Wenn ihr euch also auch noch die Stimme der Admiralität sichern könnt, sollte Eurem Einsatz als Wächterin vom Darpat nichts mehr im Wege stehen. Der Schwur wird, wie gehabt, am Tag der Einsetzung abgelegt werden.“

„Vielen Dank, Seneschall.“, erwiderte die Kapitänin, die nicht recht wusste wohin zuerst mit ihren Gedanken.

„Dankt mir nicht zu früh.“

Mit einem letzten lauernden Blick wandte sich der Edelmann ab verschwand wieder im Audienzzimmer.

„Herr Vizeadmiral, mein Plan für die nächsten Tage wurde soeben bedeuten voller. Kapitänin Von Gerben, melde mich ab.“, mit einem erwiderten militärischen Gruß und vollem Kopf eilte Yanda zur Tür.