Geschichten:Faust des Ostens Teil 3 - Zacken in Aufruhr I

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Perricum, Bergthann und Vellberg, Rondra und Efferd 1033 BF


Der Baron zu Vellberg war aufgebracht und auch durch seine Kastellan Olbert Ferlinger nicht zu beruhigen. "Das war jetzt schon der fünfte Überfall in den letzten zwei Monden!" grollte Wallbrord, "erst ein Köhler, dann diese Gruppe Prospektoren dann zwei Waldbauernhöfe und nun, quasi als Krönung des Ganzen, der Weiler Calenbach - mitten im Herzen Vellbergs und weitab der Berge! Und das sind nur die Fälle die zu mir vordringen! Diese Trollzacker werden langsam zu einer echten Bedrohung. Und in Bergthann sollen diese Wilden es dem Vernehmen nach noch toller treiben. Das Maß ist voll, wir müssen unbedingt was unternehmen, sonst steht das Pack morgen womöglich vor den Toren Mallvensteins." "Ihr habt recht, Hochgeboren", erwiderte Olbert, der den Baron kurz zuvor über den Angriff auf den Weiler in Kenntnis gesetzt hatte, ruhig "allein uns fehlen die Mittel. Und in Bergthann sieht es diesbezüglich auch nicht besser aus, wie mir der Verwalter des Lehens unlängst mitteilte. Stattdessen schlug er ein gemeinsames Vorgehen vor." "Der Mann ist ja lustig," knurrte Wallbrord mit säuerlicher Miene. "Selbst wenn wir fünfzig Bewaffnete, von denen bestenfalls die Hälfte auch nur als geübt gelten könnte, zusammenbekämen, wäre das nichtmehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Und die beiden Baronien sind ebenso groß wie sie dünn besiedelt sind. Da suche ich doch lieber die Stecknadel im Heuhaufen, das geht schneller und ist einfacher. Nein, hier müssen wir schwereres Geschütz auffahren." Neugierg blickte Olbert seinen Herrn an, "An was hattet Ihr da gedacht, Hochgeboren?" "Nun, aus meiner Zeit bei den kaiserlich-darpatischen Truppen kenne ich Viburn von Tälerort, den Kommandeur des Regiments 'Trollpforte' ganz gut. Ich werde ihn gleich anschreiben, daß er umgehend ein paar Kompanien seines Regiments schickt, um hier für Ordnung zu sorgen. "Verzeiht", warf der Kastellan ein, "aber wäre das nicht ein Affront gegenüber der markgräflichen Verwaltung in Perricum, die ihr damit überginget?" - "Die Verwaltung kann mich am Arsch lecken", antwortete Wallbrord lakonisch. "Diese Schreibtischtäter hatte ich in dieser Angelegenheit in den letzten Monden bereits zweimal angeschrieben und bis dato noch nicht mal eine Antwort erhalten. Die können mir den Buckel runterrutschen. Schickt mir einen Schreiber und schafft zwei schnelle Reiter herbei, ich habe zwei dringende Depeschen zu versenden. Zwei Stunden später verließen zwei Boten im Galopp die Burg, der einer ritt nach Bergthann, der andere gen Perricum.

Baronin Efferdane, die Herrin zu Bergthann, faltete das ihr vor wenigen Minuten überreichte Schriftstück nach dem Lesen sorgsam zusammen und legte es auf ihren Sekretär. Mehr zu sich selbst als zum wartenden Boten sprach sie "Hoffen wir, daß Herr Wallbrord bei seinem alten Armeekameraden mehr Erfolg beschieden ist, als zuvor bei der Administration in Perricum." Dann wandte sie sich dem Kurier zu. "Hol Dir in der Küche etwas zu essen und dann melde Dich wieder hier, ich habe dann eine Antwort für Deinen Herrn, die Du ihm umgehend zuzukommen lassen hast."

Oberst Viburn von Tälerort hatte die Nachricht in seinem perricumer Stabsquartier schweigend zur Kenntnis genommen. Zwar waren in der Zwischenzeit auch zu ihm Berichte über verstärkte Überfälle der Trollzacker in den Baronien nördlich des Darpats gedrungen, doch waren sie bisher so vage und teilweise auch widersprüchlich, daß er ihnen keine große Bedeutung beimaß. Ein Fehler, wie es schien, denn sein alter Vorgesetzter hätte ihn sonst kaum direkt angeschrieben und einen umfassenden Lagebericht beigefügt. Zudem war der ehemalige Stabschef der darpatischen Reichstruppen niemand, der zu Übertreibungen neigte. Nach einem kurzen Moment des Überlegens straffte sich der altgediente Offizier und rief seinen Adjutanten zu sich. "Hauptmann, laßt die beiden in der Stadt stationierten Kompanien des Regiments umgehend zusammenrufen und abmarschbereit machen. Morgen in aller Frühe geht es nach Vellberg! Ich werde nun die Regentin aufsuchen und die entsprechenden Formalitäten klären, bin aber zum Abendappell wieder zurück."

In der Zwischenzeit hatte Wallbrord Antwort von seiner Nachbarin, Baronin Efferdane, erhalten, die ihm und den zu erwartenden markgräflichen Truppen Unterstützung und auch einige Bewaffnete zusagte, ihn aber auch ermahnte, nicht übermütig den rechten Pfad zu verlassen und darauf bestand, dass bei jeder Aktion auf dem Boden ihres Lehens einer ihrer Vertrauten dabei zu sein hatte. Der Baron atmete tief durch. Die Pedanterie seiner praiosgefälligen Nachbarin war durchaus geeignet, einem den Nerv zu rauben. Aber wenn Viburn wirklich zwei Kompanien sandte, dann sollte es doch mit dem Namenlosen zugehen, wenn man damit sowie den Aufgeboten beider Lehen diese Wilden nicht wieder in die Berge würde zurücktreiben können, wenngleich sich der ehemalige Marschall natürlich darüber im Klaren war, daß dies dennoch alles andere als eine leichte Aufgabe sein würde. Eine Woche später erreichte eine weitere Depesche den Herrn zu Vellberg. Darin kündigte Oberst Viburn im Namen der Regentin Rimiona Paligan die umgehende Entsendung zweier Kompanien an, die er persönlich anführen werde. Dieser letzte Punkt ließ Wallbrord kurz stutzen. Warum führte der Kommandeur des Regiments diese Strafexpedition persönlich an? Eigentlich wäre das eher eine Aufgabe für einen erfahrenen Hauptmann gewesen als für den Regimentskommandeur persönlich. Letztlich nahm er es achselzuckend zur Kenntnis; egal, warum Viburn selbst die Kompanien befehligte, Hauptsache es kam endlich Bewegung in die Sache!

Am frühen Morgen, kurz nach Sonnenaufgang waren die beiden in der Provinzcapitale stationierten Kompanien abmarschbereit angetreten. Mit einer kurzen Ansprache instruierte ihr Kommandeur sie über Sinn und Zweck der anstehenden Strafexpedition, bevor er den Befehl zum Aufbruch gab. Viburn freute sich, wieder einmal aus Perricum herauszukommen und zumindest einem Teil seines Regiments Kampferfahrung zu verschaffen, was durchaus angeraten war, hatte die Zahl der Veteranen in den letzten Götterläufen doch kontinuierlich abgenommen. Die Regentin von diesem Kriegszug zu überzeugen war relativ einfach. Zum ersten verfehlte Wallbrords präziser und schnörkelloser Lagebericht auch bei dieser klugen Frau seine Wirkung nicht und zum zweiten wußte sie als erfahrene Herrscherin, daß sie den Norden der Markgrafschaft nicht vernachlässigen durfte, sollte die immer noch sehr fragile Einheit beider Landesteile nicht empfindlich ge- oder gar zerstört werden. Eines war für den Oberst klar: Er würde es mit einer einfachen Vertreibung der Trollzacker nicht bewenden lassen. Sollten Recht und Ordnung im Norden der Markgrafschaft wieder - möglichst langfristig - hergestellt werden, so ginge das nur durch hartes und energisches Vorgehen gegenüber diese Barbaren und allen, die mit ihnen in Verbindung standen. Ihnen würde er in den nächsten Wochen eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht vergäßen! Und vielleicht fände sich ja auch noch eine Lösung für sein ganz persönliches Problem; die Schamanen und Hexenweiber dort oben mochten vielleicht ein Gegenmittel für sein Leiden kennen.

Anderthalb Wochen später traf das kleine Heer zur Mittagszeit in Vellberg ein. Wallbrord, der durch einen Boten einen Tag zuvor über die Ankunft informiert worden war, ließ umgehend vor Burg Mallvenstein einen Platz für das Feldlager abstecken und für die Offiziere Quartiere auf der Burg vorbereiten. Noch am gleichen Abend lud der Baron den Oberst und seine Offiziere zu einem Umtrunk samt Lagebesprechung zu sich. In der Besprechung erläuterte der Gastgeber militärisch knapp erneut die Lage. Viburn nahm diesen Bericht mit einem Nicken zur Kenntnis und wandte sich dann an den Baron: "Scheint ja wirklich ein ernster Schlamassel zu sein, mit dem Ihr und Frau Efferdane euch hier herumschlagen müßt. Welche Unterstützung können wir von Euch erwarten?" - "Zwanzig Bewaffnete - Gardisten und geübte Miliz - die komplette Versorgung Eurer Truppen sowie zwei mit dem Terrain bestens vertraute Kundschafter. Frau Efferdane gewährt dieselbe Hilfe, allerdings kann sie nicht mehr als fünfzehn Bewaffnete zur Verfügung stellen, ohne ihre Lande vollständig zu entblößen", erwiderte Wallbrord. "Das sollte reichen. Da es in Bergthann weit mehr und auch schwerere Übergriffe durch die Trollzacker gab, werde ich dort zuerst losschlagen und dort energisch gegen dieses Pack und allen, die mit ihnen sympathisieren, vorgehen." Der einstige Marschall runzelte die Stirn als er entgegnete: "Ein entschlossenes Vorgehen ist gewiß geboten, aber man sollte es nicht übertreiben, zum einen sind die Trollzacker, Barbaren hin oder her, nicht dumm und zum anderen sollten wir es nicht zulassen, daß sich noch weitere Sippen erheben. Außerdem ist Frau Efferdane sehr empfindlich, wenn es um ihrer Meinung nach unangemessene Aktionen in ihrer Baronie geht; Ihr solltet euch daher vorher lieber mit ihr abstimmen." Viburn war überrascht von Wallbrord diese Einwände und Bedenken zu hören. Offensichtlich war er auf seine alten Tage etwas weich geworden. Um weitere Diskussionen hierzu zu vermeiden, entgegnete er knapp: "Seid unbesorgt, ich werde schon auf ein angemessenes Vorgehen meiner Truppen achten und auch die Baronin mit einbeziehen, sollten es die Umstände erfordern." Der Baron nahm diesen Satz schweigend zur Kenntnis. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, daß Viburn sich verändert hatte. So ein hitziges Gemüt schien er vorher nicht besessen zu haben. Eine Stunde später war die Besprechung zu Ende und man begab sich zur Nachtruhe.

Am nächsten Morgen war die Streitmacht, zu der nun auch die kleine Schar aus Vellberg zählte, angetreten und bereit zum Aufbruch. Die Ansprache, die Viburn an die Männer und Frauen richtete, bereitete Wallbrord einiges Unbehagen, denn sie klang weit mehr nach Eroberung und Unterwerfung als es dem Baron lieb sein konnte. Kurz verabschiedete er sich vom Oberst und begab sich zurück auf die Burg, von wo aus er den Abmarsch der Truppe mit nachdenklicher Miene beobachtete. Hoffentlich hatte er mit dem Hilfesuchen an Viburn nicht unabsichtlich Öl ins Feuer gegossen ...