Geschichten:Fallende Sterne - Teil 4 Schuld und Sühne

Aus GaretienWiki
Version vom 4. Dezember 2016, 17:12 Uhr von Tomira (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Baronie Gnitzenkuhl, Burg Friedburg, Einige Tage nach der Schlacht an der Gaulsfurt

Unswin von Keilholtz sah gerade noch die Amme und eine Magd mit den Zwillingen der Baronin den Raum durch eine Nebentür verlassen, als er in das Arbeitszimmer der Frau gelassen worden war. Da dies so ruhig von statten ging, nahm er an sie waren eingeschlafen. Ein Moment seltener Ruhe.

„Nehmt doch bitte Platz!“ sprach ihn Geshla von Gnitzenkuhl mit leiser Stimme an.

Die Baronin wollte wohl nicht mit lauter Stimme dafür sorgen, dass sie wieder wach wurden. Das kannte er aus eigener Erfahrung! Sie hatte es scheinbar wirklich eilig ihn zu sprechen.

„Habt Dank für den Empfang, Hochgeboren.“ Unswins Stimme war heiser und er räusperte sich leise. „Ich hatte auch noch keine Gelegenheit Euch dafür zu danken, dass Ihr Euch bei Gaulsfurt um Leomara gekümmert habt. Es wäre meine Travia und Boron gefällige Pflicht gewesen.“

Im Getümmel der Schlacht hatte er seine Frau aus den Augen verloren, als sie sich dem Angriff der Nebachotischen Reiterei angeschloss. Er hatte ihr Pferd im Morast des Darpats stürzen sehen, doch war seine Einheit zu stark bedrängt, als dass er gleich zu ihr hätte eilen können. Kurz darauf hatten die Hörner zum Rückzug geblasen und Unswin war bis Sonnenuntergang damit beschäftigt gewesen den zurückweichenden Verwundeten und Flüchtenden den Rücken zu decken. Auch nachdem es Alarichs geschlagenem Heer endlich gelungen war sich vom übermächtigen Feind zu lösen, hatten Unswins Pflichten ihn davon abgehalten sogleich zurück zum Schlachtfeld zu eilen.

Die eigentliche Eröffnung, dass seine Gemahlin Leomara an der Gaulsfurt gestorben war, hatte er somit erst verspätet erhalten, als er von der Jagd nach marodierenden Piraten zurückgekehrt war. Letztlich war ihm nur der Abschied am Grab geblieben. Baronin Geshla hatte sich als Lehnsherrin Leomaras in seiner Abwesenheit um die Bestattung der Ritterin und die Unterbringung ihrer verwaisten Kinder gekümmert. Jetzt setzte sie sich schließlich ihm gegenüber an den Tisch und holte aus einem Schieber eine Dokumentenmappe, die sie ebenfalls auf den Tisch legte.

„Wir beide haben einen großen Verlust zu erdulden. Mein Beileid noch einmal an dieser Stelle!“ Sie sah ihn ernst an.

„Auch ich möchte Euch mein tief empfundenes Beileid ausdrücken.“ Unswin neigte leicht den Kopf und legte die rechte Hand auf sein Herz. „Der Tod Eures Gemahls muss Euch ebenso schmerzen, wie mich der Tod Leomaras.“

„Ich weiß, dass es für Euch…merkwürdig klingen mag, verliert Ihr doch die Ehefrau, Geliebte, Mutter Eurer Kinder und Lehnsherrin Eures Heimes gleichermaßen. Mein Verlust ist jedoch ebenfalls immens, und ich rede jetzt nicht nur von meinem Gemahl!“

Der Ritter sah Geshla an und hob leicht verwirrt die Augenbrauen. Die Baronin öffnete daraufhin eine Ledermappe mit gesiegelten Papieren, und holte eines heraus, auf dem das Gnitzenkuhler Wappen zu erkennen war. Die ungelenke Unterschrift darunter war jedoch soweit er das erkennen konnte keineswegs die Ihre.

„Wie Ihr erleben durftet waren Eure Gemahlin und ich mehr als nur durch Lehensbande aneinander gebunden. Ich weiß, dass Sie Euch davon berichtet hat, dass wir auch Milchschwestern waren, was sicher Einiges erklären mag. Doch… das ist…war nicht alles!“

Geshla nahm nach diesen Worten den Weinkrug und goß sowohl sich als auch dem Ritter des Ordens ein. Ihre Hand zitterte dabei leicht. Sie schob ihm den Krug hin, und setzte sich selbst wieder. Er merkte, wie Sie ihn musterte und scheinbar Zeit gewinnen wollte um die rechten Worte zu finden.

„Wisst Ihr Ritter Unswin, bisweilen versäumt man den rechten Moment für die Wahrheit, oder es gibt andere Gründe warum man manch Geschehniss‘ mit ins Grab nimmt. Keiner weiß schließlich wann die Götter einen rufen, oder ein Schurke ein strahlendes Leben unrühmlich beendet. Doch darüber mag ich heute nicht sprechen mit Euch, denn unser Verlust ist noch zu frisch um ungetrübten Geistes Betrachtungen solcher Art anzustellen. Doch eines will, nein muss ich Euch selbst in dieser Stunde sagen und gleichermaßen unter dem Siegel des Schweigens anvertrauen: ich würde es mehr als begrüßen, wenn Ihr mit Leomaras und Euren Kindern hier in Gnitzenkuhl, Ihrer Heimat bleiben würdet, denn es handelt sich bei Ihnen nicht nur um Eure gemeinsamen Kinder, sondern auch um meine Nichten und Neffen!“

Ihre Worte waren zuletzt geradezu aus ihr heraus gesprudelt. Jetzt war alles gesagt, und es war an dem Mann zu reagieren. Rasch nahm sie einen Schluck des Weines. Mit einem Blick behielt sie jedoch weiter den Ritter im Auge, um seine Reaktion abzuwarten.

Unswins Miene war wie versteinert. Er hatte immer gewusst, dass die Baronin und seine Frau eine enge Verbindung pflegten, doch dass es tatsächlich Blutsbande waren die sie verbanden, hatte Leomara ihm nie anvertraut. Abgesehen davon, dass ihn diese Nachricht vollkommen unvorbereitet traf, versetzte es ihm auch einen Stich, dass seine Frau ihn zu ihren Lebzeiten nie ins Vertrauen gezogen hatte. Erst nach langen Augenblicken schaffte er es sich und seine Gedanken aus der Starre zu befreien. Wie müde strich er sich über die Augen um Geshla schließlich wieder anzublicken.

„Ich nehme an, dieses Papier, welches Ihr in der Hand haltet enthält den Beweis für Leomaras wahre Abstammung und somit die ihrer…unserer Kinder?“ Während er noch sprach hob er entschuldigend die Hände. „Es ist nicht so, dass ich Euren Worten keinen Glauben schenke, Hochgeboren. Doch vermag der Geist eher das zu begreifen was das Auge sieht, als das was das Ohr vernimmt.“

Vorsichtig schob Sie nach diesen Worten das Eingeständnis der Schande Ihres Vaters über den Tisch zu Ihm hin, sodass er selbst lesen konnte, was Sie ihm eben mit wenigen Worten kundt getan hatte. Unswin las das Schriftstück langsam und gründlich. Dann las er es ein zweites Mal. Noch immer sperrte sich sein Geist gegen die darin enthaltene Wahrheit, niedergelegt in Baron Seraminors ungelenker Handschrift. Schließlich faltete er das Schreiben wieder zusammen und schob es über den Tisch zurück.

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht, könnt Ihr jetzt das bisweilen schwierige Verhältnis zwischen meiner Halbschwester und mir verstehen. Da der Junker Roderick von Isenbrunn es rundweg ablehnte, dass diese … das all das bekannt wird, ist es nichts, was diese Räume je verlassen soll! Es sei denn Ihr wollt es Euren Kindern bei Ihrer Mündigkeit sagen. Aber ich bin meinem Vater und auch Leomara schuldig, dass Ihre Kinder immer einen Platz und Sitz in der Heimat haben. Blut ist schließlich dicker als Wasser! Darum möchte ich, dass Ihr als Ritter, an Leomara‘s statt, Mittstätten verwaltet, bis eines Eurer Kinder in dem Alter und fähig ist dies selbst zu tun.“

Wieder verschlug es Unswin die Sprache. Geshlas Angebot traf ihn unvorbereitet. Nachdenklich blickte er auf seinen Wappenrock hinunter. Das reine Weiß des Ordens war besudelt durch den Schlamm des Darpat, das schwarze Blut niederhöllischer Kreaturen und rotes Blut, welches nur zum Teil von seinen Gegnern stammte. Seit fast zehn Götterläufen trug er nun schon den Wappenrock des Zornesordens. Seit der Schlacht der drei Kaiser, als er seinen Schwertvater, seinen Vater, verloren hatte, war der Orden seine Familie geworden. Er hatte sich verpflichtet der Sache Rondras zu dienen, dem Orden zu dienen, als Sühne für die Frevel die er im Jahr des Feuers und hernach an der Seite der Söldlinge in der Wildermark begangen hatte. Auch Geshla blickte nun auf seinen Wappenrock.

„Ja, ich sehe, Ihr habt mitgedacht. Euer Orden war ein Segen und willkommene Hilfe zu vielen Gelegenheiten. Ich mag nicht Schuld sein, wenn Ihr Euch von Ihm abwendet, doch wenn Ihr das Gut nicht verwaltet, werde ich einen Vogt Eurer statt bestellen müssen, der ebendas tut.“

Der Orden hatte ihn gerettet. Ihn von der Schwelle zu den Niederhöllen, an der er wandelte, zurückgeholt und ein zweites Leben geschenkt. Doch die Zeit der ihm auferlegten Buße war abgelaufen, vor Jahren schon. Hernach hatte er dem Orden freiwillig gedient. Seine Pflichten hatten ihn nach Perricum geführt. Hier hatte er Leomara kennen und lieben gelernt, sie hatte ihren Kindern das Leben geschenkt und nun ruhte sie hier in dieser Erde. In gewisser Weise hatte auch sie ihn gerettet.

„Seid unbesorgt, Hochgeboren. Ihr seid in keiner Weise Schuld an meiner Entscheidung. Dere ist im Wandel und ich bin inzwischen davon überzeugt, dass auch ich einen neuen Platz im Gefüge der Welt einnehmen sollte. Gebt mir nur bitte ein paar Wochen Zeit, damit ich meine Angelegenheiten mit dem Orden regeln kann. Danach will ich Euer großzügiges Angebot gerne annehmen.“

Mit Haffax Ende waren seine Pflichten für Rondra erfüllt. Mit Leomaras Tod aber waren seine Pflichten für die Herrin Travia, für seine Familie, für seine Kinder, deutlich wichtiger geworden. Im Grunde hatte er sich bereits entschieden. Doch bevor er Leomaras Aufgaben in Mittstätten übernehmen konnte, musste er ein Gespräch mit seinem Freund Alfred führen.




 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Gnitzenkuhl.svg  
 Burg.svg
 
4. Pra 1040 BF
Teil 4 Schuld und Sühne
Teil 3 Schutt und Asche


Kapitel 4