Geschichten:Fünf Köpfe für Totentanz - In Wartestellung

Aus GaretienWiki
Version vom 9. Juni 2018, 12:16 Uhr von Steinfelde (D | B)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

In der Nähe von Markt Hirschenrode, 28. Tsa 1040 BF

Vom Eis befreit schoss der Feidenbach zu Tal. Schäumend rauschten seine Fluten gegen das steinige Ufer und verschluckten dabei die Geräusche einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Huftritten. Eine Reiterschar, sämtlich in Harnisch und Helm wie zum Kampf gerüstet, kam den Karrenpfad in Richtung Hirschenrode hinunter und hielt just an einem moosbewachsenen Felsen, dessen obere Kante hoch über die glucksenden Strudel ragte.

„So, da wären wir. Jetzt heißt es also abwarten“, Helmbrecht von Steinfelde nickte seinen Begleitern zu und sie stiegen von ihren Rössern: Adhumar von Windischgrütz, Arnhild von Weisenstein und Anselm von Wetterwend, sowie vier Landreiter.

„Du! Klettere auf den Felsen und melde, wenn sich jemand nähert. Die anderen halten die Pferde bereit!“, wandte sich Helmbrecht bestimmend an die Reisigen. Als er sich überzeugt hatte, dass seinen Anweisungen Folge geleistet worden war, sah er sich nach seinen Freunden um. Arnhild hatte den Helm abgenommen und plauderte mit Anselm, der irgendwoher einen kleinen Weinschlauch herbeigezaubert hatte, während sich Adhumar auf einem umgestürzten Baumstamm abseits des matschigen Weges niedergelassen hatte. Helmbrecht schlenderte zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn.

„Und, was sagt der Fachmann?“, erkundigte er sich halb ernsthaft halb spöttisch in Richtung der militärischen Expertise Adhumars als Famulus seines Onkels Alrik von Hartsteen, welcher wiederum die Garether Hohe Schule der Reiterei leitete. „Eine gute Wahl, für den Zweck. Man kann den Weg und die Felder recht weit einsehen ohne selbst sofort bemerkt zu werden. Allerdings....“

„Was?“

„Wenn unser Ziel damit rechnet – es ist immerhin sein Land – wird er diese Stelle wohl umgehen und sein Glück woanders versuchen. Aber es würde ja auch nur wichtig, wenn er sich deinem Vater nicht ergibt, sondern fliehen will“, er schlug die Beine lang übereinander und gähnte, „Jetzt bleibt in der Tat nichts weiter als abzuwarten... und aufzupassen, dass die beiden da nicht so viel von dem Roten trinken, dass sie keine Hilfe mehr sind, sollte es wirklich ernst werden.“

„Du hast recht“, stellte Helmbrecht mit Blick auf Anselm und Arnhild fest, deren Lachen über das Gurgeln und Schmatzen des Wassers hallte. Auch wenn der Wein möglicherweise helfen würde, die Wartezeit zu überbrücken, so war ein klarer Verstand angesichts des Auftrages viel wichtiger.

Die Anweisungen Praiodan von Steinfeldes war eindeutig gewesen: Zu verhindern, dass irgendjemand aus Hirschenrode nördlich des Feidenbaches in Richtung Feidewald entkommen konnte und einen jeden aufzuhalten, der versuchen sollte, den Marktflecken von der Anwesenheit der Ritter zu warnen. Ein weiterer Trupp unter einer anderen gräflichen Hausritterin, Rosshilde von Ibelstein, sollte zu dieser Stunde bereits den Weg nach Süden am Rande des Feidewaldes gen Bassengram und Katterquell blockieren, während der Wegevogt den Verdächtigen direkt aufzusuchen und zur Befragung nach Hartsteen zu bringen gedachte.

Der Besuch von Bogenbrück und Gryffenwacht hatte bei Helmbrechts Vater offenbar neue Energie freigesetzt. Seine Erschöpfung war frischer Kraft und Elan gewichen. Überraschend systematisch hatte er nach seiner Rückkehr die vorhandenen Verhörprotokolle durchgesehen und war darüber heftig mit Lane von Schroeckh aneinandergeraten, die in seinen Augen allzu nachlässig und geradezu schlampig vorgegangen war. Um den erbosten Steinfelde zu beschwichtigen, hatte der Stadthauptmann Orestes von Hartsteen die Schroeckh nach Krallenwind beordert, um ein Handvoll neuer Rekruten zu beaufsichtigen, während er selbst die weiteren Befragungen übernahm.

Schließlich hatten sie zwei besonders verdächtige Personen ausgemacht: Zuerst einen Koch namens Ardo, der extra für das Fest angestellt worden war und von dem seit jenem Abend jede Spur fehlte. Gleichwohl hatte eine der Küchenmägde ihn als den Einsiedler erkannt, der seit mehr als zehn Jahren im Keilerholz, einem Waldstück zwischen Bugenhog und Feidewald, hauste. Seine armselige Bleibe hatten sie schon früh am Morgen aufgesucht, aber leer und verlassen vorgefunden.

Der zweite Verdächtige war derjenige, weswegen sie jetzt hier waren: Odilbert von Hirschenrode. Zwar hatte jener bislang das Vertrauen des jungen Hutter Barons genossen, aber – so viel hatte die Befragung der Hofleute und des Gesindes ergeben – auch den zwielichtigen Koch dringend empfohlen. Außerdem hatte der Baron von Nettersquell ein höchst merkwürdiges Verhalten des Junkers an jenem Abend zu Protokoll gegeben und damit den Verdacht erhärtet. Darum hatte sich der die Ermittlungen leitende Wegevogt entschlossen, dem Adligen auf dessen Gütern einen Besuch abzustatten, auf die dieser sich nach dem Vorfall vor drei Wochen zurückgezogen hatte.