Geschichten:Fünf Köpfe für Totentanz - Dicke Luft

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Reichsstadt Hartsteen, 17. Tsa 1040 BF

Die Stimmung in der Ratsstube hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht, ganz im Gegenteil zur Lautstärke der schon seit geraumer Zeit heiß geführten Diskussion; blank lagen die Nerven der Hartsteener Ratsleute seit dem heimtückischen Giftanschlag auf die Grafenfamilie und deren Gäste innerhalb der reichsstädtischen Mauern. Die Vakanz auf dem Ratsmeisterposten war nur notdürftig durch die interimistische Übernahme der Geschäfte durch den greisen Stadtvogt Torm von Hartsteen überbrückt worden. Da der Alte selbst Opfer des Attentats geworden war, fehlte in dieser Ausnahmesituation der letzte, wenn auch schwache Anker der Stabilität angesichts des aufgekeimten und offen geäußerten Misstrauens der reichsstädtischen Magistrate untereinander.

„Auch Ihr ward doch zugegen, als der Anschlag stattfand, Meister Klausentrift“, spießte Ludewigja Sagersbolds Zeigefinger soeben den Marktherrn förmlich auf.

„Wollt ihr damit sagen, dass ich damit zu tun habe?!“, mit rotem Kopf stemmte sich der Kaufmann mit beiden Händen auf die schwere Tischplatte, als wolle er der Stadträtin im nächsten Augenblick an die Gurgel gehen, „Das ist doch absurd!“

Unterstützung heischend blieb Klausentrifts Blick an Kalman Anstatt hängen, der sich an der bisherigen Diskussion bisher zurückgehalten hatte: „Nach Eurer Logik, werte Ludewigja, wäre ein jeder der Anwesenden verdächtig.“

„Ganz recht“, beharrte die Ratsfrau auf ihrem Standpunkt, worüber Efferdane Kleinzicht nur mit dem Kopf schütteln konnte: „Ihr verdächtigt die Grafenfamilie selbst? Macht Euch nicht lächerlich!“

„Hört doch auf damit!“, polterte die Gastherrin Junivera Breitenbach ungeduldig dazwischen, „So kommen wir nicht weiter!“

„Habt Ihr denn etwas beizutragen, was uns in dieser Situation helfen kann?“, erkundigte sich Siren Goldacker hämisch.

„Wir brauchen den oder die Schuldigen. Und zwar so schnell wie möglich.“

„Ach“, die Miene des Siechenherrn verriet deutlich, dass er sich mehr als Floskeln erhofft hatte.

„Ich schlage vor, dass wir uns zunächst an die üblichen Verdächtigen halten“, wurde dagegen die Waffenherrin Isweine Dragenwacht konkreter, „Auch wenn es keiner von denen war, möglicherweise erwischen wir einen darunter, der mehr weiß.“

Stattdessen geiferte Xerber Zandor: „Und ich sage, wir hätten den Steinfelde festnehmen sollen, als wir die Gelegenheit hatten. Der steckt da sicher mit drin! Warum verlässt er wohl kurz vor dem Anschlag die Feier? Der vorgeschobene Grund ist doch wohl völlig bei den Haaren herbeigezogen! Räuber jagen, mitten in der Nacht. Pff!“

„Wollt Ihr den Grafen etwa völlig gegen uns aufbringen?“ konterte die Waffenherrin, „Ihr wisst doch selbst um die Stellung des Wegevogts am Grafenhof.“

„Na und? Wir sind immerhin der Kaiserin Stadt!“, gab sich Zandor noch nicht geschlagen.

„Diese Verdächtigungen, so berechtigt sie Euch scheinen mögen, rechtfertigen einen solchen schwerwiegenden Schritt nicht. Denn wir haben keine Beweise. Und bedenkt die Folgen!“

„Die Folge ist vor allem die, dass der hohe Herr frei herumläuft, die Nase in unsere Ermittlungen steckt und fein säuberlich die Spuren seiner Tat verwischen kann“, pflichtete Siren Goldacker nun dem Eichmeister bei.

„Ihr verkennt die Situation!“, Iber Eckelsfelder wedelte mit seinen dürren Händen, „Wir sind diejenigen, die sich zu rechtfertigen haben. Das Verbrechen geschah in unseren Mauern. Wir müssen alles dafür tun, dass der Graf nicht unsere Köpfe von der Kaiserin fordert.“

„Zu ärgerlich, dass wir bis jetzt noch keinen einzigen guten Hinweis darauf haben, wer den abscheulichen Anschlag verübt hat“, zuckte Alrik Wunsteln mit den Schultern und schielte zum wiederholten Male bedauernd nach dem schon längst geleerten Weinkrug vor sich.

„Dann schlage ich Folgendes vor: Wir betrauen den Steinfelde mit den Ermittlungen...“

Ungläubig starrte Zandor die Dragenwacht an: „Was? Ihr wollt den Bock zum Gärtner machen?“

„Natürlich nicht. Aber da wir ihn ohnehin nicht von Ermittlungen abhalten können, können wir ihm genauso gut auch die Verantwortung dafür überhelfen. “

„Ich sehe jetzt, was Ihr meint“, Anstett nickte verstehend, „Frau Isweine hat recht: Ist der Wegevogt erfolgreich und findet den oder die Schuldigen, wunderbar: Dann hat er im Namen der Reichsstadt gehandelt und dem Reich einen Dienst erwiesen. Wenn nicht, wird sein Versagen und der zu erwartende Unmut des Grafen auf den Steinfelde allein zurückfallen.“

„Ganz genau so ist es gedacht“, bestätigte die Waffenherrin die Worte des Meisters der Zimmererzunft, „Wir müssen nur achtgeben, dass wir nicht die Kontrolle über die Vorgänge auf dem reichsstädtischen Boden verlieren.“