Geschichten:Ein Stein im Nebel - Mobilmachung in Kressenburg

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Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Rondrian war schnell und hart geritten und hatte dabei weder sich noch sein Ross geschont. Bei tiefster Nacht hatte er die Breite an einer Furt überquert, nachdem er sich und dem Pferd eine einzige kurze Rast gewährte, danach ritt in den ganzen Morgen durch Königsgau und erreichte kurz vor der Mittagsstunde schließlich die Stadttore Kressenburgs. Die Büttel ließen ihn ohne zu zögern passieren und er sprengte wort- und grußlos an ihnen vorbei den Burgberg hinauf. Erst auf dem Burghof hielt er sein Ross vor dem lieblich angelegten Brunnen an und war schneller an der Tür zum Palas, als die Pferdeknechte aus der Scheune kommen konnten um zu sehen wer es denn da so eilig hätte.

Die erste Person die Rondrian begegnete war ein rundlicher Zwerg mittleren Alters mit gepflegtem, kunstvoll geflochtenem Bart und feiner Kleidung. In der rechten Hand den Stab des Majordomus haltend kam er dem Geweihten aus einem seitlichen Gemach entgegen. Nach einem kurzen Blick auf die Insignien verbeugte sich der Zwerg artig und machte eine einladende Geste in Richtung des Burginneren.

„Euer Gnaden, bitte tretet näher. Euer Besuch ehrt unser Haus. Darf ich mich nach Eurem Namen und nach Eurem Begehr erkundigen?“

„Mein Name ist Rondrian von Reiffenberg. Ich bin hier um Baron Ardo eine persönliche Nachricht meines Bruders Urion zu überbringen,“ sagte er mit lauter aber nicht schroffer Stimme. „Ist er zu sprechen? Es eilt und duldet keinen Aufschub.“

„Natürlich. Wenn Ihr mir bitte ins Arbeitszimmer folgen wollt. Seine Hochgeboren von Keilholtz wird erfreut sein Euch zu empfangen.“

Der Majordomus drehte sich auf den Hacken um und schritt Rondrian so schnell es seine Zwergenbeine zuließen voraus. Am Ende des Ganges ging es über eine Wendeltreppe einen Turm hinauf bis der Zwerg schließlich vor einer schweren Eichentür stehen blieb und mit dem Knauf seines Stabes dreimal gewichtig daran klopfte. Von drinnen erklang ein gedämpfter Ruf woraufhin er ohne weiteres Zögern die Klinke ergriff, die Tür aufschob und eintrat.

„Ugrimm! Was gibt es?“ Am schweren Arbeitstisch saßen sich Ardo und sein Vogt Phexian gegenüber. Diversen Pergamentrollen und ein schwerer Foliant lagen offen auf dem Tisch und schienen bis eben das Gesprächsthema gewesen zu sein.

„Ich bitte die Störung zu verzeihen Euer Hochgeboren, aber Ihr habt wichtigen Besuch. Ihro Gnaden von Reiffenberg wünscht umgehend ein Gespräch.“

„Wer? Ach, Rondrian! Willkommen auf der Kressenburg!“ Der Baron sprang sogleich auf um den Reiffenberger freudig zu begrüßen. Die ernste Miene des Geweihten ließ ihn jedoch innehalten. „Ist mit Urion und Renzi alles in Ordnung? Es wird doch den Kindern nichts zugestoßen sein.“

„Nichts dergleichen.“ Rondrian hob beschwichtigend die rechte Hand und trat näher. „Dennoch komme ich mit schlimmer Botschaft und dringlicher Bitte von Urion. Die Mark und das Reich sind in großer Gefahr.“

Mit wenigen Sätzen erklärte der Geweihte der Leuin den erstaunten Zuhörern was sich zugetragen hatte und was von ihnen erwartet wurde. Ardo schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf als könne oder wolle er das Gehörte nicht begreifen. Schließlich hatte Rondrian geendet und sah Baron und Vogt erwartungsvoll an. Der Keilholtzer wirkte noch immer wie vor den Kopf gestoßen und es bedurfte eines lauten Räusperns des Kieselholmers um ihn zu sich zu bringen.

„Ja was soll man dazu sagen? Der Meister der Mark ein Verräter an Greifenfurt und dem Reich. Das hätte ich ehrlich niemals erwartet. Wenn ich nur daran denke wie ich ihm gegenüber vor zwei Götterläufen den Lehnseid auf die Mark geleistet habe. Die Landwehren habe ich in seinem Namen geübt und nun wird er sie gegen das Reich verwenden. Und dazu Verräter in den Reihen meiner eigenen Familie! Praiossanctus, gib mir Kraft oh Götterfürst!“ Donnernd krachte Ardos Faust auf den massiven Eichentisch. „Das werde ich nicht zulassen!“

„Niemand bezweifelt deine Loyalität zur Greifin und zur Mark, ganz gleich welche Verfehlungen man anderen deiner Familie vorwerfen kann.“ Rondrian nahm den Eifer des jungen Barons mit einem Lächeln zur Kenntnis, beschwichtigte ihn jedoch sogleich. Gerechter Zorn mochte im Kampf hilfreich sein, aber bei den anstehenden Planungen hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren um dem Verräter auch mit unterlegenen Kräften einen guten Kampf zu liefern. „Urion hat mich persönlich geschickt um dir das zu sagen und um dich an seine Seite zu bitten sobald es dir möglich ist. Der Bund des Garafan soll an der Seite der Markgräfin in den Kampf ziehen. Zusätzlich zieht mein Bruder alles an Reiterei zusammen was er in der Kürze der Zeit bekommen kann.“

„Natürlich werde ich sobald als möglich aufbrechen. Ginge es nur um mich würde ich sofort und durch die Nacht reiten und wäre morgen früh in Rosskuppe. Aber ich fürchte das hier bedarf größerer Vorbereitung.“ Der Baron überlegte wohl eine Minute lang und fing dann schließlich an Befehle zu geben.

„Ugrimm, geh in den Hof und schick die Pferdeknechte mit Nachricht zu meinen Vasallen. Kieselbronn, Praiostann, Immingen. Schicke auch nach meinen Großvater, er möge sich hier einfinden. So gern ich ihm das auf seine alten Tage ersparen würde, aber wir brauchen jedes Schwert. Sie sollen sofort alles stehen und liegen lassen und noch bis heute Nacht auf der Kressenburg sein. Dann können wir morgen früh zu Urion reiten. Die restlichen Ritter werden heute Nachmittag mit dem Erztransport aus Sturmhöhe zurückerwartet. Außerdem soll die Landwehr ausgehoben werden. Die meisten kommen sowieso hier aus Kressenburg oder aus Tsanau selbst, aber einige werden von abgelegenen Höfen marschieren müssen. Sie sollen binnen zehn Tagen hier sein und werden dann von Phexian nach Greifenfurt gebracht.“ Mit einem Wink entließ er den Zwerg, der eilfertig davon stob.

„Phexian, du kümmerst dich auch um die Zusammenstellung des Trosses. Ich weiß, die Lager sind nach dem Winter fast leer, aber sieh zu, dass die Truppe gut versorgt ist. Leerer Bauch kämpft nicht gut. Was wir an zusätzlichen Wagen und Karren brauchen wird im Ort requiriert, zur Bespannung nimm die Rückpferde aus dem Forst.“ Mit einem schweren Seufzer blickte Ardo durch das Fenster auf das Land hinaus. „Wo wir bei den Pferden sind, ich werde wohl HIDALGO reiten müssen, den alten Warunker. Mein BOROMIL ist noch mit Mechthild auf dem Weg ins Bornland. Zudem habe ich weder meinen Pagen noch meine Knappin an der Seite. Ich werde wohl wieder beim Stadtkommandanten nachfragen müssen, ob ich mir Hamfast ausborgen kann. Und bei Gelegenheit kümmere ich mich um einen Zweitknappen.“ Mit einer entschlossenen Geste wischte er seine eigenen Bedenken beiseite. „Aber es sei wie es ist. Wir sollten schauen, dass wir weitere Unterstützung bekommen und die Nachbarn warnen, Eslamsroden voran. Praiossanctus, ich muss Greifwin Nachricht senden!“

Hier machte Rondrian eine Geste um ihm das Wort abzuschneiden. „Vielleicht solltest du das besser nicht tun Ardo. Wir wissen nicht wie vertrauenswürdig dieser Zweig deiner Familie ist. Immerhin ist der Finsterkammer einer der Anführer des Verrats. Du bist nur ins Vertrauen gezogen worden, weil du als Garafanist über jeden Zweifel erhaben bist und Urion dich persönlich sehr schätzt. Doch das gilt nicht für alle deine Anverwandten, so schmerzlich das für dich auch sein mag.“

„Greifwin mag mehr als ich auf seinen eigenen Vorteil bei allem bedacht sein, aber er stand immer loyal zur Mark!“ Erregt verteidigte Ardo seinen Vetter und musste sich zusammennehmen den Geweihten nicht ungebührlich anzubrüllen. Zähneknirschend gab er dann jedoch unter dem strengen Blick Rondrians nach. „Zugegeben, er wäre uns im Moment wohl auch keine große Hilfe. Er selbst ist mehr Krämer denn Ritter und seine Position als Baron ist nach wie vor so schwach, dass ihm abgesehen von seinen Geschwistern wohl keiner seiner Vasallen in den Kampf folgen würde. Doch ich fürchte die Entscheidung ihn nicht vor dem falschen Spiel des Nebelsteiners zu warnen, könnte meinen Vetter unwissentlich und ungewollt ins Lager der Verräter treiben.“

„Das ist ein Risiko welches wir eingehen müssen. Wichtiger als wirklich jeden einzelnen Streiter in unsere Reihen zu rufen ist es, den Verräter nicht eher als notwendig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Ränke aufgeflogen sind. Im Moment zieht er mit seinen Truppen vom Finsterkamm in Richtung Wildermark. Wir wissen nicht genau wo er gerade steckt, auch wenn Urion schon Meran auf dieses Problem angesetzt hat. Aber Tilldan schart auf seinem Weg sicherlich die ahnungslosen Vasallen der Greifin und die Landwehren um sich, was ihn Zeit kostet. So lange er sich unentdeckt glaubt, können wir ihn vielleicht noch stellen bevor er die Greifenfurter Gemarkungen verlässt. Ist er aber erst einmal aufgeschreckt wird er jedes weitere Zögern vermeiden und wir werden ihn nicht mehr aufhalten können.“

Ardo nickte einsichtig, wenngleich ihm der Gedanke Greifwin, Praiadne und ihre Brüder im Unwissen zu lassen trotzdem nicht gefiel. „Dann sollten wir trotzdem jene die wir gefahrlos erreichen können möglichst vollzählig unter dem Banner der Greifin versammeln. Zum Beispiel hat Urion Königsgau nicht bedacht. Die Mersingerin, wenn sie denn zugegen ist, aber auf jeden Fall die Königsgauer Junker und Ritter werden mit Sicherheit mit uns ziehen. Auerbach, Waldschatten, die Rübenhainer Ritter, sie alle könnten heute noch alarmiert werden und morgen mit uns nach Rosskuppe reiten.“

„Du hast Recht Ardo, der Gedanke ist uns nicht gekommen. Aber meine vorrangige Aufgabe war es dich zu warnen und an der Greifin Seite zu holen. Dabei bin ich wahrscheinlich sogar an einigen ihrer Höfe vorbeigeritten.“ Jetzt war es an Rondrian sich zu ärgern und er schlug mit Wucht seinen Armstumpf in die rechte Hand. „Du brauchst nicht noch einen Boten schicken, ich werde das auf dem Rückweg persönlich übernehmen und die Königsgauer Ritterschaft nach Niemith rufen. Dort werden wir uns euch anschließen wenn ihr morgen Mittag dort durchkommt. Hier ist alles gesagt und entschieden was ich wissen musste und ich werde es Urion getreulich berichten. Wir sehen uns dann morgen Abend auf dem Marstall.“ Er reichte Ardo und Phexian die Schwerthand und ging eben so schnell wie er gekommen war den Turm hinunter zu seinem Ross. Keine fünf Minuten später hörte man den Geweihten vom Hof traben.