Geschichten:Edmunds Vermächtnis - Zeichen Korgonds

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Wandleth, Anfang Efferd 1040

Der Zwerg sog den würzigen Duft der Sommernacht mit einigen tiefen Atemzügen ein und wieder aus. Ingramm konnte sich nicht mehr so recht erinnern, wann er mal wieder einen Abend wirklich für sich alleine in der sogenannten großen Halle verbracht hatte, deren Deckenbalken schon so einigen stolzen, großgewachsenen Rittern die nötige Demut abverlangt hatten.

Im Frühjahr war es losgegangen: Die seltsamen, wiedersprüchlichen Nachrichten aus Oberhartsteen, von Baustellen, von Natternunholden. Dann immer wieder seine Getreuen, Rondradan, Karal und andere, die von vergeblichen Untersuchungen zurückkamen. Dann wieder die Wandlether Baumeister, die beleidigt waren, dass man in Oberhartsteen keine Zwerge mehr beschäftigen sollte. Mal grub er rechts, mal links, mal voran, mal nach unten. Irgendwie ohne Erfolg.

Dann verdichteten sich die Gerüchte vom illegalen Brückenbau - damit würde Rohals Brückenprivileg verletzt, ein kaiserliches Recht, wie ihm sein Sekretär erklärt hatte, an dem er auf keinen Fall drehen sollte. Also hatte er dem neuen Reichserzkanzler schreiben lassen, der Ende Rahja mit einer hungrigen Meute an Bewaffneten und Bediensteten wie eine Heuschreckenplage über seine Vorratskammer hergefallen waren. Und dann drehte sich die juristische Diskussion eigentlich nur im Kreis bis...

Bis - ja genau da hatte er den Faden verloren: Plötzlich die Nachricht über den Fall Perricums, die übereilte Reise nach Vierok über die Namenlosen Tage, während Okoscha die wehrlosen Schlunder vor dem Feind versteckte. Und dann der Hinn: Erst organisiert er eine Art Flotte zum Übersetzten nach Rommilys und ein Bündnis im Namen St. Ogdolfs zur Verteidigung, dann trifft er in Vierok ein und wird zum Marschall gewählt.

Kein Wunder, dass Ingramm zu nichts gekommen war: Erst dieser denkwürdige Abend mit Growin, Okoschas Abreise und die Ehrung und Ernennung Hinns. Ihm zum Gefallen hatte er dann darauf hingewirkt, dass dessen Kampfgefährte Ludogon von Eicheneck vom Wandlether Stadtrat zum neuen Hauptmann der Stadtgarde ernannt wurde - in erneuten endlosen Verhandlunsabenden.

Und so schnell waren Frühjahr und Sommer vorbeigezogen und Efferdregen kündete den nahenden Herbst an. Die Menschen hatten die Unart manchmal in einem schrecklich gehetzten Tempo an alle Dinge heranzugehen, aber wer sollte es ihnen verdenken, war ihre Zeit auf Dere ja auch schrecklich kurz bemessen. Es störte Ingramm nie, wenn etwas wichtig war, er hasste es nur, wenn es dringend wurde. Aber heute Abend würde sich der Graf hier ganz gemütlich mit ein paar Wiesenschlösschen in tiefen Schlaf trinken.

"Ingramm, ich brauche Deine Hilfe", hörte er die Stimme seines Bruders hinter sich. Als der Graf sich umwandte und die Angst im Gesicht seines Bruders sah, stellte er mit einem erbosten Pfiff den Krug auf die Fensterbank. Einen Abend, nur einen Abend, war denn das zu viel verlangt?

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Ingramm war noch immer außer Atem vom Aufstieg auf das Dach des Wandlether Ingerimmtempels. Als wohl höchstes Gebäude der Grafschaft belohnte ihn die kleine Plattform mit einem atemberaubenden Blick über das, was der Volksmund sein "Königreich" nannte. An einem normalen Sommerabend sah man von hier nur die Schatten der Berge und die glitzernen Ströme von Natter und Darpat, dazwischen war nur wenig Licht aus den größeren Siedlungen zu erkennen. Selbst die Königsstadt Wandleth war um diese Zeit schon ziemlich dunkel. Heute allerdings war es anders.

"Es passiert wieder, wie damals im Ingerimmszorn!", der Wandlether Tempelvorsteher war kaum zu bremsen, "Schau da hinten: Brennendes, flüssiges Gestein rollt den Nordwesthang des Schlundes hinunter ins Tal, und der Greifensitz da hinten," er reichte ihm das Fernglas, "rumort ebenfalls, an seiner Mardershöher Flanke hat sich ein rauchender Schlot aufgetan, es ist nur eine Frage, bis aus diesem ebenfalls Lava ins Tal rollt."

"Igro, ...", versuchte Ingramm einzuhaken.

Doch sein Bruder fuhr unbeeindruckt fort, "Sieh mal in die andere Richtung: In Rabensbrück brennt es im Netterwald! Die Rauchschwaden ziehen die Natter entlang ins Herz des Reiches. Ich sage Dir, wir haben Ingerimm und seinen sterbenden Bruder erzürnt."

"Igrolosch, ...", der Graf versuchte es mit etwas Nachdruck.

"Erinnerst Du Dich noch, wie es damals war? Überall die Feuer, eingestürzte Häuser und Stollen, die ganzen Toten."

"Igrolosch Zweihammer!", donnerte die Stimme Ingramms durch die Nacht über der Königsstadt. Beide schwiegen, der eine zornig, der andere eingeschüchtert und für einige Augenblicke hörte man nur das Rauschen des Windes.

Versöhnlich legte der Ältere seinem Bruder beide Hände auf die Schultern. "Mein Lieber Igro, ich schätze Deinen Rat und bewundere Deine Einsicht in das Wesen unseres Gottes, aber hier irrst Du, glaube ich. Seit dem Ingerimmszorn siehst Du überall den Weltuntergang."

"Aber, aber, ...", Igrolosch stotterte, "was soll es denn sonst sein?"

Sein Bruder schaute ihm ernst in die Augen: "Korgond."

Wieder das Rauschen des Windes, während dem Aussprechenden die Macht dieses Wortes bewusst wurde und der Zuhörende in seinem Geist nach dessen Bedeutung kramte.

"Korgond? Was hast Du mit dieser alten Ritterromantik zu tun?"

Der Graf rang sichtlich um Worte, "Nun ja, Du kannst mich nicht unbedingt einen Schwertträger nennen, aber Feuerschlag war Jahrzehnte in meinem Besitz. Das Ganze ist mehr so ein Gefühl, irgendwie so wie... wenn man bei einem Stein weiß, dass er eine schöne Druse enthält, man ihn aber zerstören müsste, um diese zu sehen, verstehst Du?"

Igrolosch schüttelte den Kopf.

"Wenn es Korgond ist, dann weiß man das irgendwie. Wenn man sich länger mit dem Thema beschäftigt hat, ist es so wie, wenn Du nach einem Steinschlag ein Pfeifen im Ohr hast. Man kann es manchmal vergessen, aber wenn es still ist, ist es immer wieder da."

"Und was machen wir jetzt?", fragte der jüngere Bruder, immer noch um Verständnis ringend.

"Wir? Wir machen gar nichts. Korgond wird die Seinen rufen, und die werden kommen. Es ist spät, wir müssen beide etwas schlafen."

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Zurück im Wiesenschlösschen schaute der Graf wieder heraus in die Sommernacht. Es gab so viel zu tun und er hatte erneut den Faden verloren. Ihm wurde bewusst, er würde sehr viel mehr als einen Abend brauchen, um seine Gedanken zu sortieren.

Wenn Korgond das war, nach dem es sich, nun ja, "anfühlte", dann würden die nächsten Jahre so ungemütlich und schnelllebig bleiben wie die letzten.



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Ereignis:
In der Grafschaft Schlund offenbart sich das Zeichen Korgonds durch das Element Feuer
Datum:
3. Eff 1040 BF