Geschichten:Die Spur der Bekenner - Erlebnisse eines Unbekannten V

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Entspannt hatte er es sich auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer gemütlich gemacht. Die müden Beine hochgelegt und besah sich nun mit einem versonnenen, tiefgründigen Lächeln den Wandteppich an der gegenüberliegenden Wand. Einer seiner Ahnen hatte diesen anfertigen lassen um Macht und Pracht des eigenen Hauses herauszustellen und zu preisen. Er hingegen betrachtete diesen Wandteppich gern als Sinnbild für das Gefüge der Macht. Dabei reichte seine Betrachtung tiefer, als es bei den meisten Adligen der Fall war. Anders als sie sah er nicht nur die Fäden die die wahrhaft Mächtigen, wie Kaiser, Herzöge und Fürsten auf der einen Seite repräsentierten und das Rittertum als bindendes, einendes Geflecht betrachten. Für ihn gab es noch mehr, weit mehr! Sparte diese Betrachtungsweise doch das Gro der Bevölkerung aus, das einfache Volk, den Unfreien auf seiner Scholle ebenso wie Geselle und Meister in den Dörfern und Städten. Sie waren das wahrhaftige Geflecht das das Gefüge der Macht trug. Das Gefüge der Macht, ein Gespinst aus verschiedensten Fäden gewoben. Tatsächlich mochte es der Wahrheit entsprechend das der Adel den Vordergrund für sich beanspruchte, doch sollte das wirklich alles sein? Sollte das wirklich reichen? Nein, das tat es nicht! Die unscheinbaren, unsichtbaren, die ungesehenen Fäden des Hintergrundes schufen letztlich das Bild, vollendeten was andernfalls nutzlos in sich zusammenfallen würde. Über wen sollte der Adel herrschen wenn es keine Bauern gäbe? Wem sollte der Adel befehlen wenn es niemand von niederer Geburt gab? Keinem, denn dann wäre der Adel überflüssig. Der Adel war es der Krieg führte, ausgetragen auf den Schultern der Bauern und Knechte. Der Adel war es der Siege feierte, während die Magd ihren Gatten betrauerte. Der Adel war es der die Festessen herunterschlang, während der Knecht Hunger darbte. Oh wie er es liebte dem Adel anzugehören. Wie er es liebte besonders an den dünnen, unscheinbaren Fäden zu ziehen. Wie er es liebte das Gespinst der Macht zu verzerren, ins Ungleichgewicht, zum Reißen zu bringen. Im Stillen dankte er dem einen, dem wahren Gott dafür, dass er ihm dienen durfte. Sein Werk erfüllte ihn, machte sein Selbst aus und war zugleich nur möglich weil er in den Adelsstand hineingeboren worden war. Wenn man es recht bedachte, sollte der Adel den einfachen Bauern viel mehr Fürchten. Ein Stallknecht, von der Ungerechtigkeit seines Herrn überzeugt, konnte den Riemen des Sattels sabotieren und damit einen Sturz provozieren. Eine Amme, vom Leid um den Verlust eines eigenen Kindes zerfressen, könnte die Falschheit erkennen und ihr adliges Mündel dem gleichen Elend aussetzen. Auch könnte der Knecht, der seinen Herrn bei der Rasur hilft, versehentlich die Klinge im falschen Winkel ansetzen und so, anstatt den Bart gleich die ganze Person vom Dereantlitz entfernen. Wahrhaftig, der Adel sollte das niedere Gesinde fürchten. Sollte ihn nicht vertrauen und stattdessen sich lieber selbst um seine Belange kümmern. Kinder hatte er keine mehr, würde nach seinem Opfer auch nie wieder welche haben, so musste er sich zumindest darum keine Sorgen mehr machen. Seine Rasur nahm er seit jeher selbst in die Hand, wie es ihm einst sein Vater beigebracht hatte und seinen Sattel überprüfte er seit einigen Götterläufen sehr sorgfältig.

Nur wenige erkannten all dies, nur wenige ließen diese Vorsicht walten und genau aus diesem Grund war er sich sicher das Gefüge der Macht erschüttern zu können. Durch sein Wirken würden viele der Fäden – egal ob Bauer, Ritter oder Fürst – für immer durchtrennt werden, während einige geschwächt fortbestanden und die wenigsten gestärkt daraus hervorgehen würden.