Geschichten:Die Last des Alterns - Teil 7: Die Kunst der Verhandlung oder Weibliche Weitsicht

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Dramatis Personae:


Baronie Gnitzenkuhl, Herrschaft Natternhöh` im Perainemond 1033 BF

Langsam kaute Tsaiane ihr Brot und beglückwünschte sich im Stillen zu ihrem Vorgehen. „Ein satter Mann ist ein friedlicher Mann!“ hatte ihre Großmutter, Boron möge ihrer Seele gnädig gewesen sein, stets gesagt. Vorsichtig nahm sie einen kleinen Schluck derweil sie beobachtete, wie sich Olblodor bereits den zweiten Pokal einschenkte. Als sie seinen mißtrauischen Blick bemerkte, trank sie schnell ihren Pokal leer, der mit Wasser gefüllt war, und fragte:

„Könntest du mir bitte auch noch einschenken?“

Natürlich kam er ihrer Bitte umgehend nach- randvoll. Mit den letzten Brocken seines Brotes nahm er noch die Reste der Tunke vom Teller auf, und wischte sich anschließend mit dem Handrücken zufrieden über den Mund.

„Ja, das kann sie unsere Köchin.“ Sagte Tsaiane schließlich an ihn gewandt.

Zustimmend nickte er, um sogleich einen Widerspruch zu erheben: „Aber denk nur daran, wie heillos verkocht jedes Mal der Fisch ist, wenn wir welchen mitbringen. Ich hab‘s inzwischen schon aufgegeben…!“

Tsaiane lachte leise glucksend während sie den Wein im Pokal schwenkte. „Ja, das letzte Mal als wir Gäste hatten mussten wir eine Suppe daraus machen. Ungewollt aber nach Selissas Einschreiten doch noch genießbar.“

„Die Baronin hat sogar das Essen gelobt!“ ergänzte Olblodor polternd, während er sich vor Lachen den vollen Wanst hielt. Sie hatten schon befürchtet es den Schweinen vorwerfen zu müssen.

„Wo wir gerade davon redeten, was wir gut können, und was weniger gut klappt…?“

„Hm?“ Olblodor schaute sie fragend an.

„Die Köchin meinst du?“

„Weniger, ich rede mehr von Selissa und ihrem Sohn Falkwin…!“ gab Tsaiane zur Antwort.

„Hör mir nur damit auf. Der Kleine kuscht ja schon weg, wenn ich nur in seine Richtung schaue!“ Olblodor hieb mit seiner Pranke auf seine Armlehne, was Cassim, der derweil eingedöst war wieder auf den Plan rief und aufkläffen ließ. „Ruhig mein Alter!“ Bedächtig tätschelte ihm Olblodor das Haupt, was der mit einem Schwanzwedeln beantwortete.

„Sprich nur weiter!“ ermutigte ihn Tsaiane.

„Ich möchte wissen, was du für Vorschläge hast was die beiden angeht, denn auch ich fürchte, dass wenn wir nicht eingreifen, sich alles in eine unerfreuliche Richtung entwickeln könnte.“

Überrascht, dass seine Gemahlin einmal an seinem Urteil Interesse bekundete, holte er weiter aus. „Bei ihrem ersten Gemahl hat sie sich scheinbar sehr wohl gefühlt, und Tsas Segen ist ja auch bald auf dem Paar gelegen, es spricht also nichts gegen eine neue Vermählung, meine größere Sorge ist der kleine Falkwin. Er ist so…verzärtelt, weibisch,…nicht kriegerisch eben!“

„Ja du hast recht, diese Schilderung trifft ganz gut auf den kleinen Mann zu. Doch was kann man tun? Sollte er zurück zur Familie der Vaters? Am Ende gibt man uns dann die Schuld daran wie er sich bislang entwickelt hat. Oder sollten wir hier eine Familie suchen, die in unserem Sinne bis zur Knappenschaft die Sache in die Hand nimmt? Du kennst dich in der Ausbildung junger Männer besser aus als ich.“

„Hm…!“ Von der Warte aus hatte er es noch nie bedacht. Sicher Anshelm war auch so einer, und wenn man nicht aufpasste, würde das am Ende ihm, Olblodor ,angelastet werden! „Ich denke ich werde hier eine geeignete Familie für ihn suchen. Er hat gutes Blut in seinen Adern fließen, er muss nur mehr unter Männer kommen.“

„Gut, dieses Problem hast du nun schon einmal geklärt, bleibt noch unsere liebe Tochter. Sie ist ein Goldschatz, kümmert sich wunderbar um den Haushalt, und hat mir hier viel Arbeit abgenommen…!“

„Aber…?“ fragte Olblodor lauernd.

„Ich fürchte ihre Interessen sind derzeit eindeutig zu… religiös?“

„Zu religiös? Das gibt es doch gar nicht, aber ich weiß was du meinst, sie hockt zu viel in den Tempeln und würde am liebsten keine Messe im Praiostempel aus lassen.“

„Genau…“

„Gut, aber das ist doch löblich! Ihr Frauen macht das doch oft, oder?“ Irritiert schaute er sie an. Er verstand nicht, wo das Problem liegen sollte.

„Schon, aber wenn die Messe von einem sehr ansehnlichen Mann geleitet wird, der sich scheinbar nicht nur um die seelischen Belange seiner Gläubigen kümmert…“

„WAAASS?“ polternd war Olblodor aufgesprungen und starrte seine Gemahlin an. Du meinst doch nicht etwa…?“

„Ich war nicht zugegen, und Selissa ist auch nicht sonderlich mitteilsam was das angeht, aber ich habe da so meine Quellen, die mir diese Information haben zukommen lassen. Es bezog sich zwar auf andere Damen, doch ich fürchte, dass es auch bei ihr passieren könnte.“

Donnernd fuhr eine Faust auf den Tisch. „Das muss ein Ende haben, oder er muss sie ehelichen. So ein falscher Hund. Predigt Moral und Recht und … und… tröstet Witwen, unfassbar.“ Er packte seinen Pokal und trank ihn leer. „Da dachte ich immer, dass Anshelm unser Sorgenkind sei, jetzt haben wir drei davon…“ Fassungslos goß er sich und seiner Gemahlin erneut nach. Ausgerechnet ein Praiot, und dazu noch so ein verbiesterter.

„Was hast du eigentlich an Anshelms Verhalten auszusetzen Odo?“

Überrascht blickte er sie an. So hatte sie ihn schon lange nicht mehr genannt. Unwillkürlich musste er lächeln und sah gleich um Götterläufe jünger aus. Doch ihre Frage holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen. „Der Junge lässt sich zu viel gefallen, er ist immer so leisetreterisch, zeigt niemandem wer der Herr im Hause ist. Ich könnte wetten jeder haut ihn übers Ohr, ohne dass er es merkt…“

Tsaiane hob beschwichtigend die Rechte, bevor er sich weiter in Rage reden konnte.

„Aber, aber…du tust ihm Unrecht. Schau dir in unserem Kassenbuch doch die Einträge an. Unterm Strich erreicht er fast die gleichen Ergebnisse wie du. Wenn du mir nicht glaubst, frag unsere Leute, sprich mit den Händlern. Er lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen, und wenn doch, macht er es im nächsten Mond wieder Wett. Er lernt Odo, das ist doch normal. Und solange du noch an seiner Seite bist, hat er doch den besten Ratgeber den er sich wünschen kann? Er ist eben einfach anders als du, aber trotzdem unser Sohn!“

Missmutig starrte er auf den Boden zu seinen Füßen.

„Was? Es ist doch noch etwas?“ Tsaiane ließ nicht locker, sie kannte ihren Gemahl einfach zu gut, als das die missgelaunte Maske sie abhielt weiter in ihn zu dringen.

„Wir werden alt, bald werden wir nicht mehr im Sattel über die Weinberge reiten können, oder den Haushalt führen, und was macht er? Reitet in den Wall! Ist nicht verheiratet, hat nicht für Nachwuchs gesorgt und lebt, als gebe es kein Morgen. Hier geht es um die Mistelsteiner, unsere Familie, unser Blut verstehst du?“ Seine Stimme war gefährlich leise, und das war es was ihr sagte, dass sie an den Kern des Problems gekommen waren.

Verstehend nickte sie und schwieg dann selbst eine Weile um nachzudenken.

„Wir sollten uns mit ihm gemeinsam unterhalten wenn er wieder hier ist. Er hat sich nie ernsthaft für eine Frau hier aus der Gegend erwärmen können. Ich hatte gehofft, nachdem Leomara wieder zu haben war, dass die beiden…aber da kam dieser Ordensritter dazwischen. Es ist sicher nicht leicht jemanden zu finden, der ihm…den Freiraum läßt, den er braucht. Das hat er von uns.“

Empört zog Olblodor die Augenbrauen nach oben.

„Mein Lieber Gemahl, wäre ich eine wahrhaft travianische Ehefrau, würde ich dich manches Mal schon in den Wall gejagt haben. Und umgekehrt: wer würde es schon gut heißen, wenn sich die Gemahlin einmal wieder tagelang in eine armselige Kate zurück zieht um halbnackte Männer zu portraitieren?“

Über ihre Pokale hinweg musterten sie sich grinsend, bis sie beide los lachen mussten. Cassim stellte wachsam die Ohren. Olblodor erhob sich um ihnen nach zu schenken. Tsaiane kam ihm auf halbem Weg entgegen. Zwischen ihnen war eine Stimmung, die ihnen wohlvertraut war. Zur Überraschung seiner Frau, packte er sie in der Taille und hob sie auf seinen Arm.

„Bevor wir zum alten Eisen gehören, sollten wir noch ein wenig Spaß haben meine Hübsche…! Schließlich sind wir nicht oft so alleine.“

Über seine Schulter griff sich Tsaiane lachend die Pokale und meinte: „Gut und morgen reiben wir uns wie ein altes ehrwürdiges Paar die alten müden Knochen ein…!“

„Pah, ich werde dir zeigen wie viel Leben noch in mir steckt Weib!“

***

Die Köchin und ihre Magd tauschten in der Küche vielsagende Blicke, als sie die Geräusche von oben vernahmen.

„Ich denke wir können jetzt abtragen.“

„Hmhm, und lass den armen Köter raus, der jault schon die ganze Zeit.“