Geschichten:Die Festgemeinde

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Zufrieden plusterte sich der kleine Spatz auf. Satt! Ein wohliges Gefühl in seiner Mitte machte sich breit. Unter ihm auf der Lichtung summte es nur so von menschlichen Stimmen, doch das störte ihn nicht. Genüsslich schloss er die kleinen Äuglein. Er hatte seinen Anteil vom Festmahl bekommen. Die Sonne wärmte sein Gefieder und die Müdigkeit, die wie stets auf ein kleines Mahl folgte, ließ ihn auch nicht mehr aufwachen, als eine leichte Böe begann die Windspiele in den Zweigen erklingen zu lassen.

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Eine heitere und dennoch nicht ohne Würde drein schreitende Schar aus Geweihten aller drei Tempel war soeben am Festplatz eingetroffen. Allen voran fielen die Brüder und Schwestern der Tsa auf. Scheinbar waren einige Vertraute der Eidechse erst von einer Reise zurück gekehrt, trugen sie doch ihre bunte schillernde Tracht ganz nach Sitte des tiefen Südens. Alles an ihnen wirkte so lebendig und jung, dass man sich in ihrer Gesellschaft unweigerlich etwas unternehmungslustiger fühlte. Die Rahjahas, Dienerinnen der Heiteren, trugen allesamt ihre rotseidenen Gewänder, nur anhand ihrer Borten am Rand der Säume in ihrem Rang zu unterscheiden. Gewagte Einblicke in die geschlitzten Gewänder ließen einige Schamhafte oder mehr der Herrin Travia zugewandte Raulsche Adlige erröten. Sie hatten einen Weinstock und ein Rosenstämmchen mit auf den Platz gebracht. Zuletzt kamen die Geweihten der gütigen Peraine hinzu. Allesamt tatkräftig aussehende, erdige Menschen, denen man anmerkte, dass sie die körperliche Arbeit in diesem Heiligtum gerne verrichteten und sich sichtlich wohl bei der Festivität in ihrem Hain fühlten. Auch sie brachten einen kleinen Schössling mit- Einen Apfelbaum mit dunkler Rinde und knorrigem Wuchs trotz seines noch geringen Alters. Ihre grünen Gewänder waren reich bestickt mit Ähren, Früchten und Blattornamentik. Drei Geweihte, einer jeder Göttin, platzierten sich in der Mitte des Platzes. Dort drapierte man nun einen kleinen Kristall auf einem Steinsockel, der auf einem Kissen in den Händen einer Schülerin der Eidechse herangetragen worden war. Er versprühte lustige Lichtsprenkel auf dem Platz, denn der Einfall der Sonnenstrahlen wurde durch die bewegten Zweige immer neu variiert. Die Familienmitglieder und die geladenen Gäste unterhielten sich derweil noch mit guten Bekannten oder Adligen, die man schon lange vermisst hatte, während die einfachen Leute weiter hinten standen und gespannt warteten, ob etwas geschah, doch alles schien seinen Gang zu gehen. Kinder sprangen laut juchzend umher, und ein ziemlich nasser schwarzer Hund leckte jedem der nicht schnell genug die Hand wegzog liebevoll die Hände ab, in Erwartung eines leckeren Bissens.

Laut ertönte plötzlich ein Hornsignal der beiden Männer, die dem Weg aus dem Hain am nächsten standen. Endlich, die Zeremonie würde beginnen. Reiter, in der Tracht der Brendiltaler, erschienen mit ihren Pferden aus dem firunswärts mündenden Pfad. Prächtiges Zaumzeug, schwarze und braune rassige Pferde, die sowohl wendig genug wirkten, als dass sie schnelle Richtungswechsel spielerisch mitmachen würden, und die dennoch kräftig genug waren um einen Krieger längere Zeit tragen zu können. Stolze Reiter hatten allesamt ihre Bögen nebst Köcher auf dem Rücken, und ihre kurze Reiterlanzen in den Händen. Langsam kehrte Ruhe ein auf dem Platz, einzig unterbrochen von dem leichten Geräusch der Metallstäbe der Windspiele und Lampions im sacht wiegenden Geäst der Bäume.

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Das Rüschentuch fest in Händen haltend schritt Gertrudis von Niederriet an der Seite ihres Mannes Perchtwin daher. Sie war sich deutlich der Blicke der Gäste die schon versammelt waren bewusst. Den Rücken gerade durchgedrückt, die Lippen zu einem feinen Strich verkniffen, bot sie genau das Bild, dass Eslam von Brendiltal sich sicher von Raulschen Frauen gemeinhin gemacht hatte. Mit puterrotem Gesicht brummelte ihr Mann neben ihr unwirsch heraus: „Natürlich werde ich Malina übergeben, das ist Tradition, und das wurde schon immer so gemacht.“ Geduldig lächelte ihn Sheena, eines dieser entsetzlich unbekleideten flatterhaften Mädchen, an, die sich Geweihte Rahjas nannten, und neben ihm ging. Er konnte sich eigentlich nur auf den Bereich knapp oberhalb ihrer Nasenwurzel konzentrieren, sobald er die Augen woanders hinwandern ließe, würde er sich womöglich sofort dazu genötigt sehen ihren kaum verdeckten Körper zu begaffen. „Abär mein liebär Pärchtwin. Wir wärrden sie nischt mähr erraichen, sie werdän sichar glaisch hier sein.“ Sie deutete mit einer äußerst grazilen Geste auf die Prozession von Nebachoten, die soeben ihr Ende gefunden hatte, und sich spalierartig am Weg aufgestellt hatten.

Eslam von Brendiltal kam nun auf seinem prächtigen Rappen zur Zeremonie und führte den Kreis der engsten Familienangehörigen und Freunde an. Stolz hielt er die Zügel locker mit der Rechten, während die Linke zur Faust gerollt auf seiner Hüfte ruhte. Gekleidet war der Patriarch in schwarzgoldene Kleidung, nebachotischen Stils und teuren Stoffes. An seinem Gürtel hing sein wertvoller Säbel mit weißem Elfenbein Griff, sowie sein Krummdolch, den er seit seinem Mannbarkeitsritual mit sich führte. Der dunkle Bart war sauber gestutzt. Als er den Zeremonienplatz erreicht hatte und abgesessen war, nahm er den Ehrenplatz der ihm zustand ein. Ihm zur Seite standen sein ältester Sohn Ra'oul und dessen Gemahlin sowie seine Freunde aus dem Hause Fir’Enok und Limpurg.

Dann dauerte es noch einen Moment, doch dann hörte man sie nahen. Dumpfen, kraftvollen Hufschlag, durch das feuchte Erdreich recht tief im Klang, dennoch verwunderlich, denn eigentlich waren die ersten nebachotischen Reiter ohne große Geräuschkulisse aus dem Baumbewuchs getreten. Mit geröteten Wangen parierte Malina von Niederriet ihre Stute durch und knapp hinter ihr wurde auch A'urel von Brendiltal nun ins Hell des Lichtes entlassen. Scheinbar hatten sie die Strecke in einigem Tempo zurück gelegt und mit einem überlegenen Lächeln zwinkerte die Rittmeisterin ihrem zukünftigen Gatten zu. Als er aufgeschlossen hatte, ritten sie Seite an Seite vorbei an den Spalier stehenden Amayins (nebachochtische Krieger) die ihre Reiterlanzen zu Ehren der Brautleute gen Alveran gerichtet hielten.

A’urel beeilte sich an Malinas Seite zu kommen, nachdem er sein Pferd – eine für diese Zeremonie vom Tempel bereitgestellte Leihgabe an das Brautpaar - in die Obhut zweier Tempeldiener gegeben hatte. Er half seiner Braut mit einem strahlenden Lächeln aus dem Sattel, da es ihr in dem Kleid nicht leicht möglich war selbst abzusteigen. Lyn ni Niamad, oder besser Lyn von Brendiltal-Niamad, selbst die frisch Angetraute des Baronets von Brendiltal, zwinkerte ihrer künftigen Schwägerin zu und nickte aufmunternd. Sie wusste wie lange sie und Sheena auf die ehemalige Hauptfrau hatten einreden müssen, um sie davon zu überzeugen, dass sie unmöglich in einer Rüstung den Rahjabund eingehen konnte. Zwar war man in Rashia’Hal einiges gewohnt und Malina verkörperte das Sinnbild von einer kriegerischen Frau für einen Nebachoten, aber die Braut stand für mehr als nur für sich. Hier heirateten heute ein Nebachote und eine Raulsche aus dem ehemaligen Fürstentum Darpatien. Ein Bund zwischen Nord und Süd sollte entstehen, selbst wenn das Brautpaar dies selbst nie beabsichtigt hatte.

Malinas Gewand war eine Gemeinschaftsarbeit aller Frauen der Brendiltaler Sippe. Es war der Brauch, dass ein Jede ihre Note auf dem Kleid hinterließ. Malina war entgegen ihrer sonstigen Art ganz gerührt gewesen, als sie es aus den Händen Sheenas entgegen genommen hatte. Orangerot eingefärbte Seide, dies war ein Wunsch der Brautmutter gewesen, war bestickt worden mit zarten roten Mustern und Borten aus helleren Blütenknospen mit kleinen Ranken in grün. An ihrem Hals trug sie einzig eine Kette mit zwei steigenden Rössern, in deren Mitte eine Perle gefangen war. Das güldene Haar glänzte in der Sonne, und ihre Augen strahlten mit dem Blau des Himmels um die Wette.

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Nicht wenige Augen, vor allem die einiger Frauen, begannen zu schwimmen, als sie Malina so glücklich vor sich stehen sahen. Auch die Mutter der Braut tupfte sich in einer feinen Geste etwas aus den Augen. Wenigstens sah sie vernünftig aus, dachte sie so bei sich. Diese ganze Brendiltaler Familie war derart unverschämt prächtig gekleidet, dass sie selbst sich schon vorkam wie ein ärmlicher Bauer. Die Frauen hatten die Haare mit Diademen hochgesteckt, die vermutlich so teuer waren, dass man sich davon ein Pferd kaufen konnte. Und die Männer kamen aus ihrem Imponiergehabe gar nicht mehr heraus, schrecklich! Wenigstens hatten sie Malinas Stolz nicht gebrochen, das sah man deutlich, ihr Mädchen würde ihnen schon zeigen, was ordentliches Benehmen war, jawohl. Sei schnäuzte sich leise und folgte weiter der Zeremonie.

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Unauffällig und ohne Pferd betrat auch eine breitschultrige Gestalt die Szenerie. Das Ornat des Mannes verriet schnell, das es sich um einen Golgariten handeln musste.

Der Knöchellange strahlend weiße Mantel war von schwarzen Borten in in der Form von Flügeln und Boronsrädern umrandet und über der linken Schulter kunstvoll drapiert worden, so dass man den matt schwarzen Rabenschnabel und den weißen Wappenrock sehen konnte, welcher ein feines Kettenhemd verbarg. In den behandschuhten Händen hielt er ein schwarz samtenes Bündel von sicherlich 3 Spann Größe und 2 Spann Breite. Die ausladend weiße Kapuze des Mantels bedeckte das Gesicht des Mannes völlig.

Nach einigen Augenblicken schob der Ritter die Kapuze unwirsch nach hinten, zog einen der Handschuhe aus und hing diesen über seinen Gürtel. Mit der nun freien Hand wischte er sich einige Schweißperlen von der Stirn und atmete tief durch. Die ergrauten halblangen Haare waren waren knapp zu einem kurzen Zopf nach hinten gebunden, der ergraute Kinnbart auf einen Viertelfinger gestutzt. Eine kleine Narbe zog sich knapp über die rechte Schläfe, weitere Narben am Halsansatz und an der sichtbaren Hand zeugten von einem Kriegerischen Leben.

Einige wohlgemeinte nonverbale Grüße später hatte sich Thurbold einen Platz am Rande ergattert von denen er die Szenerie gut überblicken konnte und harrte der Dinge die kamen.

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Zur Zeremonie hatte sich auch Selinde, die Baroneß zu Vellberg, am Festplatz eingefunden, angetan in einem zwar recht kostbaren aber ziemlich einfach geschnittenen, taillierten grünen Kleid, zu dem sie als Schmuck lediglich eine silberne Kette mit dem Medaillon ihrer Mutter trug. Ihr mittellanges braunes Haar trug sie offen und hatte auch keinen Versuch unternommen, ihre Narbe auf der Wange zu verbergen. Die Baroneß hatte noch nie viel auf Äußerlich- oder gar Eitelkeiten gegeben und fand sich so schon zu sehr 'herausgeputzt', auch wenn sie wußte, daß dies bei so einem Anlaß nun einmal unumgänglich war. Beinahe hätte sie sich verspätet: Ein Plausch hier, ein Schwätzchen dort und schon mußte sie sich sputen, nicht zu spät zu kommen. Das Satinav auch immer so unerbittlich sein mußte! Dabei hatte sie noch nicht einmal alle Personen getroffen, die sie seit der Jagd auf das Monster vom Darpat kennen- und schätzengelernt hatte! Nur kurz grämte sich die junge Frau deswegen; nach der Zeremonie war ja schließlich auch noch Zeit.

Nachdenklich betrachtete sie das Brautpaar, das so gänzlich verschieden wirkte, ganz so wie ihrer beider Heimatregionen, welche nun eine gemeinsame Provinz bildeten. Entweder rauften sich beide rasch zusammen, um dann eine glückliche Ehe zu führen oder sie würden schon bald getrennte Wege gehen. Erst am Ende ihrer Gedanken fiel Selinde auf, daß sie damit über das Paar wie das Land gleichermaßen sinniert hatte. Nun wieder ganz auf das Geschehen konzentriert, verfolgte sie nicht nur den Verlauf der Zeremonie sondern hielt zugleich Ausschau nach ihr bekannten Gesichtern.

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Über die Menge der Zaungäste hinweg hatte sich Leomara von Isenbrunn einen Überblick verschafft, indem sie sich auf eine Stufe des Brunnens gestellt hatte. Sie war freiwillig in den Hintergrund getreten, denn es war gerade schwer zu ertragen, dass hier ein Paar den Travia- oder besser Rahjabund schloß wo ihre eigene Liebe, Unswin von Keilholtz , auf sich warten ließ. Ausserdem war den hohen Herrschaften vorbehalten weit vorne zu sitzen, doch heute machte ihr das gar nichts aus. Die Distanz zu ihrer Baronin war nur gut, denn sie war immernoch aufgebracht da Geshla , ihre Halbschwester und Herrscherin Gnitzenkuhls, beim Besuch der Therme doch tatsächlich kein weiteres Wort darüber verloren hatte,was ihr Vater Roderick von Isenbrunn nun genau vor hatte. Nach eingehender Befragung war sie nur dazu bereit gewesen zu eröffnen, dass sein kurzer Jagdausflug vor einigen Wochen mitnichten ein solcher gewesen war. Als sie ihren Blick schweifen ließ erkannte sie einige bekannte Gesichter. Die Jäger aus Brendiltal Kor'win und Kain waren angereist und in der großen Schar der Nebachoten fast von ihr übersehen worden. Sie musste zugeben, dass sie bisweilen sogar schon Probleme gehabt hatte die Männer dieser Volksgruppe zu unterscheiden. Dunkle Haare, dunkle Augen und eine markante Nase, da hatte sie schon ihre liebe Not gehabt und einige aufgebrachte Diskussionen geführt. Wie sie eben erkennen konnte war Selinde von Löwenhaupt-Hauberach ebenfalls unter den Gästen zu finden, allerdings inmitten der Raulschen. Als diese ihren Blick einmal schweifen ließ, winkte sie ihr unauffällig zu. Vielleicht konnte sie ja nach dem offiziellen Teil eine Gelegenheit finden zu ihr zu stoßen?

Die Brauteltern wirkten gelinde gesagt hölzern auf die Ritterin. Die Mutter war auf den Platz geschritten als gelte es jemanden zu Grabe zu tragen, und der Mißmut des Brautvaters war auch kaum zu übertreffen. Ganz anders die Nebachoten. Hier war ein Lachen und Schnattern und ein Frohsinn, dass Leomara Zweifel kamen, ob nicht manches Mal die Sicht dieser Menschen die bessere war. Einerlei, solche merkwürdigen Gedanken wollte sie heute gar nicht erst aufkommen lassen, diese Beiden hatten den Schritt getan, und zu diesem Anlass war man hier. Mit einem schicksalsergebenen Seufzen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Zeremonie.