Geschichten:Deutung von Geshlas Traum - Bishdaryan deutet

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Reichsstadt Perricum, Anfang Phex 1040 BF, Kloster des Vergessens

Zuletzt waren die Erinnerungen aus der Baronin geradezu herausgesprudelt. Es fühlte sich einfach richtig an, das beunruhigende Traumbild dem Seelsorger anzuvertrauen. Geshla meinte zu spüren, wie ein wenig ihrer Last von ihr genommen war.

Bishdaryans erste Frage überraschte sie um so mehr: "Findet Ihr seither in den Nächten Ruhe? Oder ist Euer boronsgesegneter Schlaf seitdem unruhig und quälend?" Die Baronin wollte antworten, aber er sprach schon weiter, darauf vertrauend, dass sie seinem Gedankengang folgen würde: "Wenn Ihr so bedrückt sein solltet, dass Euch selbst Borons Arme nächtens keine Erholung geben, so sagt es offen - Noiona wird Euch helfen, solange Ihr hier im Kloster weilt.

Falls Ihr aber doch wieder zur Ruhe gefunden habt - und sei es auch nur im Schlafe -, so stärkt das eine Vermutung, die ich habe." Abrupt wechselte der Geweihte scheinbar das Thema: "Eure tatsächlichen Kinder sind, nehme ich an, nicht missgestaltet?" Es war mehr eine Feststellung denn eine Frage: "Das Kind in Eurem Traum ist fraglos ein Sinnbild, doch angesichts Eurer... bedauerlichen familiären Situation spricht es Euch besonders stark an.

Wir müssen ein wenig von der vermeintlichen Geburt fort, wenn Ihr verstehen möchtet, was der Traum bedeutet. Er gönnt Euch keine positive Rolle, denn ihr tragt darin etwas Missgestaltetes in die Welt. Auch das ein Sinnbild, nicht wörtlich zu nehmen, aber Eure Rolle in der wirklichen Welt lässt Euch Mitgefühl erleben mit dem, was Ihr da in die Welt tragt. Lasst mich direkt fragen: Werft Ihr selbst Euch - zu Recht oder zu Unrecht - ein Versagen in den Herausforderungen der vergangenen Götterläufe vor? Oder gäbe es jemanden, der Euch vorwerfen könnte, etwas nicht getan zu haben, was Ihr hättet tun können oder sollen?" Doch erneut sprach er weiter, bevor sie eine Antwort geben konnte: "Das geradezu daimonisch missgestaltete Kind ist etwas, was die Nebachoten erschreckt. Und diese allegorischen Personen, stehen tatsächlich für die alte Herrschaft - was sich in der Mystik der Zahl Acht zeigt. Schon wieder die Acht... Ist das Neue das, was die alte Herrschaft bedroht? Oder ist das Neue zugleich etwas Daimonisches, das jung in die Welt gelangt ist?"

Jetzt war es der Geweihte, dem die Schweißperlen auf der Stirne standen. Es strengte ihn an, Geshla über die verschlungenen Pfade des Verstehen zu geleiten.

"Vielleicht ist das zweiköpfige Kind ein Symbol für die Zweigesichtigkeit der Macht, die aus dem Adel entspringen kann? Die Macht zum Guten und die Macht zum Bösen? Nur, dafür gibt es keine erkennbare Symbolik in Eurem Traum, weder in Bildern noch in Zahlen. Und wofür ständen dann das grünäugige Mädchen und der alte Mann? Hochgeboren, seid Ihr sicher, dass Ihr mir alles erzählt habt und nicht einen Aspekt verkürzt, der Euch womöglich nebensächlich oder peinsam erschienen ist?"

Geshla sinnierte kurz über die Aussagen ihres Gegenübers. Man sah ihr an, dass die begonnene Deutung sie überraschte.

"Was ich kurz und knapp beantworte kann, ist, dass ich keine nennenswerten Schlafstörungen seitdem mehr hatte. Der Traum war einmalig, und das genau am 20 Tsa 1040 BF."

Sie dachte weiter nach.

"An sich," begann sie zögerlich, "glaube ich alle relevanten Zahlen und Bilder wieder gegeben zu haben. Zumindest sind mir vor allem die Anzahl Acht der Gelehrten im Kopf geblieben, wobei ich hier schon an die Acht Schwerter der Au dachte, wenn auch bis auf die Zahl kein Zusammenhang zu finden ist!" Sie schloß erneut die Augen, wie um den Traum erneut zu durchleben. Dann nickte sie bestätigend.

"Die Farben...grüne Augen, purpurne Tränke zur Schmerzlinderung, grüngelb starrende Augen, dies schien mir persönlich noch relevant zu sein. Doch fand ich dazu keine eindeutige Zuordnung." Weitere kurze Momente später meinte sie dann: "Zahlen kann ich nur die Acht, dann die zweimal Drei nennen."

Die Baronin atmete dann tief aus, bevor sie weiter sprach.

"Die letzte Frage, nach persönlichen Verfehlungen oder Unterlassungen - ich fürchte, hier kann man nur schwer selbst urteilen. Es gab in allerjüngster Zeit einen Spion. Einen Nebachoten, über den ich richtete, nachdem er mit Magie versuchte, an mehr Wissen über Korgond zu gelangen. Wir konnten nicht herausfinden, wer sein Auftraggeber war. Ich habe ihn blenden lassen. Doch das Volk der Nebachoten war mir schon immer fremd, suspekt, illoyal und viel zu kriegerisch und unzivilisiert. Daher standen diese "vermeintlichen" Nebachoten in meinem Traum für mich persönlich keineswegs als positive Begleitumstände, sondern sie stehen für mich generell als zweifelhafte Vertreter eines Volkes, das vergangen ist, es nicht begreift, und falschen Idealen nachrennt. Doch das nur am Rande." Ein entschuldigendes Lächeln ob dieses Exkurses huschte kurz über ihr Gesicht, bevor sie sich wieder konzentrierte.

"Wir haben hohen Blutzoll gegen Haffax geleistet, ich denke hier ist auch nach objektiven Gesichtspunkten kein Fehl zu finden. Vielleicht... vielleicht, weil ich ein Stück Land aus der Nachbarbaronie meinem eigenen Land angegliedert habe?"

Sie schaute fragend den Geweihten an. "Doch auch das sehe ich nicht als Verfehlung. Es war eine logische Konsequenz aus den kriegerischen Handlungen der Nachbarn. Selo von Pfiffenstock mag das anders sehen!"

Dann schien jedoch ein anderer Gedanke sie zu beschäftigen. "Man könnte natürlich, wenn man es aus Sicht des Bündnisses mit dem Land betrachtet sagen: ich habe nicht konkret danach gesucht. Habe nicht alles daran gesetzt mehr heraus zu finden, jenen Bund wieder herzustellen, hier wie auch andernorts!"

Braune Augen ruhten in den seinen. Scheinbar gingen ihr die Ideen aus, welche Antworten sie ihm noch geben könnte.

Bishdaryan grübelte nun seinerseits ein wenig über das Gehörte, ehe er selbst wieder sprach: "Tatsächlich ist da also etwas gewesen, was mir entging: Das Purpur könnte, muss aber nicht, ein Fingerzeig auf die Gefahr einer Korrumpierung sein. Für Euch bedeutet dies: Seid wachsam bei all Eure Entscheidungen. Auch bei Eurem Urteil über das Erbe der Nebachoten - fließt deren Blut doch auch in den Adern mancher Eurer Standesschwestern und -brüder, die Eure verlässlichen Verbündeten sein könnten. Lasst Euch nicht vom Affekt zu Fehlschlüssen verleiten. Denn das sind die Werkzeuge des Dreizehnten, mit denen er die Gläubigen in die Irre führt, was letztlich den Knechten der Siebtsphärigen gefällt. Wo Ihr einen solchen Knecht erwähnt: Es scheint Euer Schicksal zu sein, Spione zu jagen und zur Strecke zu bringen." Geshla nickte grimmig, sich der gemeinsamen Hatz auf einen Zuträger des Fürstkomturs erinnernd.

Beim nächsten Exkurs beruhigte der Geweihte Sie: "Ich bezweifle, dass eine Landaneignung ein Quell von Albträumen wäre. Sonst würde jeder Herrscher schlecht schlafen, der mit Rondras oder Phexens Mitteln seinen von Praios gegebenen Auftrag erfüllt, sein Herrschaftsgebiet stark und groß zu halten. Das sind weltliche Belange, in denen die Adeligen die Götter weder auf der eigenen noch auf der anderen Seite sehen sollten. Wohl aber auf der eigenen, wenn es darum geht, die zwölfgöttliche Ordnung zu stärken oder wiederherzustellen. Da Ihr ein reines Gewissen habt und Boron Euch Ruhe spendet, zeichnet Euer weiterer Weg sich ab: Der alte Bund muss die Herrschaft wieder begründen. Das zu ermöglichen ist zu einem Teil auch Eure Aufgabe. Doch mit den richtigen Mitteln und rechten Absichten. Diese zu überdenken mahnt Euch Euer Traum, wie er auch eine Warnung ist, dass es in Euren Händen liegt, ob ihr den Weg zu Korgond im Zeichen der Zwölf beschreiten werdet."

Sie nickte. Erst langsam, dann rascher. Ganz so, als ob sie einen Entschluss gefasst hätte.

"Ja, genau! Habt dank für die Hilfe bei der Deutung meines Traumes." Die Worte kamen mit dem Brustton der Überzeugung, und es lag Ernst in Ihrem Blick.

"Es tat gut, sich endlich über diese merkwürdigen, bis verstörenden Bilder auszutauschen. Einfache Gemüter hätten hier sicher verurteilt, mangels besserer Kenntnis der Traumdeutung. Noch dazu hätte ich ja kaum Außenstehende, die nicht über den Bund Bescheid wissen, ins Vertrauen ziehen können.

Ich werde natürlich dem Kloster eine Spende überlassen für Eure Hilfe. Es gibt hier ja einige Besucher, die ebenfalls der Hilfe bedürfen!"

Als nehme sie erst jetzt wieder all die anderen Menschen im Garten wahr, blickte sie um sich. In einer Nische nah bei einer Hecke wartend, fand sie ihren ersten Ritter.

"Ah, da ist ja mein Begleiter!" Sie verabschiedete sich nun von Bishdaryan und wünschte ihm noch einen schönen Tag, bevor sie mit Hlutharion von Sturmfels an ihrer Seite wieder die Gemäuer verließ.



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25. Tsa 1040 BF
Bishdaryan deutet
Bishdaryan deutet


Kapitel 3

Bishdaryan deutet
Autor: Tomira, Schling