Geschichten:Deutung von Ardos Traum - In Perricum

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Perricum:Reichsstadt Perricum, Anfang Phex 1040 BF, Kloster des Vergessens

Tatsächlich waren Ardo und sein Knappe gut vorangekommen. Wappen und Rang des Barons hatten ihnen an Zolltoren und Brücken schnelles Fortkommen gesichert und wohl auch den einen oder anderen Beutelschneider abgeschreckt. Ardo hatte noch am Abend der ersten Rast seinen Traum zu Papier gebracht, aus Angst die Erinnerung daran könnte bis Perricum verblassen. Doch wider erwarten war ihm als die Stadtmauern der Reichsstadt am Perlenmeer endlich in Sicht kamen noch jede Einzelheit so bewusst, als würde er den Traum gerade erst durchleben.

Kurz vor dem westlichen Stadttor verließen die zwei Reisenden die Reichsstraße und folgten dem Pfad firunwärts in Richtung des Boronangers. Hier wusste Ardo das Noioniten-Kloster in welchen Bruder Bishdaryan zuletzt seinen Dienst versehen hatte. Kurz vor der Pforte hielt der Baron an, stieg ab und übergab seinem Knappen die Zügel. Dann trat er gemessenen Schrittes auf die Klosterpforte zu und klopfte Boron gefällige fünfmal. Einige Augenblicke der Stille vergingen, bis ein Sichtfenster geöffnet wurde und das Gesicht einer Frau erschien.

„Was ist Euer Begehr?“

„Mein Name ist Ardo von Keilholtz, ich bin der Baron zu Kressenburg. Ich bin den weiten Weg aus Greifenfurt gereist, um mit Seiner Gnaden Bishdaryan von Tikalen zu sprechen.“

Die Laienschwester hinter der Pforte hörte ihm still zu und zeigte keine Regung. Sie schien kurz zu überlegen. „Wartet hier.“ Mit diesen Worten schloss sie das Sichtfenster und ließ Ardo vor der Pforte stehen.

Nach einer Weile wurde das Tor geöffnet. Zwei schwer bewaffnete Söldner nahmen die Gäste in Empfang. Der Knappe wurde mit einer kurzen Geste zur Seite gebeten, während der Baron in Richtung des Klostergebäudes geleitet wurde. Im Radgang erkannte er schließlich den Boron-Geweihten, der dort auf ihn wartete.

„Boron zum Gruße, Vater Bishdaryan.“ Ehrfürchtig verneigte sich der Baron.

"Und der tröstende Boron mit Euch, Bruder", erwiderte Bishdaryan Ardos Gruß und - tatsächlich - lächelte. Es hatte ein Weilchen gedauert, bis eine heftig stotternde Botin - an den Farben ihres Schurzes als Schutzbefohlene des Klosters zu erkennen - Ardo zu dem Geweihten im Radgang geführt hatte, der um den Innengarten verlief.

Trotz der Frühlingssonne, die zwischen den Säulen auf sie schien, fröstelte es den Baron etwas. Sein Gesprächspartner stand im Schatten, zeigte aber kein Gefühl von Wärmebedürfnis.

"Ich denke, ich weiß, was Euch zu mir führt, mein Sohn", sagte Bishdaryan. "Doch berichtet selbst: Wobei kann dieser Diener Bishdariels Euch beistehen?" Seine Stimme war fest, trug aber seltsamerweise nicht weit. Ardo bezweifelte, dass die rothaarige Frau an einem der Kräuterbeete im Garten verstanden hätte, was sie sprachen - wenn sie denn gelauscht und nicht fortwährend einem unsichtbaren Zuhörer von ihren Erlebnissen und Heldentaten erzählt hätte.

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Der Geweihte strahlte eine Aura der Ruhe aus, der sich der Adelige nicht entziehen konnte – oder wollte. Die Hast seiner Anreise war jäh von ihm abgefallen. Er begann zu berichten.

„Ich erwache aus dem Schlaf in meinem Schlafgemach, das in helles Madalicht getaucht ist. Unter dem Teppich bemerke ich eine mir unbekannte Falltür. Neugierig öffne ich sie und sehe eine Strickleiter in einen dunklen Raum baumeln. Ich greife nach einer brennenden Fackel und steige hinab. Der unter meinem Gemach liegende Raum wirkt wie eine Bauernwohnstube. Sie erinnert mich an die Erzählungen von den Lebensumständen der ersten Keilholtzer, die mir mein Großvater einmal als kleiner Junge erzählt hat.

In einer Ecke bemerke ich eine steinerne Wendeltreppe und steige auch sie mit klopfendem Herzen hinab. Die Treppe führt in einem Kellerraum. Die Backsteinmauern wirken wie aus der Besiedlungszeit der Bosparaner und auf den groben Steinplatten, aus denen der Boden besteht, liegen alte rostige Waffen und Rüstungsteile wild durcheinander. In einer Ecke sehe ich eine Steinplatte mit eisernem Ring. Hinab führt eine schmale Stiege in eine Art Höhle, in deren Mitte acht Stelen stehen. Auf den Stelen erkenne ich die Symbole Gesicht, Madascheibe, Blutstropfen, Knochen, Gänsefeder, Felsbrocken, Flügel und Flamme.

Vor jeder Stele liegt ein Schädel. Manche sind nicht einmal vollständig verwest, andere weiße Totenköpfe. Ich gehe zur Flammenstele. Dort liegt ein frisch abgeschlagener Kopf. Ich packe den blutigen Schopf und hebe ihn ins Fackellicht. Mein eigenes Gesicht. Meine Augenlider öffnen sich und starren mit ausdruckslosen purpurnen Augen. Mein Mund öffnet sich, meine eigene Stimme erklingt mit Donnerhall und ruft: ‚Korgond’.“

Ohne Pause oder nachzudenken hatte Ardo seinen Traum vorgetragen. Die Erinnerung war noch immer, zwei Wochen danach, so klar und deutlich als würde er ihn gerade eben erst durchleben.

„Wie Ihr seht Vater Bishdaryan, scheint der Traum einen klaren Hintergrund zu haben. Die Suche nach Korgond beschäftigt den eingeweihten Kreis des garetischen Adels ja nun schon mehrere Götterläufe und mir drängt sich der Gedanke auf, dass dieser ungewöhnliche Traum etwas damit zu tun hat. Ich habe die Tage meiner Reise hierher damit verbracht die Bilder zu ergründen, doch bin ich nicht weiter gekommen, als mein Schwert Flammenschlag“, hierbei deutete Ardo wage in Richtung der Klosterpforte wo sein Knappe wartete, „mit der Flammenstele und somit auch die anderen Schwerter der Au mit den übrigen Stelen in Verbindung zu bringen. Was jedoch die Bedeutung des Ganzen sein soll, darauf kann ich mir keinen Reim machen.“

Aufmerksam war Bishdaryan Ardos Bericht gefolgt, während die beiden langsam unter dem Radgang vorangeschritten waren. Nun hielt er an, strich sich mit dem linken Zeigefinger über seine Augenbrauen. Er musterte den Baron mit ruhigem Blick: „Ich will Euch helfen, diesen Reim zu finden. Bedenkt aber, dass es alleine in Eurem eigenen Nachdenken liegt, aus diesem Traum Verständnis zu gewinnen - und daraus Schlüsse für Euer künftiges Handeln zu ziehen.“

Er winkte Ardo zu einer steinernen Sitzbank in einer Nische der Wandelgalerie. Nachdem sie sich niedergelassen hatten, fuhr der Seelsorger fort: „Ihr sagt, viele Eures Standes befassten sich dieser Tage mit dem legendären Korgond. Wisset, dass auch viele wie ihr seltsame Träume träumen. Jeder den seinen, doch es gibt Parallelen darin“, sagte er, halb zu sich selbst.

„Wem Ihr vertraut, mit demjenigen sprecht darüber. Nun zu dem, was Ihr selbst gesehen habt. Der Weg in die Tiefe, hinab die Treppen - das ist Metapher für eine Reise zurück in die Vergangenheit. Zurück in die Geschichte Eures Hauses, des Landes, und in eine Zeit, bevor die horasischen Siedler hierher kamen - Ihr lasst deren Reliquien hinter Euch. Die acht Stelen...“, er grübelte einen Moment, „…Acht als mystische Zahl der Herrschaft…? Ja, auch sie kehrt wieder. Doch die Symbole? Sie könnten für Personen stehen, nein, eher Erblinien, Häuser, vielleicht sogar bestimmte Personen. Sagen die Symbole Euch selbst etwas? Was auch immer die Traumbilder verursacht - Euer eigener Geist formt sie. Kein Träumer vermag zu träumen, was er sich nicht vorstellen kann. Darum geht in Euch und sagt mir, wofür die Symbole auf den Stelen für Euch stehen, was oder wen Ihr damit verbindet. Dann können wir gemeinsam dem Verstehen acht Schritte näher gelangen.“

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Ardo dachte lange über die Worte Bishdaryans nach. Er hätte die Symbole auf den Stelen eher mit den Acht Schwertern der Goldenen Au in Verbindung gebracht. Der Geweihte war nun aber zu dem Schluss gekommen, dass diese viel eher für Adelshäuser stehen würden. Darauf konnte sich der Greifenfurter auf Anhieb noch viel weniger einen Reim machen. Mit den Schwertern hatte er sich dank Leobrecht und seiner eigenen Aufgabe als Herz der Herzen näher befasst und hätte die Acht wohl den Symbolen zuordnen mögen. Aber woher sollte er Häuser und Erblinien aus vorbosparanischer Zeit kennen? Sicherlich, seine eigene Burg stand auf den Grundmauern eines Wachturms aus der Zeit der bosparanischen Besiedlung Greifenfurts. Seine eigene Familie hatte zur Zeit der Klugen Kaiser Land besessen wo sich heute die Reichsstadt Gareth erstreckte und war erst unter Priesterkaisern nach Greifenfurt gekommen. Er war sich recht sicher, dass sein Haus und seine Erblinie nicht mit einer der Stelen gemeint sein konnten, hatte seine Familie doch schon immer den schwarzen aufrechten Keil auf grünem Grund getragen. Zumindest soweit die Aufzeichnungen in Greifenfurt zurückreichten. Die garetische Zeit seiner Familie verlor sich im Dunkel der Geschichte.

Der Baron hob das Gesicht zum Himmel. Ein Keil Wildgänse zog gerade von Süd nach Nord vorüber. Ihr Schnattern drang leise zu ihnen herunter. Nachdenklich zog er die Stirn kraus. So sehr er sich auch bemühte, ihm fiel kein Zusammenhang mit den großen Häusern und herrschenden Familien Garetiens ein. Plötzlich klarte sich sein Blick. Vielleicht nicht Garetien, aber dafür Greifenfurt! War die Markgrafschaft nicht früher Teil des Königreiches gewesen? Zumal ja in den letzten Götterläufen immer wieder das Gerede von einem ‚Großgaretien’ nach historischem Vorbild aufkam.

„Das Symbol des Gesichtes“, sagte er schließlich leise und blickte den Geweihten an. „Das Haus Wertlingen trägt ein behelmtes Gesicht in grün und gelb als Wappen und man sagt, es existiere bereits seit bosparanischer Zeit. Sie waren im frühen Mittelreich ein Fürstenhaus, stellten sogar einen Priesterkaiser, bevor sie im Zuge der Reto’schen Reichsgrundreformen die Fürstenwürde verloren und zu Landgrafen wurden.“ Ein wenig hilflos hebt und senkt er dann die Hände. „Zu den anderen Symbolen will mir nichts Rechtes einfallen. Die Flügel… kann ich bestenfalls mit der hartsteenschen Familie Schwingenfels verbinden, doch ergibt sich hier für mich keine Verbindung zu Korgond. Zumal sie, soweit ich weiß, nie Herren der Hartsteenschen Lande waren. Wenn man das Symbol der Flügel weiter fasst, mag man das Haus Rabenmund noch in Betracht ziehen, welches ja über viele Jahrhunderte noch mehr Macht im Reich besaß als heutzutage.“ An den Fingern beginnt Ardo abzuzählen um seine Gedanken zu ordnen. „Die Flamme würde ich, außer zu meinem Schwert, vielleicht noch mit dem Wappen der Grafschaft Schlund verbinden. Zumal ich im letzten Götterlauf mit Flammenschlag im Raschtulswall gewesen bin und das Schwert mich dorten gänzlich in seinen Bann gezogen hatte. Es ist schwer zu beschreiben, aber obgleich ich mich zuvor nie so tief in den Wall gewagt hatte, drängte sich mir dort das Gefühl auf zu Hause zu sein. Als würde ich jeden Grat und Gipfel von klein auf kennen. Als wären die Stiege und Geröll für mich wie Reichsstraßen, Wolken und Wind ein offenes Buch aus dem ich Wetter und Regen auf Stunden im Voraus erkennen kann. Irgendeine mystische Verbindung gibt es da, auch wenn sie sich mir in ihrer Tiefe nicht gänzlich erschlossen hat.“ Für einen Moment schien Ardos Geist zu diesen Erinnerungen abzudriften bevor er mit einem leichten Kopfschütteln wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrt. „Aber zurück zu den Familien und Häusern. Im Moment herrscht im Schlund die Zweihammersippe, davor das Haus Faldras und davor das Haus Ruchin. Doch keines von ihnen trägt die Flamme im Wappen.“

Wieder machte Ardo eine kurze Pause. „Es mag weitere Familien und verschollene Häuser geben, die man mit den übrigen Zeichen in Verbindung bringen könnte. Mir jedoch würden zuerst zu fast allen Symbolen Götter einfallen. Praios und Travia, Ingerimm und Boron, Rondra und Kor, Mada und Ifirn. Ich weiß, das widerspricht Eurer Deutung Vater Bishdaryan, aber Ihr fragtet auch, was mir zuerst in den Sinn käme.“

Der Geweihte überlegte ein wenig und nickte dann: „Gut getan, Hochgeboren. Sprecht immer frei heraus, was Ihr denkt. Denn Ihr deutet Euren Traum selbst, und ich leite Euch nur dabei. Und um Euch zu leiten, dazu muss ich Eure Überlegungen kennen.“ Er berührte das auf seiner Brust prangende, silberne Boronssymbol: „Götter und Halbgötter also? Nicht die heute kodifizierten Zwölfe, sondern vielleicht jene acht guten Prinzipien, die die Menschen im untergegangenen Königreich leiteten, ehe die Horasier...“, er lächelte entschuldigend und korrigierte sich, „...die Bosparaner Herrschaftsformen und Riten dorthin proliferierten. Ihr seid ein götterfürchtiger Herrscher, Baron Ardo?“

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Der Keilholtzer war einen Moment von der Frage überrascht, antwortete dann jedoch überzeugt und gerade heraus. „Das würde ich, in aller Demut, tatsächlich von mir behaupten. Zufürderst von allen Zwölfen verehre ich den Götterfürsten und versuche stets Praios’ Gebote der gerechten Herrschaft zu befolgen. In Kressenburg lasse ich gerade einen Tempel zu seinen Ehren errichten, damit seine Worte von Ordnung und Gerechtigkeit in diesen schweren Zeiten leichter an das Ohr der Menschen gelangen. Während meiner ritterlichen Ausbildung habe ich die Gebote der Herrin Rondra verinnerlicht und befolge sie, wann immer ich mein Schwert ziehe. Zudem hat meine Familie eine starke Verbindung zu den Kirchen der Travia und der Peraine. Meine Tante als auch mein Bruder haben Travias Weihen erhalten, mein Onkel die der Peraine und ihrer aller Rat ist mir teuer. Nicht zuletzt ist der Herr Ingerimm von großer Bedeutung für mein Lehen und damit für mich, beherbergt Kressenburg doch eine große Anzahl Zwerge aus dem Kosch und lebt zu einem guten Teil vom Erlös ihrer handwerklichen Erzeugnisse.“ Ardos Blick wurde nun ein klein wenig unsicher. „Ich muss mir jedoch auch eingestehen, dass ich mein Lehen bisweilen über recht lange Zeiten nicht mit dem persönlichen Einsatz verwalte, der nach der Auffassung mancher meiner Berater notwendig wäre. Schon vor Bogenbrück war ich immer bemüht den Rufen der Kaiserin Folge zu leisten oder auch Aufgaben für meine Markgräfin zu erfüllen, die jemand Geringerer hätte erledigen können. Sicherlich gehört es zur Lehnspflicht den Befehlen meiner Lehnsherrin zu gehorchen, aber in vielen Situationen würde es jeder verstanden haben, hätte ich mich entschuldigen lassen oder einen Vertreter entsandt, um in meinem Namen zu handeln und zu sprechen. Wenn ich meine Lande verlasse, weiß ich Kressenburg natürlich in den Händen vertrauenswürdiger Verwalter und Berater, doch bleibt das Gedeihen der Baronie letztlich meine Verantwortung, der ich mich nicht entziehen kann und will.“

„In jedem Fall herrscht Ihr über Euer Lehen nach dem Willen der Zwölfe und seid gehalten, die zwölfgöttliche Ordnung zu verteidigen. In diesen Tagen, da das Seuchengift der Dämonenbuhlerei vielerorts noch immer im Land schwärt - und schlimmer noch: in vielen Menschen - ist diese Aufgabe umso bedeutsamer. Das Ritterschwert stolz und gläubig zu führen ist leicht, wenn man keine Anfechtungen erlebt.“

Ardo erinnerte sich an die Gefahren, die er und der Noionit gemeinsam durchlebt hatten. Die Art wie Bishdaryan ritt und kämpfte hatte dem Greifenfurter schon damals gezeigt, dass der andere einst das Waffenhandwerk gelernt hatte und als Geweihter ein Spätberufener war. Was den Horasier wohl auf den Weg der Stille, Einkehr und Seelsorge geführt hatte?

Sein in Schwarz und beruhigendes Dunkelblau gekleideter Gesprächspartner fuhr fort: „Ob noch bestehende Häuser gemeint sind oder erloschene? Ich weiß es nicht. Nicht einmal, ob unsere Vorfahren überhaupt Wappen führten. Doch: Acht Götter, acht Prinzipien, acht Schwerter - die Bedeutung des Gesehenen kann vielschichtig sein. Darum sagt mir: Welche Deutungen seht Ihr für die Flamme, das Symbol auf jener Stele, auf der Euer abgetrenntes Haupt stak?“

Ardo dachte diesmal länger nach bevor er eine Antwort fand. „Die Flamme hat für mich mehrere Bedeutungen. Natürlich steht sie für den Herrn Ingerimm, aber auch für das Herdfeuer Travias. Mit dem Bildnis verbinde ich zudem die reinigenden Flammen der Gerechtigkeit Praios’ und die segnende Wärme der Praiosscheibe. Durch mein Schwert Flammenschlag, allein der Name ist schon bedeutungsschwer, bekommt jedoch auch die Herrin Rondra ihren Platz, entriss ich es doch im Kampf den Händen eines Paktierers und wurde nach einem ehrenvollen Zweikampf hier in der Löwenburg zu seinem Träger bestimmt.“ Einen Moment senkte der Baron den Blick und besah sich seine Handflächen, als könne er sie Antworten aus den Linien darin lesen. „Wie ich bereits sagte, sind all diese Aspekte wichtige Pfeiler meines Wesens. Ein jeder steht für einen Teil meines Lebens und meiner Persönlichkeit. Sie alle sind jeder für sich teilweise sehr verschieden, lassen sich jedoch durch die Flamme verbinden und gehen darin auf.“

Ein längeres Schweigen machte sich breit, während der Noionit dem Baron Zeit ließ seine Gedanken zu ordnen. Nachdenklich flüsterte Ardo schließlich mehr zu sich selbst als zu Bruder Bishdaryan. „Bin ich…die Flamme?“

Bishdaryan zögerte, ehe er antwortete: „Ein stoffliches Symbol – Euer Schwert – und positive Assoziationen, die Ihr an die Flamme knüpft… es mag Euer Traum ein Hinweis darauf sein, wo Euer Platz sein kann: Im Bund von Korgond dazu bestimmt, für die Ordnung zu streiten – und für die Ideale, die Ihr in Euch tragt, symbolisiert durch die Flamme.“

Er zögerte erneut, sein verdunkelte sich. Oder war es das Licht im Radgang des Klosters? „Zugleich birgt da Traumbild eine offene Warnung: So Ihr bereit seid, Euren Platz zu suchen und zu handeln – und so, wie ich Euch kennengelernt habe, werdet Ihr das tun -, müsst Ihr bereit sein, Euch Bedrohung und Gefahr zu stellen – und Euer Leben geben, falls sich eine Notwendigkeit dafür ergeben sollte. Doch...“, es schien Ardo, als werde es wieder heller (wohl eine Wolke, die vorübergezogen war), „Habt keine Angst: Wer sein Schicksal selbst gestaltet, hat nicht nur die Freiheit, das Richtige zu tun, sondern auch das Wissen, dass er auf der Seelenwaage Rethon nicht zu leicht sein soll, falls er dem Willen der Zwölfe entsprechend handelt. Dies ist das diesseitige und jenseitige Versprechen.“

Baron Ardo spürte fast körperlich, wie eine Last von seinem Gemüt gewälzt wurde. Nein, die Worte des Geweihten waren nicht die einfache, klare Deutung seines Traums, die er vielleicht insgeheim erhofft hatte.

Doch er fühlte sich, als ob sich eine unsichtbare, beruhigende Hand auf seine Schulter gelegt hätte und ihm Zuversicht gäbe. Seine Rolle war nun ersichtlich: Die eines Handelnden, nicht eines Abwartenden.



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Texte der Hauptreihe:
Phe 1040 BF
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Kapitel 4

In Perricum