Geschichten:Der Ruf des Einhorns - Worte gegen die Flut

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Reichsstadt Eslamsgrund, 30. Efferd 1036 BF, am Mittag

„Volk von Eslamsgrund, Bürger des Raulschen Reiches, treue Diener der Kaiserin ... hört mich an...“

Es dauerte eine Weile, bis sich die durchdringende Stimme des Geweihten Aufmerksamkeit verschafft hatte.

„Eure Rufe tun es kund, viele von euch denken an den alten Grafen und sehnen sich vielleicht zurück nach den Tagen unter Yesatan von Eslamsgrund. Ihr wisst, dass er für Leibeigene und Bauern eintrat, wider die Fron.“

Inzwischen hingen viele gebannt an seinen Lippen. Eine Rede über Yesatan, das wollten sie hören.

„Doch ihr wisst auch, was mit ihm geschah. Wenden wir den Blick ab von unserer Heimat, wenden wir den Blick ab von Eslamsgrund, ab von Garetien, ab vom Raulschen Reich und blicken wir gen Efferd ins Liebliche Feld. Dort gibt es keine Leibeigenschaft, keine Fron. Bei aller Liebe zu unserer Heimat, zum Reich und unserer Kaiserin, wir müssen - wenn auch widerstrebend - eingestehen, dass dieser Zeit nicht das Raulsche Reich sondern das Horasreich wahrhaft von Hesinde gesegtnet ist und dort in ihrem Namen Leistungen vollbracht werden, die bei uns kaum vorstellbar sind.

Wie kommt es? Wie kommt es, dass diese Leistungen in Vinsalt vollbracht werden, in Kuslik, Methumis, Grangor und Belhanka und nicht hier, in Garetien, in Gareth, in Eslamsgrund? Kam es durch Aufruhr, dass Hesindes Gunst so sehr auf diesen Landen ruht? Geschah es durch eine revolutio? Geschah es durch daimokratia? Sind dies die Mittel der Hesinde? Können dies die Mittel der Zwölfe sein, frage ich euch? Ihr Bürger von Eslamsgrund, sie sind es nicht! Sie können es nicht sein, denn sie schaffen Chaos und Chaos ist das Wesen der 7. Sphäre. Chaos ist immer wider die Götter. Denn die Götter, so verschieden sie auch seien mögen, stehen für die Ordnung. Sie sind, ich betone es, die Götter sind die Wächter der Ordnung! Die Geweihten des Herrn Praios und viele Adlige sprechen von einer praiosgefälligen Ordnung, die es zu bewahren gilt. Mögen sie dies tun! Ich spreche von einer göttlichen Ordnung und es ist die Pflicht jedes treuen Anhängers der Zwölf Götter diese Ordnung gegen das Chaos zu verteidigen.

Doch ihr treuen Untertanen des Reiches, Bürger von Eslamsgrund, Hesinde ist auch die Göttin des Wandels und die göttliche Ordnung erlaubt Wandel. Wandel, wie er im Horasreich vonstatten ging! Unter einer starken, weisen Herrscherin und durch ein treues, gebildetes Volk und einen aufgeschlossenen Adelsstand. Der Wandel Hesindes geht langsam von statten, er ist wie ein stetig strömender Fluss, dessen Wasser sich allmählich über die Jahre ein neues Bett graben, selbst in den härtesten Fels. Vielleicht sind hier in Garetien Kräfte am Werk, die alles daran setzen diesen Strom zu stauen, den Wandel wie einen Fluss einzudämmen und ihr tut recht daran, ihnen entgegen zu treten. Doch seid vor übereilten Taten gewarnt! Reißt man einen Damm, ohne Bedacht ein, so wird das aufgestaute Wasser alles überfluten und nur Chaos und Zertsörung bringen. Etwas derartiges mag auch hier geschehen. Gebt also Acht, dass ihr keine Flut entfesselt, die euch hinwegreißt.

Volk von Eslamsgrund, ihr seid nicht ohnmächtig. Mit Bedacht und Weisheit werdet ihr mehr erreichen als mit Zorn und Gewalt. Darum - Ihr alle, Adlige, Bürger, freie Bauern, schickt eure Kinder in Schulen. Wenn es keine in eurer Nähe gibt, stiftet sie. Lernt selbst. Lehrt selbst. Lern und lehrt! Lest von der Welt! Wenn ihr nicht lesen könnt, lernt es. Schreibt eure Erkenntnisse auf. Wenn ihr nicht schreiben könnt, lernt es. Wenn ihr euch unterdrückt fühlt, rebelliert nicht, konsultiert die Gesetze. Erlernt die Rechtskunde. So es euch anvertreut wurde zu herrschen, so solltet auch ihr das Recht des Reiches kennen. Mehr noch, euch obliegt große Verantwortung. Erlernt die Kunst der Herrschaft, erlernt die Staatskunst. Seid euren Untertanen gute Herrscher. Und so ihrn hesindegfälligen Wandel herbeiführen wollt, ruft nicht nach einem Toten, ruft nach der Kaiserin.

Nandus und die Zwölfe mit euch!“

Noch immer herrschte beinahe gespenstige Stille auf dem Marktplatz von Eslamsgrund. Erschöpft trat Edorian zurück ins Innere des Verlagshauses.