Geschichten:Der Ruf des Einhorns - Mit Phex im Bunde

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Reichsstadt Eslamsgrund, 28. Efferd, am frühen Abend

Zeit. Edorian erinnerte sich, dass er einmal etwas über das Wesen der Zeit gelesen hatte. Oder gehört? Richtig! Danah Thanner hatte einmal von ein paar Gedanken ihres Mentors Gerdtian Gerheim erzählt, welche er ihr gegenüber geäussert hatte. Ganz hatte er den Gedankengang nicht verstanden, vielleicht lag es daran, dass die impulsive junge Frau seinen Glaubensbruder etwas falsch wiedergegeben hatte. Oder aber er war einfach noch nicht weit genug, den Gedanken in seiner Komplexität zu erfassen.

Edorian konnte es sich leisten, über solche Dinge zu sinnieren, denn während er auf der langen Bank im Phex-Tempel sass und darauf wartete, dass einer der Geweihten für ihn Zeit -das war sie wieder Zeit,Saturnitavs Domäne,wirklich ein merkwürdiges Phänomen - haben würde, vergingen die Minuten nur langasam und schleppend.Doch er hatte beschlossen nicht in Ungeduld zu verfallen oder generell seine Entscheidung zu bereuen, inmitten der Vorbereitung eines grossen Marktereignis das Haus des Handelsgottes aufzusuchen. Ihm gingen langsam die möglichkeiten aus. Zwar hatte sich Edorian wie immer etwas zu Lesen mitgenommen - in diesem Fall eine kleines Büchlein über tulamidische Kriegskunst zu Pferde - doch im Augenblick konnte er sich nicht recht konzentrieren. Er war zu aufgeregt und neben ihm schnarchte ein fülliger Ochsen von einem Händler, ein ganz sympathischer Viehhändler aus Perricum, dessen Lebensgeschichte sich Edorian in aller Seelenruhe hatte anhören dürfen. Zweimal. Edorian lächelte, weil er nicht seufzen wollte.

"Euer Gnaden, seine Hochwürden wird für Euch jetzt empfangen", weckte Edorian die sanfte Stimme eine jungen Novizin aus seinen Gedanken. "Verzeiht, dass es so lange gedauert hat, aber der Nachtschatten wollte es sich nicht nehmen lassen, Euch persönlich zu empfangen."

Das kleine Füchschen führte Edorian durch den geschmacksvoll eingerichteten Innraum des Tempels, ein verwinkelter Bau, in deren Ecken und Erkern mehrere Mondschatten leise mit allerlei Volk tuschelte. Vor einer unscheinbaren Holztür, die Edorian fast übersehen hätte, blieb das Mädchen stehen und verabschiedete sich mit einer Verneigung.

Das Gespräch mit dem Nachtschatten, einem klugen und gerissenen wirkenden drahtigen Männchen, dem man sein hohes Alter nur an den Runzeln im Gesicht anmerkte, verlief für Edorian unbefriedigend. Immer hatte er das Gefühl, dass sein Gegenüber wesentlich besser informiert war als er selber, und vor allem hatte Edorian das Gefühl, weitaus mehr an Informationen herausgegeben zu haben, als er selber erhielt. In der Rückschau schien es ihm sogar, dass der Geweihte lediglich dasjenige in anderen schillernderen Worten wiederholt hatte, was er ihm wenige Momente vorher gesagt hatte. In dem Moment hatte es sich immer angefühlt, wie eine neue, zufriedenstellende Information, aber je mehr Edorian darüber nachdachte, desto sicherer wahr er, dass er überhaupt nichts erfahren hatte. Es war wohl, so befürchtete er, vergeudete Zeit.

So sass er in einer der Schänken mit seinem Bruder kopfschüttelnd vor einem Krug verdünntem Wein, innerlich eine leichte steigende Beunruhigung verspürend, was der morgige Tag wohl bringen würde. Bis er in den Augenwinkeln in einer der dunkleren Ecken der Schänke eine Bewegung bemerkte, ein Wink der ganz offensichtlich ihm zu gelten schien. Unter einer fadenscheinigen Entschuldigung verliess der Nandus-Geweihte die Gesellschaft seines Bruders, der ihm nur einen kurzen Blick zuwarf, bevor ihn wieder andere Zerstreuungen fesselten. Er bemerkte jedenfalls nicht, dass Edorian in Begleitung eines einfachen Händlers die Taverne verlies.

Als Edorian spät am Abend zurück in seine Unterkunft kam, zitterten seine Hände vor Aufregung. In ihnen hielt er einen gesiegelten Umschlag, in dem sich offenbar eine dickere Schrift befand. Der junge Händler hatte ihn im Namen des Fuchses gegrüsst und ihm dieses Bündel mit wenigen Worten übergeben, dass man es in der Druckerei der Andermanns gefunden habe. Ein gemeinsamer Freund habe ihm ausgerichtet, ihm diese Schrift zu übergeben, denn es würde ihn wohl interessieren.

Schon als Edorian das Siegel mit dem Fuchssymbol aufbrach, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken...