Geschichten:Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Befleckt

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Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle, Stadt Hexenmühle, 16. Ingerimm 1043

„Boron mit dir, Nella“, grüßte Líadáin ni Rían das Mädchen.

„Boron auch mit Euch, Euer Hochwürden“, erwiderte das Mädchen und schaute die Geweihte mit ihren braunen Augen erwartungsvoll an.

„Setz dich“, forderte Líadáin sie auf und deutete auf zwei Gebetsteppiche, die auf dem Boden ausgebreitet waren. Nella setzte sich auf einen davon. Die Geweihte setzte sich auf den anderen.

„Wo sind wir hier?“, wollte das Mädchen wissen.

„Unter uns“, erwiderte die Geweihte schlicht, „Hier hört uns nur der Schweigsame selbst.“

„Dann muss es schlecht aussehen, nicht wahr?“

Líadáin stutzte. Hatte sie nicht vor mehr als einem Götterlauf ähnliches von ihrer Base Nurinai gehört?

„Es sieht nie schlecht aus, Nella“, erklärte sie, „Die Götter haben uns einen Weg zugedacht. Einen bestimmten. Zu dem wir auf unterschiedliche Art und Weise gelangen können. Doch manchmal, ja manchmal entspricht dieser Weg nicht dem, was wir uns für unser Leben vorgestellt haben...“

Das Mädchen holte angespannt Atem.

„Dann... dann... dann kann ich keine Geweihte werden?“

Da setzte sich Líadáin etwas auf und fixierte ihre Gegenüber: „Wenn du mich fragst, weißt du das selbst am Besten.“

Nun guckte das Mädchen etwas irritiert drein.

„Meinst du nicht auch?“, setzte die Geweihte nach.

„Doch“, erwiderte Nella da etwas verblüfft, „Schon. Aber...“

Ein Moment herrschte Stille zwischen den beiden.

„Aber...“, wieder hielt das Mädchen inne.

„Wie denkst du denn darüber?“, versuchte Líadáin es anders.

„Wie meint Ihr das?“

„Wie denkst du über ein Noviziat bei der Boron-Kirche? Glaubst du, dass dies der Weg ist, den dir die Götter vorherbestimmt haben?“

„Ich... ich...“, stotterte das Kind da nur, „Ich weiß nicht. Ich... ich... Ihro Gnaden Nurinai hat gesagt, es sei meine Seele.“

„So ist es“, bestätigte die Geweihte, „Dunkle Schatten liegen auf ihr.“

„Und die sollten da nicht sein?“

„Die sollten da nicht sein.“

„Sie kommen von der Brache“, hoffnungsvoll blickte Nella die Geweihte an: „Nicht wahr?“

„Nur in der Nähe der Brache aufzuwachsen reicht dazu nicht aus, Nella. Davon legt sich kein dunkler Schatten über die unschuldige Seele eines Kindes. Dafür benötigt es Taten.“

Nun schluckte das Mädchen schwer.

„Taten wider die Götter.“

Wieder schluckte das Mädchen. Dieses Mal noch schwerer.

„Die von einem selbst begangen wurden.“

Nella senkte ihren Blick: „Woher...?“

„Mein Herr hat es mir gezeigt. Er hat es mir in einem meiner Träume gezeigt. Schon vor über einem Götterlauf. Doch ich habe gewartet, gezögert. Unnötigerweise. Die Entscheidung war schon immer klar gewesen, Nella, schon von Beginn an. Dieser Weg ist nicht dein Weg und er wird es auch niemals sein. Nie.“

Nella begann am ganzen Körper zu zittern. Tränen glitzerten in ihren Augen.

„Dennoch gab ich dir einen Götterlauf. Viel mehr gab ich ihn nicht dir, sondern Nurinai. Ich schenkte ihr Zeit. Und ich schenkte sie auch nicht ihr. Ich schenkte sie Frau von Raukenfels. Ihr gab ich den Auftrag dafür Sorge zu tragen, dass du bei Ihro Gnaden bleiben kannst.“

„Warum?“, formten Nellas Lippen tonlos.

„Weil du für sie damals bereits wie ein eigenes Kind warst und weil man keine Mutter unnötigerweise von ihrem Kind trennt...“

Da begann sie bittere Tränen zu weinen.

„Sie liebt dich, Nella. Und sie darf nie etwas von diesem Gespräch erfahren. Wir können nur beten, dass Ihro Gnaden niemals von deinen Taten erfahre...“

Das tröstete das Mädchen nicht.

„Und wenn wir jetzt gleich vor den Tempel treten, dann sei dir bewusst, dass du alles was von diesem Tag an geschieht nur einer einzigen Person zu verdanken hast: Yolande von Raukenfels.“