Geschichten:Das neue Haselhain - Das letzte Lied der Silberdrossel?

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30. Tsa 1042 BF, am reisenden Kaiserhof

Elea von Ruchin setzte den Pokal ab. Ein Tropfen Wein, einer Träne gleich, perlte vom Rand herunter. Sie las den Brief noch einmal. Dieser Gockel lehnte sich anscheinend immer weiter aus dem Fenster. Nicht nur dass sie gehört hatte dass er mehr als offen mit dem jungen Prinzen zog, sondern auch noch beinahe verräterische Lobeshymnen sang. Ganz ungeniert und "zwischen" den Zeilen gar höhnisch. Das dieser Mann, der Baron von Haselhain, ein Sohn ihrer familiären Namensvetterin sein sollte...unglaublich.
Wobei eigentlich war schon immer offensichtlich gewesen, dass die beiden Jungen aus der Ehe zwischen Kasim von Pfiffenstock und ihrer Anverwandten Elea Jasinthe deutlich ein Produkt seiner unrühmlichen Hurereien gewesen waren. Doch - warum auch immer - Elea Jasinthe hatte diese Schmach immer gedeckelt und die Söhne wie ihre eigenen aufgezogen, nunja diesen Selo nur kurz - bevor er seine Gastung in der Sighelmsmark antreten musste, vielleicht war der Junge deshalb so geraten.
Und genau um dessen Mutter ging es hauptsächlich in dem etwas konfusen Brief des reisenden Barons. Der Gockel hatte von seiner Frau - die Haselhain in seiner Vertretung verwaltete - erfahren, dass die Familie Ruchin dort ein schweres Schicksal zu ertragen hatte. Denn eben die Barons Mutter und auch die Ruchinsche Kämmerin Hala waren nacheinander und innerhalb von kürzester Zeit zu Boron gegangen, ihrem Alter bzw. dem blutigen Rotz geschuldet. Mit einem Anflug von nicht greifbarem Spott hatte er geschrieben, dass es ihm die "Tränen in die Augen trieb, wenn dies das letzte Lied der Silberdrossel in Haselhain gewesen sein sollte." Und das ihm die enge Beziehung zum Hause seiner umtrauerten Mutter doch so viel bedeuten würde, wo er doch schon seiner "Mutter selbst so selten hätte begegnen dürfen" in seinem Leben.
Die Ruchinerin schnaubte abfällig über diesen Narr, zumal die Ruchins immer noch das fruchtbarste Junkertum in Haselhain unterhielten und dieser Selo - ein trauriges Abbild seiner Geschwister - kaum eine Beziehung zu irgendetwas hatte. Dennoch der Gockel hatte die seltsame Gabe, recht treffsicher dort seine Stiche zu setzen, wo es weh tat. Und so hatte er nach Zeilen voller spöttelndem Pathos dann tatsächlich auch nochmal zu einem sicheren Hieb angesetzt. Denn sehr wohl verlor die Familie Ruchin damit in Haselhain zwei Schlüsselpositionen, die sie über Jahre inne hatten und noch dazu zwei treuherzige Mitglieder der Familie, die den Ruchins bis ins Alter noch nahe standen, trotz ihrer eigenwilligen nebachotisch-perricumer Anwandlungen. Und das wusste dieser Selo und deshalb hatte er Elea einen "Antrag auf Erhaltung von Treue und Wohlgefühl des alten, verwandschaftlichen, wie freundschaftlichen Bündnisses" übersendet. Er wollte erneut einen "ehelichen und ritterlichen Bund vor den Göttern und dem Land" zwischen den Familien besiegeln. Selbst hier hatte er nicht diese Korgondschen Floskeln unterlassen können, die sich durch den ganzen Brief zogen. Elea wusste - das war eine ihrer Berufungen - dass der Haselhainer seit geraumer Zeit umtriebig war und anders als fast alle seiner Vorgänger den Austausch und Schulterschluß (auch) außerhalb Perricums suchte. Doch was er verlangte war nicht wenig, frech gar, allerdings war auch sein Angebot mehr als hinlänglich. Die nun vakanten Ämter der Vögtin der Freiherrlichen Lande, wie der Kämmerin sollten wieder der Familie Ruchin überlassen werden, außerdem sollte das Ruchinsche Junkertum Haselflur ein paar weitere, stattliche Zuwendungen aus den barönlichen Kassen erhalten. Dazu sollte es eine Hochzeit geben, der Unverschämte verlangte Holduin, er hingegen bot eine unbedeutende Blume. Aber immerhin sollte Holduin eine gute, vom Baron bezahlte (ritterliche) Ausbildung in Haselflur bei seiner Anverwandten bekommen. Und zu guter Letzt - darauf konnte Elea allerdings gut verzichten, schwor der Gockel der Familie und dem Land seiner "Mutter die Treue und den Bund", was er damit konkret sagen wollte blieb schleierhaft. Solche Details sollte Elea ohnehin mit Selos Gattin Fatime ausgestalten, die "ja ohnehin am Orte des Dramas" säße. Elea schüttelte den Kopf, sollte sie sich auf so etwas einlassen?

Sie würde vorerst mit der Gemahlin Selos Kontakt aufnehmen und dann entscheiden, evtl. war diese nicht ein Fall für die Noioniten.